Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/96      Seite 16
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Hanf hinter Gittern

Unter diesem Motto beschlagnahmten zwei Kriminalbeamte am 19. August 30 Hanfpflanzen in unserem Fachgeschäft für Hanfprodukte in der Staustraße. Da Hanf allgemein unter das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) fällt, scheint dies auch eine ganz korrekte Amtshandlung gewesen zu sein. Doch Hanf ist nicht gleich Hanf. Botanisch gesehen natürlich schon, aber eben nicht juristisch: Der Knackpunkt ist hier der Gehalt der Pflanze an THC (Tetrahydrocannabinol, genauer das Delta-9- Derivat dessen). Dieser hochinteressante Wirkstoff besitzt nicht nur erstaunliche pharmakologische Wirkungen, sondern erzeugt bei Konsum einen, medizinisch gesehen eher harmlosen, Rauschzustand. Die Nutzung dieses Wirkstoffes THC, also Hanf, war unseren Vorfahren als Medikament schon vor 3500 Jahren bekannt. Krankheiten wie z. B. Asthma, grüner Star, multiple Sklerose und Epilepsie lassen sich mit Hanf therapieren. Ferner ist Hanf ein hervorragendes und natürliches Schlafmittel, er entspannt Muskelkrämpfe und lindert Rückenschmerzen. Einige Mediziner fordern heute vehement die Wiederzulassung von Hanf als Medikament.

Hanf in der Praxis

Schätzungsweise 10-20% aller verschreibungspflichtigen Medikamente liessen sich sofort durch Hanfprodukte ersetzen. Tatsächlich versuchten alle großen Pharmakonzerne THC als Wirkstoff zu synthetisieren. Selbst in den USA wurde das Hanfverbot in den 30er Jahren nur gegen heftigen Widerstand der Ärztevereinigung durchgesetzt. Heute erhalten dort 5 Personen Hanf auf Rezept, Tendenz steigend. Besonders in der Forschung zur Aids- und Krebstherapie werden mit Hanfprodukten beachtliche Erfolge erzielt. Verboten bleibt es dennoch.

Als nun in den 80er Jahren der Boom nachwachsender Rohstoffe einsetzte, besann man sich auch wieder auf Hanf. Man züchtete Hanfpflanzen mit geringem THC-Gehalt (sog. Faserhanf) und schuf EU-intern einen Grenzwert um Hanfanbau zu ermöglichen. Dieser Grenzwert beträgt 0,3% THC in den Blüten oder Blattspitzen der Pflanze. Laut Bundesopiumstelle besteht bei Einhaltung dieses Grenzwertes kein "Mißbrauchspotential", womit eine mögliche Rauschwirkung gemeint ist. Obwohl also ein Mißbrauch auszuschließen ist, bleibt der Anbau aber weiterhin genehmigungspflichtig.

Lizenz zum Pflanzen

Für die beschlagnahmten Pflanzen in unserem Laden gilt nun beides: Sie liegen nachweislich unterhalb des erlaubten Grenzwertes von 0,3% THC und dem Hersteller liegt eine Genehmigung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) vor. Der Hersteller, die Firma Alfredo Dupetit, vertreibt bundesweit neben Hanfkosmetik auch Faserhanf, gedacht als Zierpflanze für die Fensterbank oder den Wintergarten. Herr Alfredo Dupetit selbst ist Landwirt und seit Jahren offiziell - und mit Genehmigung - in der Hanfforschung engagiert. Da auch wir nicht nur Hanfprodukte verkaufen, sondern vor allem auch Aufklärung in Sachen Hanf betreiben wollen, boten wir eben diese Zierpflanzen an. Viele Oldenburger konnten in unserem Geschäft zum erstenmal überhaupt eine echte Hanfpflanze anfassen und sich über deren Verbreitung informieren. Und das es eben noch viel Aufklärungsarbeit bedarf, zeigen die anonymen Anzeigen einiger unwissender Bürger, die glaubten, wir würden "Rauschgift" verkaufen. Woher sollten die Denunzianten es auch besser wissen? Anstatt aktiv Aufklärungsarbeit zu betreiben, versucht die Regierung den Rohstoff Hanf zu ignorieren. Dementsprechend die Reaktion der Polizei: Anstatt den aufgebrachten Bürgern zu erklären, daß es sich hier um eine Nutzpflanze handelt, schritt die Behörde zur Tat und brachte die Pflanzen hinter Gitter. Tatkraft in Grün

Es wurde nicht einmal Rücksprache mit uns gehalten; die Beamten spazierten mit einem Durchsuchungsbefehl in unser Geschäft, beschlagnahmten die Pflanzen und leiteten ein Ermittlungsverfahren gegen einen unserer Geschäftsführer ein. Der Unterschied zwischen Faserhanf und "Rauschhanf", bzw. der Grenzwert 0,3% THC, spielt bei unserer Polizei offensichtlich keine Rolle. Es ist schon erstaunlich, wie die oldenburger Behörden mit ihren Geschäftsleuten umgehen. Ein einziges Telefonat hätte hier Klärung bringen können. Stattdessen wurden unsere Zierpflanzen zur Bundesopiumstelle nach Berlin zur Untersuchung geschickt; zur selben Institution, die vorher bereits einen Mißbrauch der Pflanzen ausschloß. Hier sei auch nocheinmal erwähnt, daß eine Genehmigung der BLE vorliegt und es sich um die Hanfsorte "Futura" handelt, die extra für den gewerblichen Anbau gezüchtet wurde. Trotzdem wurden wir und einige unserer Kunden zu Kriminellen gemacht. Auch wirtschaftlich macht sich die Polizeiaktion bei uns negativ bemerkbar.

Wir hätten in der ganzen Angelegenheit eine unbürokratische Lösung begrüßt und wollen den Menschen in Oldenburg auch in Zukunft Hanf zugänglich machen, wenn auch nicht zum Verkauf, dann jedenfalls zur Anschauung.

Abschliessend ist zu bedauern, daß die Angelegenheit sich in einen längeren Behördenstreit entwickelt und die Kosten hierfür der Steuerzahler trägt.

Fibra Verde
(Geschäftsführung)


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