Oldenburger STACHEL Ausgabe 7/00      Seite 1
 
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NS-Euthanasie in Wehnen

Angehörige der NS-Euthanasie-Opfer von Wehnen fordern Entschädigung

Der wachsende Kreis von Betroffenen, die ihre Angehörigen während des Naziregimes durch die sogenannte "Euthanasie" in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen verloren, hat sich auf seiner letzten Versammlung bundesweit organisiert. Damit schloß er sich den Forderungen nach einer Entschädigung an, wie sie der Bundesverband der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten in Detmold seit Jahren fordert.

In der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt, heute Landeskrankenhaus Wehnen, wurden zwischen 1936 und 1947 mindestens 1500 Patienten ermordet, hauptsächlich durch gezieltes Aushungern. "Diese ungeheuerliche Tatsache" so die Sprecherin Edda Minssen aus Bad Zwischenahn, "kam erst 1997 durch die Untersuchungen des Historikers Ingo Harms ans Licht. Dadurch sahen wir uns nach über fünfzig Jahren in unserem Verdacht bestätigt und konnten mit der Verarbeitung beginnen", sagte Frau Minssen.

Der Angehörigenkreis, der zur Zeit mit dem niedersächsischen Sozialministerium über eine Gedenkstätte in Wehnen verhandelt, trat bei seiner letzten Versammlung in Bad Zwischenahn den bundesweit organisierten NS-Euthanasiegeschädigten bei. Diese Organisation, so Frau Minssen, kämpfe seit 1987 bundesweit für zahlreiche Angehörige der damals über 200.000 ermordeten Patienten um die Anerkennung als Verfolgte des NS-Regimes. "Wir haben ja nicht nur unsere Mutter oder unseren Vater verloren, sondern wurden auch selbst von der Rassenmedizin der Nazis bedroht. Die Abstempelung zum sogenannten lebensunwerten Lebens belasteten die meisten von uns auch nach dem Ende des Regimes". Selbst heute werde man manchmal an diesen Makel erinnert, meinte die Sprecherin und führte als Beispiel an, daß "weder von der Gemeinde Zwischenahn noch von den hiesigen Parteien irgendeine Art von Unterstützung gekommen sei. Auch aus Oldenburg, dem Sitz der für die damaligen Morde verantwortlichen Verwaltung, kam keine Reaktion".

Nach dem Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG) von 1953 stehe den Angehörigen eine Ausgleichszahlung zu. Dies sei vom Bundestag im Jahr 1980 bestätigt worden. Die Länder hätten sich Ende der 80er Jahre auf eine eigene Regelung geeinigt. Danach stehe den Geschädigten je eine einkommensunabhängige Einmalzahlung in Höhe von 7500 Mark vom Land wie auch vom Bund zu. Doch bisher zeigten sich beide Instanzen "zahlungsunwillig". "Wir haben unsere Anträge auf den Weg gebracht und sind zuversichtlich, mit der Unterstützung aus Detmold bald ans Ziel zu kommen", sagte die Sprecherin. "Dabei geht es nicht um die Entschädigung, sondern die damit verbundene offizielle Anerkennung des Leidens der Ermordeten und unseres eigenen erlittenen Unrechts".

Der Gedenkkreis vermutet in Wehnen weiteren historischen Aufklärungsbedarf. "Dr. Harms sieht in der viel zu hohen Sterblichkeit der Jahre 1946/47 die Fortsetzung der Verbrechen an den Patienten, und dies wurde uns von einer anwesenden Familie an einem Beispiel eindrücklich bestätigt", betonte die Sprecherin: "Da alle bisherigen Forschungen ohne Förderung auskommen mußten und deshalb nur die Spitze des Eisberges sichtbar machen konnten, haben wir vom Land Niedersachsen zusätzliche Forschungsmittel gefordert. Das Land lehnt dies jedoch ab".

Zum 61. Jahrestag der Unterzeichnung des "Gnadentod-Erlasses" am 1. 9. 1939 durch Adolf Hitler, mit der die NS-Euthanasie begann, will der Angehörigenkreis in Wehnen seinen ersten Gedenktag begehen.

Angehörige von Opfern der NS-Euthanasie

in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Wehnen

Edda Minssen

 

 
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