Oldenburger STACHEL Ausgabe 7/00      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Schlecht beraten beim Arbeitsamt

Über die Pseudo-Aktivitäten des Oldenburger Arbeitsamtes

Letztlich dreht sich diese Welt nicht um Arbeit, sondern um bezahlte Arbeit. Money meeks se wörld go raund, wie die LateinerIn sagt. Von dieser Erkenntnis, die sich besonders bei Einelterhaushalten regelmäßig spätestens nach der Monatsmitte breit macht, scheint im Oldenburgischen Arbeitsamt genauso wenig bekannt zu sein, wie z.B. in den Redaktionen von Panorama (NDR), der BildWest oder bei vielen Privatsendeanstalten - eingeschlossen den Oldenburger Offenen Kanal (OK).

Hauptsache Arbeit?

Da gibt es im Einzugsbreich des Arbeitsamtes Oldenburg zwei Personen - ich nenne sie mal Karl Kraus und Rosa L.. Beiden ist gemein, daß sie sich eine zehntel Arbeitsstelle teilen müssen. Denn im Bereich Oldenburg kommen auf über 10000 Erwerbslose gerade mal rund 1000 offene Stellen. Erschwert wird die Angelegenheit, daß wenige diese freien Stellen für diejenigen zur Verfügung stehen, die derzeit erwerbslos sind.

Karl ist über längere Zeit erwerbslos. Seine vorhandenen Qualitäten sind nicht gefragt. So wurde er gezwungen, an "Trainings-Maßnahmen" teilzunehmen. Dabei wußten die VerschickerInnen im Amt nicht einmal, was das für eine "Maßnahme" war, als es das erste Mal für ihn losging. Dort traf er auf 30 Menschen, denen es ebenso gegangen war. Diese Vorgehensweise des Arbeitsamtes verstößt gegen dessen eigene Grundsätze. Von diesen erfuhr Karl später. Als er sich eigenständig um eine Ausbildung bewarb, wurde im dies verwehrt mit der Begründung, er habe keine Beratung seitens des Arbeitsamtes erhalten, deshalb dürfe er nicht teilnehmen. Dabei gab es für Karl noch nie etwas beim Arbeitsamt, das er als "Beratung" bezeichnen möchte.

Die "Trainings-Maßnahme" ist sinnlos

Nun ist das Arbeitsamt gehalten, "notwendig" und "zweckmäßig" und bezogen auf den Einzelfall zu handeln. Karl hat vor vielen Jahren eine Berufsausbildung gemacht. Doch statt eine Auffrischung oder eine Umschulung zu unterstützen, sollte Karl lernen, sich zu bewerben. Am Ende dieser Wochen stand ein Zeugnis, er sei fit, solle jedoch eine Ausbildung/Umschulung absolvieren, um seine Qualitäten potentiellen ArbeitgeberInnen als anerkannte Qualifikationen nachweisen zu können. Genau das hatte Karl dem Arbeitsamt vorher gesagt. Also Wochen vertaner Zeit und vergeblich Geld ausgegeben, denn dieses Ergebnis stand vorher fest.

Das Arbeitsamt: "Wir kennen den Markt"

Also bewarb Karl sich selbst um eine Ausbildung. Dort wurde er als Teilnehmer akzeptiert. Das Arbeitsamt lehnte ab. Weitere Vorschläge Karls wurden abgelehnt mit Begründungen wie: Die "TrainerInnen" würden die TeilnehmerIn kennen, das Amt jedoch den Arbeitsmarkt. Ist es noch wichtig zu erwähnen, daß sich Karl um Ausbildungen in der Informationselektronik bewarb? Doch die Ablehnungen des Amtes wurden dreister. Er sei nicht fähig, eine solche Ausbildung zu absolvieren. Dabei hat Karl bereits eine abgeschlossene Ausbildung in genau diesem Bereich.

Ihr Arbeitsamt rät: Machen Sie bloß keine Ausbildung!

Bei einem dieser potentiellen Ausbildungsträger gibt es mittlerweile einen Einstufungstest. Diesen hat Karl bei einer erneuten Bewerbung mit Bravour absolviert. Die erneute Ablehnung mit Widerspruchsbegründung sagte aus, daß Karl durch eine Berufsausbildung seine Vermittlungschancen unzulässig beeinträchtigen würde. In diesem Fall wäre es die Ausbildung zum IT-Systemelektroniker gewesen. Wie wir alle wissen, sind die Vermittlungsaussichten in diesem Bereich sehr eingeschränkt - oder? Hätte das Arbeitsamt der Ausbildung bei der ersten Bewerbung zugestimmt, wäre diese mittlerweile abgeschlossen.

"Trainingszwang" statt Arbeit

Es wurde eine andere "Maßnahme" ausgesucht. Diese lief über mehr als ein halbes Jahr. Hier wurde Karl in ein Praktikum ohne Lohn vermittelt. Gegen Ende des Praktikums stellte sich heraus, daß diese Firma seit langem pleite ist. Konkurs abgelehnt mangels Masse 1/96, Eidesstattliche Versicherung 12/97. Diese gilt bis heute. Hinweise darauf finden sich auch in den Akten des Arbeitsamtes, da MitarbeiterInnen der Firma dort Insolvenzgeld beantragten. Doch diese Informationsquelle wurde ebenso wie das öffentliche Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht übersehen, wenn nicht bewußt ignoriert. Letztlich ist davon auszugehen, daß es sich um eine Form des Subventionsbetruges handelt, von der die Beteiligten - bis auf Karl - mindestens ahnen konnten.

Das Arbeitsamt hat es leicht

Denn die öffentliche Meinung sieht oft die Schuld nicht in der Arbeitslosigkeit, sondern bei den Arbeitslosen. Diese Meinung wird geschürt. Der NDR z.B. berichtete von angeblichen Betrügereien von Sozialhilfeempfängern. Das in der Panorama-Sendung vom 18.5.00 behauptete Arbeitslosengeld für eine bestimmte Person gibt es nachgewiesenermaßen jedoch gar nicht. Es wurde der Eindruck erweckt, als würden die Erwerbslosen Gelder vom Arbeitsamt in Höhe von 3500 DM bekommen. Die durchschnittliche Höhe des Arbeitslosengeldes liegt bei 1000 DM. Arbeitslosenhilfe ist deutlich weniger.

In jedem zweiten Seifen-Talk bekommen Leute die Möglichkeit, ihre NachbarIn zu denunzieren: "Geh doch Arbeiten." Spannend, wenn sich während der Sendung herausstellt, das der Denunziant selbst erwerbslos ist, wie kürzlich bei der reichen Erwerbslosenjägerin Frau Veen.

Im Offenen Kanal Oldenburg wird mittlerweile ganz "offen" die Propagandatrommel für das Arbeitsamt gerührt. Ursprünglich sollte dort eine Gruppe den Bereich der Erwerbslosigkeit behandeln. Fast alle Erwerbslosen sind inzwischen aus der Vorbereitungsgruppe gegangen. Als die Arbeitslosenselbsthilfe ALSO kürzlich in einer Sendung deutlich machte, daß die "Trainingsmaßnahmen" den wesentlichen Effekt haben, Erwerbslose aus der Unterstützung zu kicken, beeilte sich der OK dem Arbeitsamt gegenüber zu versichern, daß dies ja so nicht gemeint gewesen wäre. Im Gegenzug wird dem Arbeitsamt nun eine ganze Sendung allein zur Verfügung gestellt. Dabei heißt OK in anderen Städten BürgerInnenfunk. Für Oldenburg war das auch mal so geplant....

"Trainings"-Zwang in den Ferien für Mütter

Wie der Mann des Arbeitsamtes in der OK-Sendung zu verstehen geben versuchte, möchte sich das Arbeitsamt von den Erwerbslosen distanzieren. Diese sind einfach da. Wörtlich: "Das sind nicht die Arbeitslosen des Arbeitsamtes." Hatte auch niemand behauptet. Das Arbeitsamt ist für diese gesellschaftliche Aufgabe der Vermittlung von Arbeitsstellen zuständig. Arbeit hat es nicht, also macht es welche. Sich und anderen. Nur verdienen läßt sich damit nichts. Auch wenn Statisten des Arbeitsamtes in jedem Monat neu ihre Statistik zeigen, wie sich das Amt angeblich verdient gemacht habe.

Wenn es keine Erwerbsarbeit gibt, könnte ja jedeR kommen und einfach behaupten, sie wolle arbeiten. Das Gemeine an diesen Erwerbslosen ist, daß sie sogar in großen Zahlen diese "Trainingsmaßnahmen" durchhalten. Deshalb hat sich das Arbeitsamt etwas besonders Fieses ausgedacht. Nunmehr werden viele alleinerziehende Mütter ausgerechnet und nach Auskunft von MitarbeiterInnen des Arbeitsamtes gezielt während der Ferien in ein Zwangs-"Training" gesteckt.

Die Familie steht unter dem besonderen Schutz des Staates, wird sonst gescheinheiligt. Rosa L. erklärte dem STACHEL gegenüber, daß sie seit langem keinen Urlaub mehr hatte. Kind, Bewerbungen und ein kleiner Nebenverdienst nehmen sie voll in Anspruch. In den Ferien wollte sie deshalb gerne für das Kind da sein. Das wurde nun kurz vorher zunichte gemacht. Bei ALSO und DONNA 45 mehren sich die Berichte über diese Vorgehensweise des Amtes, die kritisiert wird. Würden die Kurse nicht über die ganzen Ferien gehen und mehrere Termine zur Auswahl stehen, würde diese Kritik nicht so laut ausfallen. So bleiben die Kinder die Leidtragenden. Das heißt für sie, in den Ferien um 6 Uhr geweckt zu werden, damit sie zu den Tageseltern gebracht werden können. Wer normal berufstätig ist, kann sich um langfristige Tageseltern kümmern. So kurzfristig sind solche nicht zu finden, was erschwerend bedeutet, daß die kleinen Kinder oft wechselnde Bezugspersonen bekommen. Dafür bekommen die zu "Trainierenden" monatlich 120 DM Zuschuß, in seltenen zu begründenden Ausnahmen maximal 200 DM.

Ist noch zu anzumerken, daß diese "Maßnahmen" keine sind - denn auch wenn "Maß genommen wird" - Erwerbsarbeit haben die TeilnehmerInnen eines "Trainings" seltenst zu erhoffen.

Gerold Korbus

 

 
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