Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/01      Seite 1
 
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Hungerlöhne an der Universität

Der Osten pendelt noch immer für den Abbau von West und Ost

Für 7,50 DM pro Stunde reisen die Wachkräfte der Thüringer Firma Hebold an der Carl-von-Ossietzky Universität die weite Strecke von Thüringen nach Oldenburg - bei monatlichen Arbeitszeiten von 300 Stunden und mehr! Das geht seit Anfang 1995 so. Damals brüstete sich Uni-Kanzler von Firks damit, etwas für den Aufbau des Ostens getan zu haben. Wörtlich: "Ich habe etwas für die Wiedervereinigung getan." Die Zeiten des alten Kanzlers sind vorbei - er wurde an die kritik-Freie Universität Berlin gelobt - nicht allein für solches Handeln. Obgleich seit Jahren im Amt, hat die neue Unileitung hieran nichts geändert.

Sinkende untertarifliche Bezahlung

Auch die früheren Wachkräfte (vor 1995) wurden nicht gerade prall entlohnt. Sie bekamen 11 DM, während der Tarif in Niedersachsen bei 13.65 DM angesetzt war. Der Tarif stieg, die Menschen bekommen weniger. Dazu kommen die Kosten für die Führung eines doppelten Haushaltes. Der Inflationsausgleich strebt gegen Null. Die Firma Hebold verlangte für ein halbes Jahr eine zehnprozentige Gehaltskürzung, weil es der Firma so schlecht gehe. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Wachleute sollte das Geld nachgezahlt werden. Mittlerweile wurde von Hebold eine bundesweit stationierte Auto-Flotte dieser "Elchtest-Fahrzeuge" (teure Neufahrzeuge!) angeschafft - auch in Oldenburg wird damit Streife gefahren - aber der vorenthaltene Lohn wurde bis heute nicht nachgezahlt.

Wer möchte so arbeiten?

Dezent werden die Kabuffs, in denen sich die wachenden Menschen aufhalten "dürfen", Pförtner"loge" genannt. Die haben nicht einmal eine vernünftige Lüftung! Die Schichten sind so organisiert, daß wohlmeinenden Betrachterinnen die lange Arbeitszeit nicht gleich auffällt - mal ist der eine, mal der andere Uni-Standort dran.

Umweltschutz und regionale Wirtschaft

Die Unileitung sieht die nur betriebswirtschaftliche Seite - als Institution des Landes! Wo bleibt die Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin? Die Einführung des Globalhaushaltes wird immer deutlicher sichtbar: Für die Verantwortlichen zählt nur noch Geld.

Nach Erlassen des Wissenschaftsministerium aber ist bei Beschaffungen und Ausschreibungen eindeutig die Region zu bevorzugen. Hier werden als Gründe plausible Überlegungen genannt: Wer in der Region einkauft und beschafft, hat weniger Verkehr und schont die Mitwelt. Zudem wird die regionale Wirtschaft gestärkt.

In Rio wurde beschlossen, die Freisetzung von CO2 zu senken. Die Stadt Oldenburg schloß sich an. Die Uni aber, die früher regionale Verankerung wichtig fand, holt nun ihre MitarbeiterInnen aus weitest entfernten Regionen. Es geht nicht einmal um herausragend qualifizierte Tätigkeiten - die also niemand anders ausführen köönnte. Wie will die Unileitung wieder gutmachen, was der Transport der Wachleute von und nach Thüringen an Belastungen nicht nur für diese, sondern - in CO2 umgerechnet - auch für die Umwelt an Belastungen mit sich bringt? Um Mißverständnissen vorzubeugen: Diese Gedanken richten sich nicht gegen die betroffenen Menschen! Denn wäre die regionale Schaffung von guten und angemessen bezahlten Arbeitsplätzen nicht auch für sie die bessere Lösung?

Gegen den Abbau des Ostens und des Westens

Für den Aufbau des Ostens werden Zuschüsse gezahlt. Auch die Firma Hebold - die bereits weitere "Objekte" in Oldenburg bewacht, wie z.B. die ZAST in Blankenburg - ist seitens des Arbeitsamtes gefördert worden. Damit wurde in Oldenburg per Lohndumping und mit öffentlicher Förderung die Erwerbslosigkeit hochgetrieben. Denn die meisten der früheren Wachleute sind selbst heute noch erwerbslos, soweit sie sich nicht bereits im Ruhestand befinden.

Eindeutige Gesetzesbrüche Eindeutige Vertragsbrüche

Das Gesetz zur Regelung von Arbeitszeiten sieht klare Bestimmungen für Ruhephasen vor, die in Oldenburg nicht eingehalten werden. Die gesetzlichen Höchstzeiten für Arbeitsphasen werden überschritten. Der Tarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande Niedersachsen ist allgemeinverbindlich. Das bedeutet, daß für alle Berufstätigen, die in Niedersachsen zu dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrages zu zählen sind, auch die entsprechenden Tarife gezahlt werden müssen. Gewissermaßen hat dieser mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (jetzt ver.di) geschlossene Vertrag Gesetzeskraft - er ist eben verbindlich. Dabei ist unbedeutend, daß die Firma Hebold nicht Mitglied in einer Arbeitsgebervereinigung ist. Tatsächlich jedoch zahlt Hebold die Hälfte und teilweise deutlich weniger als die Hälfte der dort festgelegten Beträge.

Aktuelle Verhandlungen für guten Lohn

Derzeit versuchen die Wachleute, zumindest den Thüringen-Tarif ausgezahlt zu bekommen. Doch auch der ist deutlich niedriger als der Niedersächsische. Deshalb muß für die Carl-von-Ossietzky Univesität gelten: In Niedersachsen wird niedersächsischer Tarif bezahlt. Vielleicht fällt es dann einigen - besonders auch professoralen - Mitarbeitern der Universität leichter, die Menschen als gleichrangig zu betrachten - und zu behandeln.

Gerold Korbus

 

 
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