Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/01      Seite 4
 
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Völkisch? Patriotisch? ... Schick!

Der heutige "völkische Konsens" reicht weit

Oldenburg wird seit einiger Zeit von glänzenden und weniger glänzenden Papierfluten heimgesucht. Über deren Nutzen braucht sich niemand zu streiten: Für die LeserInnen des STACHEL gibt es keinen. Doch zu Beginn des neuen Jahrtausend tat sich "City (blubb)" mit einer "Sport"ausgabe hervor, die es in sich hat. "Völkisch und doch schick muß der neue VfB sein," jammerte für das Pamphlet verantwortlich Zeichnende und schlug sich konsequent selbst für das VfB-Präsidium vor, wenn "alle alten Strukturen eliminiert" seien. Hm, wenn niemand anders an einen denkt ...

Wo die Ordnungsmacht hinsieht ...

"Elimination": Sind hier "Endlösungsträume" zu wittern? Auf telefonische Nachfrage, wie das "Völkisch" zu verstehen sei, lachte der Vertreter dieses "Chefredakteurs" nur: Er mache seit acht Jahren Zeitungen, er wisse, wo es lang gehe. Deshalb hat das Blättle vermutlich auch ein "Impressum", das diesen Namen keinesfalls verdient: Keine Adresse, kein Telefon, kein Datum... Doch wo kein Kläger ist, gibt es auch keine Anklage. Als ich mich bei der Polizei (ohne das Blatt beim Namen zu nennen) nach den Bestimmungen über ein korrektes Impressum erkundigte, verwies man mich an die dpa. Wie es scheint, gibt es bei der Polizei wenig Interesse an vorschriftsmäßigen Druckerzeugnissen. Der Oldenburger STACHEL hat nicht so viel Glück: Als nach zehnjährigem Erscheinen einmal das Impressum vergessen wurde, meldete sich die Polizei sofort. Na ja, wenigstens liest mensch dort den STACHEL.

Ausländer können nicht national gesinnt sein?

Der Chefredakteur und Verfasser der "völkischen" Zeilen zeigte sich moderater. Er kokettierte damit, daß er selbst Ausländer sei. Deshalb könne er gar nicht ausländerfeindlich sein. Er sei in der deutschen Sprache nicht so sicher, habe mit "völkisch" "volksnah" gemeint. Doch sein Text straft ihn lügen. Denn weiter schrieb er: (Der neue VfB), "der gegen den Strom der vielen ausländischen Spieler mit vielen deutschen Nachwuchstalenten sich hochkämpfen sollte ...". Wirklich fürchterlich, diese Fluten von Ausländern, die dann - völlig gemein - meistens excellenten Fußball präsentieren. Wer würde da Deutschtümelei unterstellen wollen.

Völkischer Konsens und wirtschaftliche Interessen

Solange die Scheinchen flattern, gibt es in diesem "Wirtschaftswunderland" seitens der eigentlich Mächtigen keine Proteste, wenn Flüchtlinge und die ihnen gerade noch zur Verfügung gestellten Baracken angezündet wurden und werden. Dabei hatte der angeblich so verehrte Goethe doch geschrieben: "Ein Volk, das seine Fremden nicht schützt, ist zum Untergang verurteilt."

Doch das urdeutsche "Ausländerklatschen" hat sich im Ausland herumgesprochen. Und diejenigen, die genügend Geld haben, um sich über ihr Ziel zu informieren und die sich ihre neue Heimstätte aussuchen können, machen seit einiger Zeit einen Bogen um die BRD. Dieser Umstand wird von hiesigen Industriellen bedauert, haben sie so weniger Möglichkeiten, qualifizierte und gewinnbringende Menschen aus dem Ausland an sich zu binden.

Beim Fußball geht der völkische Konsens hingegen weiter: So sollen Fußballvereine in Sachsen zukünftig in der Zweitliga keine ausländischen SpielerInnen mehr einsetzen dürfen. Im Radio-Interview hierzu Befragte sahen lediglich die Chancen ihres Vereins gefährdet - die ausländschen Spieler sind einfach Spitze - und sprachen die Hoffnung aus, daß diese neue Regelung möglichst schnell und zeitgleich bundesweit eingeführt werden möge.

Harter Sex beim "VEB VfB"?

Ich habe im Duden nachgesehen. Zugegeben in einer ziemlich unreformierten, allenfalls äußerlich etwas deformierten Ausgabe. Bei "Volk" gibt es z.B. "volkseigener Betrieb" zu finden. Nun werden bestimmte Leute beim Fußball ja nicht von der spielerischen Qualität gelockt, sondern mehr vom (großen) Geld. "VEB VfB" läßt das Portemonaie vermutlich nicht vor Einnahmen platzen, denn es soll ja nicht jeder gut verdienen.

Also weiter im Duden geblättert. "Völklein", Völkchen steht da zu lesen. Doch für richtige Männer ist diese Sprachform nicht schwellungsförderlich genug. Männlichkeit ist gefragt, was immer das sei. Dieses Bild taucht in jedem mir zugänglichen Bericht des "völkischen Berichterstatters" auf. So läßt er sich in der Ammerlandausgabe im Januar mit Kind auf dem Arm ablichten, während er über eine "engelhafte" "blonde" "sexy" "hübsche zarte grünäugige Frau" schwadroniert, deren Ohren er gerne abbeißen möchte.

Mit SadoMaso hat er es wohl ein wenig: Im Dezember schreibt er in der Stadtausgabe OL: "Liebe ist schön, schön und oft schmerzhaft; die Kunst liegt darin, wie bei einem Beischlaf; in den Schmerzen den Genuß zu entdecken. Der berühmte philosophische Satz müßte novelliert werden: Ich liebe, also bin ich!" Diese Lyrik ist preisverdächtig, doch wer rettet uns vor solchen Formen der Liebe? Da überfällt mich die Frage: Was für - offensichtlich finanzstarke - AnzeigenkundInnen dieser Blätter sind das, die uns ermöglichen, diese wunderbare Literatur verbunden mit Einsichten in das wahre Innenleben des Verfassers zu genießen.

Was haben Patriotismus und Fußball miteinander zu tun?

Diese patriarchalen Macher wissen zwar, wie sie ihre Geschäfte durchziehen können. Die völkische Gemeinsamkeit mit denjenigen, die hierzulande immer noch den Nazi-Schriftsteller August Hinrichs als Ehrenbürger den Menschen in Oldenburg als Vorbild präsentieren, ist vermutlich unterschwellig. Doch auch der "City-Man" möchte den Fußball nutzen, um den Patriotismus zu fördern. Die "Stadtmeisterschaften im Fußball ... (sollen) ein Leckerbissen für (lediglich) alle Lokalpatrioten!" (gewesen) sein. Das ist der Stoff für den neuen "VfB-(Un)Geist".

Von der Deutschen Leidkultur zur Deutschen Lightkultur

August Hinrichs ist in Oldenburg einer der bekanntesten Vertreter Deutscher Leidkultur. Der Oldenurger Philologe und Literat Dr. Klaus Dede hierzu: August Hinrichs war nicht der große Schriftsteller, nein, er war "der Nazi, der die Greuel und Verbrechen der Völkischen kannte und mit seinen literarischen Mitteln vertrat, dieser Mann, der in Treue fest zu seinem Führer stand und das, so weit wir wissen, bis zu seinem Tod. Er, der nie ein Wort des Bedauerns für das Schicksal der Juden und der anderen Opfer der Nazis fand, der nichts von dem zurücknahm, was er geschrieben hat, dieser Mann gilt heute, wenn wir der kommunalen Elite glauben wollen, der Jugend als Vorbild, als Muster einer deutschen Leitkultur, um mit Friedrich Merz zu reden, als ein Patriot, so würde Angela Merkel wohl sagen, der Jugend als Muster vor Augen gestellt, dem sie in ihrem Handeln nacheifern soll - vielleicht in Rostock-Lichtenhagen, in Mölln oder in Solingen?."

Doch wer "City (blubb)" liest, wird auch von anderen Sorgen beschlichen. Außer sportlicher Förderung von Nachwuchstalenten wird da unter Jugendförderung eher die Gründung von Großraumdiskos verstanden. Natürlich geht es auch hier wieder um das große schnelle Geld für wenige. Auf daß sich die schicken Leute überdacht zum Hopsen treffen können - in einer vermutlich ausländerfreien Zone. Von Vermittelung Geschichtsbewußtseins an die Jugendlichen ist keine Rede. Eine geschichtslose Gesellschaft jedoch ist anfällig für Verführung.

Gerold Korbus

 

 
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