Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/00      Seite 12
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Hauptsache Sendung, oder was?

Nachrichten im Offenen Kanal

Seit Oktober gibt es im Offenen Kanal Oldenburg - OKOL - Nachrichten nach einem neuen "Strickmuster". Von außen dürfte am deutlichsten erkennbar sein, daß sie jetzt täglich gesendet werden. Zwar wird die Sendung dreimal wiederholt, doch das ist für eine Stadt wie Oldenburg schon eine Menge, die viel Einsatz erfordert.

Dem bisherigen Prinzip des Offenen Kanals widersprechend, nachdem für Sendungen jeweils eine Person oder eine Gruppe verantwortlich ist, ist die neue Nachrichten-Redaktion nicht mehr selbst verantwortlich, sondern der Verein trägt die rechtliche Verantwortung für die Veröffentlichungen. Es wird quasi auf die tradidionelle Methode der Sitz-RedakteurIn zurückgegriffen, die bereits die sozialdemokratischen Zeitungen im 19. Jahrhundert kannten. Diese Regelung kennt für verzapften Mist auch der Oldenburger STACHEL.

Provinz ist überall

Natürlich hat auch die neue Nachrichten-Redaktion mit den gleichen trägen Strukturen zu kämpfen, die in einer Provinz-Stadt wie Oldenburg nun mal vorherrschen. Zwar träumten die Verantwortlichen des Offenen Kanals davon, es endlich ganz anders zu machen. Sie verschickten im Sommer beispielsweise viele Briefe, um Menschen, vielleicht eher Institutionen, einzuladen, die Nachrichten-Redaktion mit Informationsfutter zu versorgen und sich an der Gestaltung zu beteiligen. Der Erfolg blieb bis heute - drei Monate nach dem fiktiven Start und nach zwei Sendemonaten - dürftig.

Die Anforderungen:

"Für das Sendeformat ,Lokalnachrichten` wird ein eigenes, lokalspezifisches und bürgerinnennahes Profil entwickelt. Hier sollen nicht die üblichen Standardformen reproduziert werden. Unmittelbar Beteiligte werden in Telefoninterviews zu Wort kommen. In der Öffentlichkeit vernachlässigte Themen werden besonders berücksichtigt. Auch Meldungen aus dem ganz normalen Alltag mit seinen Freuden und Ärgernissen können Gegenstand sein. Lokal und regional Berichtenswertes gibt es vieles!" Das ist ein Auszug aus dem Einladungsschreiben zur Gründung der neuen - abhängigen - Redaktion.

Kleiner Rückblick

Immerhin folgten der Einladung ca. 30 Menschen, die zum Treffen Ende August kamen. Doch bereits in der ersten Woche der Trockenübungen bröckelte die Zahl der TeilnehmerInnen auf deutlich unter zehn Menschen ab. Die in der Einladung angekündigten "... Schulungen im Hörfunkstudio oder ...Praxiskurse wie "Schreiben von Meldungen für das Hören", "Sprechen am Mikrofon" etc. ..." fielen leider recht dürftig aus.

Zensur gibt es nicht

Daß zwar der Offene Kanal den Oldenburger STACHEL gerne nutzt, um seine Programme zu veröffentlichen, jedoch den STACHEL nicht gerne an seinen Aktivitäten beteiligt, läßt sich bei einem Blick auf die Web-Site erahnen. Unter "Links" (Verknüpfungen) findet sich dort einiges, nicht jedoch die Netz-Seite des STACHEL (www.stachel.de). Die STACHEL-Redaktion wurde nicht eingeladen, um beim Aufbau der neuen Nachrichtenstruktur mitzuwirken. (Auf die Anfrage eines Redaktionsmitglieds gab es lapidar zu lesen, daß die Einladung vergessen worden sei.) Für sich betrachtet ist sicher auch eine Kleinigkeit, daß später ein vorbereiteter Beitrag mit einem Hinweis auf die öffentliche Redaktionssitzung des STACHEL kurz vor dem Weg in den Äther ausgebremst wurde.

Wo bleibt das "Neue"?

Die Zielsetzung der "neuen" Nachrichten lautet: "Hier sollen nicht die üblichen Standardformen reproduziert werden." Doch als Berater wurde der Oldenburger Mitarbeiter der Deutschen Presseagentur - dpa - herangezogen, wie jüngst in einem Veranstaltungsheft zu lesen war. Allerdings hat dieser nicht an den Treffen der Nachrichten-Redaktion teilgenommen, soweit mir dies zur Kenntnis kam.

Im OKOL werden wohl doch Fäden im Hintergrund gezogen. So wurden z.B. aus der praktischen Redaktionsarbeit resultierende Änderungsvorschläge nicht diskutiert und fielen unter den Tisch. Lange dauerte es, bis z.B. der Termin der wöchentlichen Redaktions-Sitzung um lediglich eine Stunde aus der Produktionsphase weg in eine entspanntere Zeit verschoben wurde. Nicht allein aus persönlichen Gründen blieben deshalb zwei journalistisch erfahrene Frauen weg, von denen wertvolle Beiträge zu erwarten gewesen wären.

An der Auswahl der neuen PraktikanntInnen, deren Hauptaufgabengebiet die Nachrichten sein sollen, wurden die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der Nachrichtenredaktion nicht beteiligt. Obwohl bei der täglichen praktischen Zusammenarbeit vielleicht doch etwas "die Chemie" stimmen sollte, oder?

Wo bleibt das "Neue", lieber OKOL?

Es besteht der Schwerpunkt der Nachrichten leider einzig aus Verlautbarungen von Universität, Stadt Oldenburg und auch mal der Landwirtschaftskammer. Zwar war es wohl "witzig" gemeint, als die aktuellen Gurkenpreise verkündet wurden, doch halte ich das auch für ein Zeichen, wie es um die Struktur dieser Redaktion bestellt ist. Wobei ich nichts gegen Mitteilungen aus der Uni habe, doch ein Medium mit den einzigartigen Möglichkeiten wie der OKOL sollte doch wohl mehr für diejenigen "offen" sein, die allgemein weniger Gelegenheit haben, unzensiert veröffentlichen zu können. Zu diesen gehört die Uni nicht.

Leider wird auch die mögliche Sendezeit nicht ausgenutzt. Meist dauern die Nachrichten drei bis vielleicht vier Minuten statt der geplanten fünf. Dadurch wirkt es noch massiver, wenn unter drei Meldungen wesentliches Gewicht auf einem - immerhin durch Telefon-Interview mit einem Polizisten "aufgelockerten" - ausführlichst dargestellten Schreckschußpistolenüberfall für ein paar Mark von zwei betrunkenen Jugendlichen des Nachts auf eine Oldenburger Tankstelle dargestellt wird.

Rassismus und Nationalismus im OK?

Wenn die Redaktion wenig Informationen bekommt und personell leider schwach besetzt ist, nimmt es nicht Wunder, daß immer mal wieder Berichte der Polizei berücksichtigt werden. Die beschreibt oft alles ganz, ganz genau. Doch spielt die Nationalität eine Rolle, wenn z.B. einer 25jährigen Person Drogenhandel vorgeworfen wird?

Wenn die Polizei meint, so etwas in der Berichterstattung mitteilen zu müssen, sollte die jeweilige Redaktion - nicht nur die des OK - souverän genug sein, das als unwesentlich nicht dem Äther zu übergeben. Letztlich widerspricht solche Art der Berichterstattung auch dem Kodex des Presserates. Und wenn solches einmal kritisiert wird, sollte es nicht zu Wiederholungen kommen. Doch leider wechseln die hauptamtlichen Personen wöchentlich, von denen die Nachrichten-Redaktion Unterstützung bekommen soll. Dies wirkt sich negativ auf den Informationsfluß von einer Wochenschicht auf die nächste aus und reduziert die Möglichkeiten zur Kontinuität.

Vom Scheitern der Ansprüche

Die wesentliche Produktion ruht mittlerweile auf den Schultern der beiden PraktikantInnen. Ich möchte ausdrücklich bemerken, daß diese für die unbefriedigende Situation keinesfalls verantwortlich sind. Ich halte das Projekt Nachrichten hinsichtlich der formulierten und oben zitierten Ansprüche für gescheitert. Das liegt natürlich nicht an denen, die versuchen, aus den chaotischen Verhältnissen noch das Beste zu machen. Doch halte ich es nicht für gerechtfertigt, von Nachrichten von BürgerInnen (für BürgerInnen) zu sprechen, wenn der weit überwiegende Teil dieser Nachrichten von Profis vorproduziert wird (nämlich von den Pressestellen der Groß-Instituionen) und im Gegensatz an den Eigenproduktionen (nach welchen Regeln eigentlich?) herumgestrickt wird.

Verwursten von Nachrichten

Ärgerlich fand ich es schon, wie mir klargemacht wurde, wo der ÖmboxÖä(Redaktions-)üHammer hängt. So brachte ich z.B. einen Beitrag zur Unterstützung von Flüchtlingen in Oldenburg ein. Das Flüchtlings-Cafe Oldenburg hat mit der plakativen Veröffentlichung eines offenen Briefes eines Flüchtlings, der in der ZAST-Blankenburg einsitzt, in Zusammenarbeit mit dem DGB und dem Ausländerbeauftragten der Stadt Oldenburg versucht, Solidarität zu zeigen. Kurz beschrieben bittet der Flüchtling in seinem Brief um Achtung und Respekt. Zielgruppe dieser Karten- und Plakataktion sind ausdrücklich die (unentschlossenen) Menschen, die zur Zivilcourage ermutigt werden sollen. Doch z.B. die diesbezügliche Formulierung wurde verändert. Der gesendeten Fassung nach sollten plötzlich die Flüchtlinge ermutigt werden, weil "das doch mehr Sinn mache".

Ich sehe schon die langen Gesichter vor mir, wenn diese Zeilen veröffentlicht sind. Doch es geht mir nicht darum, die Menschen zu kritisieren, die täglich mit dem komplizierten Job befaßt sind, aus einem Wust von Nichts an Meldungen etwas wenigstens irgendwie Sendefähiges zu produzieren. Andererseits muß die Frage erlaubt sein, warum eigentlich Leuten, die im Interview befragt werden, größere Gestaltungmöglichkeit eines Beitrages eingeräumt werden (O-Ton), als denjenigen, die - evtl. sogar regelmäßig - bei der Redaktion mitarbeiten?

Es geht ums Prinzip

Was spricht denn dagegen, wenn der Anspruch heißt, nicht nach den allgemeinen Standards zu arbeiten und Offener Kanal ein Medium von BürgerInnen für BürgerInnen sein soll, zumindest in den Bereichen, in denen nichts Existenzielles (also z.B. strafrechtlich Relevantes) berührt wird, den Menschen auch die Möglichkeit zu lassen, selbst die Beiträge zu gestalten? War es denn nötig, eine von der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen - DFG-VK - organisierte Fahrgemeinschaft zur Veranstaltung "Haß und Propaganda im Internet" dem DGB bzw. der Autonomen Antifa Wilhelmshaven zuzuschreiben?

Müssen Berichte tatsächlich noch mal "glattgeschliffen" werden von der Redaktion? Und wenn, in welchem Maß ist das angemessen? Es handelt sich doch um einen "Offenen Kanal". Hier muß gerade nicht ein technisches Niveau wie bei dpa oder den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten erreicht werden, was doch den besonderen Charakter des Offenen Kanals ausmacht.

Chancen des OK

Schön fand ich, daß eine weitgehende Zensur der Medien in Oldenburg bezüglich der Werbung für einen Besuch von Überlebenden des Atombombenabwurfs auf Hiroshima bei der DFG-VK Oldenburg von den Nachrichten des OK nicht mitgemacht wurde. "In der Öffentlichkeit vernachlässigte Themen werden besonders berücksichtigt." Hier wurde mit dem Anspruch Ernst gemacht. Allerdings wäre es schön gewesen, wenn auch jemand aus dem Publikum als Grund des Erscheinens die Information seitens der Nachrichten genannt hätte. Der Umfrage unter den BesucherInnen nach bleibt zu konstatieren, daß Veranstalter sich bei der Werbung NICHT auf die Medien in Oldenburg verlassen dürfen. Sonst bleiben sie allein und verlassen. Das gilt für ALLE Medien.

Leider (!) werden die derzeitigen PraktikantInnen ihr Praktikum bald beenden. Ich wurde - nicht von ihnen - gebeten, mit der Redaktion nicht so streng zu sein, da alle neu und keine "Profis" seien. Leider wird jedoch der Wunsch nach Geduld zum System, da sich unter solchen Bedingungen - u.a. dem ständigen Wechsel der MitstreiterInnen keine Redaktionsgruppe "einspielen" kann. Die "Neuen" werden es nicht einfacher haben. Offen bleibt, wo die "über 2000 NutzerInnen" des OK stecken, daß die Nachrichten eine so geringe Resonanz erfahren.

Gerold Korbus

ps: Wer im System des WeltWeiten Wartens - pardon, im Netz der Netze - unter http://www.okol.de via "Moment mal" die "ok ol Nachrichten" anklickt, bekommt dort eine Darstellung der mittlerweile abservierten Nachrichten-Redaktion geboten, die auf September 1998 datiert ist. Das dort Dargestellte gilt nicht mehr.

 

 
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