Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/00      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Für die sofortige Entschädigung von Oldenburger NS-ZwangsarbeiterInnen

Millionen von Menschen sind während des Nationalsozialismus in das Deutsche Reich deportiert und regelrecht versklavt worden. Von der Zwangsarbeit profitierte neben der Industrie und Landwirtschaft der deutsche Staat und auch seine Kommunen. Seit über 50 Jahren schulden deutsche Unternehmen, sowie die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches den aus ihren Heimatländern rekrutierten 10 bis14 Millionen Zwangsarbeitern Lohn in Höhe von mindestens 180,5 Milliarden DM (vgl. Prof. Thomas Kuczynski, "Entschädigungsansprüche für Zwangsarbeit im éDritten Reich'"). Entschädigungen für den ausgeübten Zwang und für Schäden an Leib und Leben betragen ein Vielfaches. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" entlastet die Täter und verhöhnt die Opfer.

Der Betrag von 10 Milliarden als Gesamtsumme ist viel zu gering. Hinzu kommt, daß von diesem Betrag nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen nur 8,1 Milliarden für die unmittelbare Entlohnung und Entschädigung der Zwangsarbeiter aufgewendet werden sollen. Mit dem Stiftungsgesetz erkauft sich die BRD einen Schlußstrich, nach dem Forderungen in der Zukunft nicht mehr geltend gemacht werden können. Zudem geht der Rechtsfrieden der deutschen Unternehmen eindeutig zu Lasten der Opfer: Die Verteilung der Mittel soll an eine Antragsfrist von acht Monaten gebunden werden, innerhalb derer die Opfer nachweisen müssen, ob und wo sie Zwangsarbeit verrichten mußten. Darüber hinaus müssen sie den Verzicht auf weitere Rechtsansprüche gegenüber dem Staat und deutschen Firmen erklären.

Auch nach dem neuesten Stand des Gesetzesentwurfs ist nicht absehbar, in wie weit Personen, die in der Landwirtschaft oder für kommunale Zwecke eingesetzt waren und zur Arbeit gezwungen wurden, Ansprüche auf Zahlungen aus dem Fond geltend machen können. Kriterien für die Entschädigung sind nach § 11 des Stiftungsgesetzes Haftbedingungen oder "besonders schwere Lebensbedingungen", womit im Regelfall bewachte Lagerunterbringung gemeint ist. Ob auch die anderen Opfer entschädigt werden, hängt von der Entscheidung der Partnerorganisationen ab, die die Bestimmungen des Gesetzes auslegen können. Je weiter sie diesen Spielraum ausnutzen, desto weniger bekommen die einzelnen AntragstellerInnen.

ZwangsarbeiterInnen, die in Staaten leben, in denen keine Partnerorganisationen bestehen, müssen ihre Anträge an die deutsche Stiftung stellen; für diese rund ein Drittel der noch lebenden ZwangsarbeiterInnen sind maximal 850 Millionen Mark vorgesehen.

Kriegsgefangene die als Zwangsarbeiter eingesetzt waren können keine Ansprüche geltend machen, wenn sie nicht in einen Zivilstatus überführt worden sind.

Wir halten die derzeitige Fassung des geplanten Stiftungsgesetzes für völlig unzureichend, um Zwangsarbeiter angemessen zu entlohnen, sowie zu entschädigen. Mit unserer Initiative soll die Stadt Oldenburg in die materielle und moralische Pflicht zur Entlohnung und Entschädigung ihrer Zwangsarbeiter genommen werden.

In Oldenburg wurden insgesamt 18.000 bis 20.000 Männer und Frauen zur Arbeit gezwungen. Ihr erzwungener Arbeitseinsatz hat viel zur Prosperität dieser Stadt beigetragen, die Hauptbereiche ihres Einsatzes waren dabei gerade landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion, Moorkultivierungsarbeiten und öffentliche, städtische Baumaßnahmen. Nach den vorliegenden Planungen ist nicht absehbar, ob und in welchem Maße Oldenburger ZwangsarbeiterInnen entschädigt werden. Daher fordern wir die Stadt Oldenburg auf, selbst die Initiative zu ergreifen, wie dies bereits in einigen anderen Städten (Darmstadt, München, Wiesbaden u.a.) geschehen ist.

Initiative für die sofortige Entschädigung von Oldenburger NS-ZwangsarbeiterInnen

Entschädigung jetzt! - Forderungen an die Stadt Oldenburg

Über 50 Jahre nach Kriegsende ist jetzt endlich eine Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter während des Dritten Reichs in Sicht. Damit die Überlebenden ihre Entschädigungsansprüche bei der geplanten Stiftung der Bundesrepublik geltend machen können, müssen sie ihre Beschäftigungsverhältnisse nachweisen. Wir betrachten es als eine Verpflichtung , ihnen die entsprechenden Informationen von deutscher Seite schnellstmöglich zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus halten wir es für notwendig, daß die Stadt Oldenburg, in der während des Zweiten Weltkrieges weit mehr als 10.000 Menschen Zwangsarbeit verrichten mußten, von sich aus einen Beitrag zu deren Entschädigung leistet.

1) Bestandsaufnahme der Zwangsarbeit in Oldenburg

Die Stadt Oldenburg soll umgehend eine umfassende Bestandsaufnahme der Zwangsarbeit in Oldenburg vornehmen. Erforderlich ist sowohl eine Aufstellung der Beschäftigungsorte (Betriebe und kommunale oder staatliche Einrichtungen) als auch eine Liste der ZwangsarbeiterInnen. Hierzu sind alle überlieferten Aktenbestände - wie Stadt- und Staatsarchiv, Gesundheitsamt und vor allem auch die bisher gesperrten Hebekarteien der AOK - heranzuziehen. Zusätzlich bedarf es eines öffentlichen Aufrufs in der Presse, mit dem ehemalige Arbeitgeber um Auskunft gebeten werden

2) Bereitstellung von Unterlagen und Suchaktion

a) Die Stadt Oldenburg soll darüber Auskunft erteilen, wie bisher mit Anfragen ehemaliger ZwangsarbeiterInnen verfahren wird und wer dafür zuständig ist. In jedem Fall soll sie dafür Sorge tragen, daß entsprechende Anfragen zügig und sorgfältig beantwortet werden.

b) Darüber hinaus fordern wir die Stadt Oldenburg auf, die erhaltenen Unterlagen zu veröffentlichen. Das heißt die Stadt Oldenburg sollte eine Seite im Internet einrichten, über die die ZwangsarbeiterInnen bzw. deren Organisationen die benötigten Auskünfte abfragen können. Zugleich müssen die erhaltenen Archivmaterialien in geeigneter Form den einschlägigen Anwaltskanzleien, den Partnerorganisationen in Polen und der Ukraine sowie dem Suchdienst des Internationalen Roten Kreuzes in Arolsen zur Verfügung gestellt werden.

c) Über die Einrichtung eines Suchdienstes soll die Stadt Oldenburg ihre Möglichkeiten ausschöpfen, von sich aus ehemalige ZwangsarbeiterInnen an ihren jetzigen Wohnorten ausfindig zu machen.

3) Entschädigungsfonds einrichten

Die Bestimmungen des Stiftungsgesetzes der Bundesregierung schließen diejenigen ehemaligen ZwangsarbeiterInnen, die nicht in Lagern oder in anderen geschlossenen Hafteinrichtungen interniert wurden, vom Entschädigungsfonds aus (§ 11). Diese Bestimmung trifft auf etliche Oldenburger ZwangsarbeiterInnen zu. Auch die Entschädigung von ZwangsarbeiterInnen aus denjenigen Staaten, die an den gegenwärtigen Verhandlungen nicht beteiligt sind, ist ungewiß. Um eine Entschädigung all dieser Personen, unabhängig von ihrer Nationalität, zu gewährleisten, fordern wir die Stadt Oldenburg auf, einen stadteigenen Entschädigungsfonds, an dem alle Profiteure der Zwangsarbeit beteiligt sind, einzurichten und dafür einen festen Posten im Haushalt vorzusehen.

4) Dokumentation

Um die Oldenburger Öffentlichkeit über die Geschichte der Zwangsarbeit in der Stadt zu informieren und diesen Teil der Geschichte nicht länger aus der kollektiven Erinnerung auszuschließen, soll die Stadt dafür Sorge tragen, daß die Zwangsarbeit in Oldenburg während des Zweiten Weltkriegs dokumentiert wird. Denkbar wäre die Erstellung einer Dauerausstellung, die in repräsentativen Räumlichkeiten der Stadt (Stadtmuseum) ihren Platz finden sollte, sowie eine Dokumentationsmappe als Handreichung für den Schulunterricht.

Wir fordern alle Bürgerinnen und Bürger und gesellschaftlichen Gruppen auf, sich an der Durchsetzung dieser Forderungen zu beteiligen. Die Initiative lädt zu ihrem nächsten Treffen am Dienstag, den 6. Juni, 20.00 Uhr, im Evangelischen Gemeindezentrum in der Peterstraße 27 ein.

Kontakt:

Initiative für die sofortige Entschädigung von Oldenburger NS-ZwangsarbeiterInnen

C/o "Dritte Welt" Informationszentrum

Auguststraße 50

26121 Oldenburg

Tel.: 0441/ 776 777

 

 
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