Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/01      Seite 1
 
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Stück für Stück stirbt Dein Zuhaus

Wilder Abriß im historischen Burgstraßenviertel

"Die noch erhaltene Altbausubstanz der Stadt stellt einen unschätzbaren städtebaulichen Wert dar und bedarf eines besonderen Schutzes. Nachdem in den letzten Jahren das Lambertiviertel, die Kleine Kirchenstraße, die Bergstraße und das Nikolaiviertel liebevoll saniert und durch Wegeverbindungen vernetzt wurden, bietet sich nun durch eine behutsame Sanierung des Burgstraßenviertels die einmalige Gelegenheit, eine Altstadtachse südwestliche Innenstadt zu verwirklichen." (2. Bürgermeisterin Hiltrud Neidhardt, Bündnis 90 / Die Grünen)

Die Initiative "Unser Oldenburg" spricht sich für den Erhalt des Altstadtgebietes aus: "Besonderheiten dieser Art sind in einer Zeit der uniformierten Städte wichtiger denn je", so Wilfried Jankowski. Initiative, AnwohnerInnen, BesucherInnen wünschen sich eine kleinteilige historische Bebauung. Anders sieht das der "Investor". Dort wird eine massive Bebauung geplant, mit der oberirdisch die Burgstraße voll beschattet würde. Unterirdisch will man eine Tiefgarage erstellen, bei deren Erstellung auch die letzten verbleibenden Altbauten in ihrer Substanz gefährdet wären. Obgleich dem Geldanleger lediglich zwei Häuser, Burgstraße Nr. 9 und Nr. 13 gehören, umfaßt die massive Planung das gesamte Gebiet. Auf deren Realisierung arbeitet er mit der Unterstützung einiger stadtbekannter - ebenfalls - "Investoren" sowie betuchter Mitglieder und Ex-Mitglieder der Stadtverwaltung seit Jahrzehnten hin.

Baupolitik in Oldenburg: Hau wech den Kram!

Der "Geschäftswillige" ließ sein Haus Burgstraße 9 vorsätzlich verfallen und fügte seinem Gebäude durch einen ungenehmigten Abbruchversuch vor eineinhalb Jahren gravierende Schäden an der Bausubstanz zu. Daraufhin wurde das gesamte Burgstraßenviertel unter eine Veränderungssperre gestellt. Damit sollten weitere Ansätze, vollendete Tatsachen zu schaffen, verhindert werden.

Jetzt hat die Bauverwaltung trotz Veränderungssperre eine Ausnahme für diesen Abriß erteilt, da angeblich Gefahren von der Gebäudesubstanz ausgehen. Das verwundert um so mehr, als diese Gefahren nun ganz plötzlich lauern sollen, nämlich zu einer Zeit, in der sich erneut Widerstand gegen die Großplanung formiert und die Politik in Richtung behutsame Altstadtsanierung tendiert. Deshalb kann es dem hohe Gewinne erwartenden Menschen mit dem Abriß schnell genug gehen! Es sollen Tatsachen geschaffen werden, die nicht wieder rückgängig zu machen sind.

Die Rechnung des "Investors" scheint damit aufzugehen. Er läßt sein Haus erst verfallen, läßt Teile der Gebäudesubstanz ohne Genehmigung abbrechen und macht dann geltend, daß es nicht wirtschaftlich vertretbar sei, das Haus zu sanieren. Dieses Vorgehen hat Methode und darf nicht hingenommen werden.

Verstoß gegen geltendes Recht

Das Haus Burgstr. Nr. 13 steht seit 25 Jahren gesetzeswidrig leer und ist ungeschützt dem Verfall ausgesetzt. In Artikel 14 Abs. 2 des Grundgesetzes heißt es: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Ein solcher systematischer Leerstand eines Wohnhauses ist verboten! Bei diesem Haus kommt erschwerend hinzu, daß es unter Denkmalschutz steht. Doch die städtischen Behörden haben bisher nichts Nennenswertes unternommen, um das Haus zu schützen. Deshalb will die Initiative "Unser Oldenburg" Dienstaufsichtsbeschwerde erheben.

Das zweitälteste Haus der Region

Das Niedersächsische Landesamt für Denkmalspflege hat in einer Untersuchung der Bausubstanz inzwischen herausgefunden, daß " ... die Kernsubstanz des Gebäudes vermutlich noch aus der Errichtungszeit von 1539 stammt." Damit wäre dieses Haus nach dem Amtshaus in Hude das älteste noch erhaltene Gebäude der gesamten Umlandregion. Dieses städtebauliche Juwel muß um jeden Preis für die Allgemeinheit erhalten und als eine der Attraktionen Oldenburgs besonders herausgestellt werden.

Ensemblewirkung

Es geht nicht um dieses wertvolle Gebäude allein. Wer möchte schon ein historisches Gebäude betrachten, das von "modernen" Parkplätzen oder "Plastikblumen" - Pardon - auf altgebürsteten Betonklötzen umringt ist. Vermutlich will die gute Stimmung bei solchen Konstellationen nicht recht aufkommen. Attraktive, also anziehende Altstädte sind eben nicht nachgebaut, sondern im Original (restauriert) und gut gepflegt.

Wie der Oldenburger Soziologe Prof. Dr. Walter Siebel betont, muß für Innenstädte ein eigenes "Gesicht" entwickelt und bewahrt werden. Das ist auch von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung: Nur als Begegnungs-, Erlebnis- und Einkaufsort mit einem eigenen unverwechselbaren Profil haben Innenstädte die Chance, sich vom Erscheinungsbild anderer Städte positiv abzuheben, so Prof. Siebel. Während jedoch eine vorsichtige Restauration dieses Gebietes der gesamten Stadt nützt, würde die massive Bebauung lediglich einigen wenigen zu Gute kommen. Doch wer den Gästen der Stadt beeindruckende, gute Erlebnisse bereiten möchte, muß sich jetzt engagieren.

Alle helfen mit ...

Damit dieser Altstadtbereich, der im Besonderen das historische Stadtbild Oldenburgs prägt, nach einer behutsamen Sanierung das Aushängeschild Oldenburgs werden kann, müssen alle, denen dieses auch am Herzen liegt, mithelfen! Deshalb die Bitte: Es ist sinnvoll, mit Briefen an die Ratsfraktionen und den Oberbürgermeister sowie an die Zeitungsredaktionen darauf hinzuweisen, daß sich frühere Abrißaktionen von wertvollen Gebäuden nicht noch einmal wiederholen und diese schützenswerte Altbausubstanz nicht verloren geht. Auch ist Phantasie für hierüber hinausgehende Aktivitäten erwünscht.

Gerold Korbus

 

 
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