Oldenburger STACHEL Ausgabe 10/01      Seite 2
 
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Lieber jetzt den Armen helfen

Spenden-Experten: USA-Terroropfer finanziell "überversorgt"

Vor unseriösen Spendensammlern für die Terroropfer in den USA warnt die Berufsorganisation der Spenden-Experten in Deutschland. Und mehr als das: Sie rät generell von Spenden in die USA ab, die die Folgen der Anschläge von New York und Washington lindern helfen sollen.

"Es ist besser, etwas für die Versöhnung zu tun - da sind Spenden im Moment viel sinnvoller", sagt Christoph Müllerleile, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmarketing (BSM). Er ermuntert Spendenwillige besonders zur Hilfe für Not leidende Menschen in islamischen Staaten: "Mehr Geld als in den USA wird bald in den Ländern benötigt, in denen die Vergeltungsschläge niedergehen." Das Kinderhilfswerk Unicef etwa ruft nach Geld für Kinder in Afghanistan.

Müllerleile hat Spendenzusagen für die USA von Großfirmen hauptsächlich aus den USA verfolgt. Er rechnet hoch, daß allein aus dieser Quelle 20 bis 30 Milliarden Dollar kommen: unter anderem für Aufbauarbeiten an den Katastrophenorten, aber auch für die Hinterbliebenen der Terroropfer. "Auf vielleicht 5600 betroffene Familien kommen etwa eine Milliarde Dollar zu, und da sind noch nicht die Schadenersatzzahlungen drin, die vom Staat zu erwarten sind", kalkuliert der BSM-Vorsitzende: "Da ist eine Überversorgung."

Die Situation erinnert den Spendenwächter an die Oder-Überschwemmungen 1997: Damals sei "eine Welle der Hilfsbereitschaft" angerollt, so "daß wir in Deutschland gar nicht wußten, wohin mit den Spenden". Zum Glück, so Müllerleile, sei dann ein Teil des Geldes in die Nachbarländer weitergeleitet worden, die ebenfalls unter dem Hochwasser litten.

Nach den Anschlägen in den USA ist die Spendenbereitschaft der Deutschen wieder auf Rekordkurs. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) meldete 800 000 Mark Einnahmen in einer Woche allein über das Internet. Hinzu kämen Beträge aus Sammlungen und Bankeinzahlungen.

Im vergangenen Jahr gingen für sämtliche DRK-Spendenappelle insgesamt 250 000 Mark ein. Auch andere Organisationen erhalten große Beträge, obwohl sie gar nicht speziell zur Hilfe für die USA aufrufen. Die Caritas etwa nennt finanzielle Unterstützung aus Deutschland für ein reiches Land wie die Vereinigten Staaten "nicht so dringend". Auch das Diakonische Werk hat festgestellt, daß viele Deutsche etwas unternehmen wollten, "weil die USA uns nach dem Krieg geholfen haben".

Wer an die Terroropfer spenden will, dem rät die BSM, sich vorab beim Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (www.dzi.de) über Wege und Empfänger zu informieren. Spendenwillige sollten niemandem Geld überweisen, der als Verwendungszweck lediglich "für die Hinterbliebenen" oder ähnliches angibt. Sie sollten genaue Kenntnis über das Ziel der Spende verlangen. Und sie sollten speziell im Internet auf der Hut sein: "Besonders auf den US-Websites sind unseriöse Spendenaufrufe sehr verbreitet", warnt Christoph Müllerleile: "Diese Seiten verschwinden dann blitzschnell wieder - und kein Mensch weiß, was wohin gegangen ist."

Doch selbst wenn viele unseriöse Trittbrettfahrer die Hilfsbereitschaft der Menschen ausnutzten: "Das meiste Geld mit dem Unglück der Leute", sagt Müllerleile, "wird immer noch an der Börse verdient."

Thomas Stillbauer

von der Frankfurter

Rundschau, 21.9.2001

 

 
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