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ComputerspielerInnen mit "Americas Army" im Visier
Die US-Armee entdeckt Computerspiele als Rekrutierungs- und Propagandainstrument
Die derzeitige Kriegskasse der USA umfaßt inzwischen
jährlich etwa astronomische 400 Milliarden US-Dollar. Die
amerikanische Bevölkerung ist seit dem 11.9.01 noch mehr in
ihrem Selbstbild bestärkt, stellvertretend für die übrige
Welt einen opferreichen Kampf gegen das sogenannte "Böse"
führen zu müssen. Trotz dieser glänzenden Rahmenbedingungen
steht der Kriegskoloß des neuen Empire auf tönernen Füßen.
Die US-Armee ist in viele Gliederungen aufgeteilt, die
untereinander konkurrieren, nur schlecht kooperieren und um
das größte Stück im Kriegshaushalt rangeln. Ähnlich wie in
Stoibers Bayern sind Politik, Militär und der Industrielle
Komplex miteinander verfilzt. Über dubiose Geschäfte zahlen
die SteuerzahlerInnen für überteuertes, veraltetes oder
schlicht militärisch unsinniges Kriegsgerät. Eines der
größten Probleme für die Kriegstreiber im Weißen Haus
stellt aber, trotz allgemeiner Kriegseuphorie, eine schon
länger anhaltende Unwilligkeit der jungen Menschen dar, in der US-Armee zu
dienen. Die Rekrutierungsstellen haben Schwierigkeiten die
Lücken zu füllen. Laut einer jüngst veröffentlichten Studie
wären sogar bei der Wiedereinführung der Wehrpflicht, die
mal wieder im Gespräch ist, über ein Drittel der jungen
Männer nicht bereit, Uncle Sams Ruf zu folgen. Sie würden
lieber den Kriegsdienst verweigern.
Neue Form der Propaganda
Um der mangelnden Kriegsmüdigkeit zu begegnen, hat die
US-Armee einen neuen Weg der RekrutInnenwerbung beschritten,
der gleichzeitig dazu dient, weltweit ein positives Bild
von amerikanischen Kriegseinsätzen zu verbreiten:
die Computerspiele. Seit dem amerikanischen Unabhängigkeitstag
am 4. Juli ist weltweit via Internet und
Computerzeitschriften am Kiosk kostenlos der Ego-Shooter
"America's Army Operations: Defend Freedom" erhältlich. In
der Ich-Perspektive schlüpft die SpielerIn in Rolle eines
Rekruten der US-Armee - es wurde hier eine wieder
eine reine Männerwelt erschaffen - der in der
Grundausbildung den Umgang mit der Wirklichkeit
nachempfundenen Waffen lernt und später durch Internet-Kämpfe
mit anderen Spielern versucht, sein "Kill-Konto" zu füllen.
Das Gemetzel findet jeweils auf den online Servern der
US-Armee statt, die gleichzeitig auch die Punktekonten der
angemeldeten Spieler verwaltet. Hierbei wird permanent das
Spielverhalten analysiert. Wer zu oft Befehlsverweigerung
begeht oder das Feuer auf seine eigenen Mordkumpanen
eröffnet, wird früher oder später von den offiziellen
Servern gesperrt.
Witzloses für Technikbegeisterte
In diesem ohne jeden Witz oder Ironie daherkommenden
Propagandaprogramm - von Spiel schreibe ich lieber nicht mehr -
geht es zum einen um die Vermittlung von militärischen
Verhaltensweisen und Mordtechniken. In den realistischen
Trainingsmissionen werden unter dem Gebrüll eines
Drill-Sergeant, das aber von der beim Militär beliebten
sexistischen Fäkaliensprache bereinigt wurde, taktisches
Vorgehen, Gehorsam und Waffenkenntnisse vermittelt. So kann
jeder technikbegeisterte Zwölfjährige bei America's Army
den Umgang mit Handgranaten oder die Bedienung des M16A2
Gewehrs lernen.
Messias mit der Waffe?
Zum anderen geht es in den eigentlichen
Kampfmissionen, deren dreidimensionale Umgebungen
Afghanistan, Jugoslawien oder anderen Kriegsschauplätzen
nachempfunden zu sein scheinen, um die Vermittlung
amerikanischer Militäroperationen als "saubere" Kriege im
Kampf "des Guten" gegen "das Böse". Dabei wurde völlig auf
die Darstellung von Gewalt verzichtet: Die Getroffenen
sinken einfach zu Boden. Vielleicht ist dies auch als eine
Form der Gewaltverherrlichung anzusehen, wenn die
Auswirkungen militärischer Gewalt verniedlicht werden. Die
politischen Hintergründe oder Konfliktursachen spielen in
den Missionen natürlich keine Rolle.
Die GegnerInnen
werden "verteufelt"
In den Aufträgen - die
Feinde sind immer Terroristen - geht es meist um die
Besetzung von Gebieten, die Zerstörung von Objekten oder
gar die Erschießung von Zielpersonen. Die Szenarien decken
sich zwar mit den Bildern von den sog. Kriegen gegen den
Terror, welche CNN, George Bush oder gelegentlich Gerhard
Schröder von ihnen entwerfen, aber mit der eigentlichen
Kriegsrealität haben sie wenig gemeinsam. Passend nimmt das
Deutsche Kinderhilfswerk Stellung: Diese Propagandasoftware
diene dazu, weltweit junge Menschen zu einer unkritischen
Haltung gegenüber den Angriffskriegen der USA zu bewegen.
Die Kriege und ihre Folgen würden auf zynische Art und
Weise verharmlost. Durch Propagandaelemente und
Glorifizierung des handelnden Spielers sollen vor allem
Kinder zu hochmotivierten und geschulten Soldaten erzogen
werden, die keinerlei moralische Bedenken kennen.
Warum scheint Ballern
"in" zu sein?
Zumindest angesichts des Zuspruchs, den das Programm
erfährt, scheinen sich die 7,6 Millionen Dollar
Entwicklungskosten für das Pentagon gelohnt zu haben. Rund
sieben Millionen Mal wurde America's Army aus dem Internet
bis jetzt heruntergeladen, wobei noch nicht die weitere
Vervielfältigung und Verbreitung über etwa PC-Zeitschriften
oder Jugendzeitschriften berücksichtigt ist. Auf dem
weltweiten milliardenschweren Computerspielemarkt stehen Ego-
oder Taktik-Ballerprogramme wie "Soldier of Fortune" oder
"Medal of Honor" ganz oben im Kurs der SpielerInnen. Die
verschiedenen Ebenen des
Programms sind dabei oftmals in eine erzählende Geschichte
eingebunden, die zum einen Spannung in das Spiel bringen
soll und
zum anderen eine größere Identifikation mit dem
"SpielerInnen"-Ich
ermöglicht, aus dessen Sicht das Spiel gesteuert und
verfolgt wird.
Vom Ballern zum Kriegsszenario
Dienten noch vor einigen Jahren
Monsterjagden in Science-Fiction-Szenarien als Hintergründe
für die Ballerorgien, so sind die "Spiele" heute zunehmend an
realen Kriegen orientiert. Es vollzieht sich eine
Militarisierung virtueller Spielewelten, in der das
Spieler-Ich die Rolle eines Soldaten verkörpert, zumeist
amerikanische Soldaten, da die Programme auf ein amerikanische
Publikum zugeschnitten werden. Die USA beherbergen die
größten Spielehersteller und weisen den wichtigsten
Absatzmarkt für Computerspiele auf. In "Soldier of Fortune
2" (SOF2) ist das Selbstbild der Amerikaner als
"Weltpolizist" und "Weltführer" gut zu erkennen. In SOF2
ballert sich das Spieler-Ich in der Rolle eines
durchgeknallten Vietnamveteranen im Auftrag amerikanischer
Militärs durch den kolumbianischen Dschungel, mit
Cowboystiefeln, reaktionären Sprüchen und großkalibrigen
Waffen.
Virtuell Menschenrechtsbrüche
eintrainieren
Wie in der Realität setzen sich bei dieser Jagd
nach fiktiven Feinden der Freiheit der amerikanischen
Marktwirtschaft die USA über Völkerrechte und
Menschenrechte hinweg. Im Lauf des "Spiels" muß die
TeilnehmerIn"
sogar mit ansehen, wie sein "SpielerInnen"-Ich in einer
selbstlaufenden Zwischensequenz scheinbar völlig rechtmäßig
einen entwaffneten und gefangengenommenen "Terroristen"
exekutiert. In dem in Kürze erscheinenden Ego-Shooter
"Black Hawk Down", der an den gleichnamigen Kinofilm
angelehnt ist, wird der Krieg in Somalia 1993 in einer
unglaublichen Geschichtsverfälschung und -verdrehung in
realistisch wirkenden Spielmissionen nacherzählt. Wie die
neueren Kriegsfilme aus Hollywood erzählen
Computerprogramme
wie "Black Hawk Down" oder das im Afghanistankrieg
angesiedelte "Task Force Dagger" die Geschichte, die die
amerikanischen Menschen sich derzeitig selbst meinen erzählen
müssen: Der Mythos einer Nation, in der sie sich selbst als
Retter und gleichzeitig als Opfer der ganzen Welt
darstellt, ein selbstaufopfernder Messias, auf einer
Mission, um die Welt vom Bösen zu erlösen.
Menschen: Finger weg von sowas
Bei America's Army ist der Fall klar: Dieses kriegs- und
militärverherrlichende Propagandaprogramm gehört nicht in die
Hände von Kindern und Jugendlichen. Dazu muß es zunächst
aus dem Internet verschwinden. Wer als ErwachseneR meint,
dieses "Computerspiel" haben zu müssen, der sollte sich eine
registrierte Kopie auf CD in einer Rekrutierungsstelle der
US-Armee abholen müssen. Vielleicht würde ihm im Angesicht des
Sternenbanners klar werden, mit wem sie es hier zu tun hat.
Zum anderen gibt es bekanntlich bei uns noch keine
Rekrutierungsstellen der US-Armee. Die rot-grüne Regierung
macht sich unglaubwürdig, wenn sie nach den Ereignissen von
Erfurt sogenannte gewaltverherrlichende Computerspiele
verdammen möchte, gleichzeitig aber den Vertrieb von
America's Army an jedem Kiosk gestattet.
J. I.
Weitere Infos: Deutsches Kinderhilfswerk, Leipziger Straße
116-118, 10117 Berlin, Tel.: 030/30 86 93-0, Fax: 030/2 79 56 34,
E-Mail: dkhw@dkhw.de; http://www.dkhw.de
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