Oldenburger STACHEL Ausgabe 11/96      Seite 12
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Grüntee: Ein Kultgetränk!

Wer sich die Mühe macht, das Buch "Tee für Wissensdurstige" (Hellmut Gösser, 1994) zu lesen, findet dort eine extrem kurze Beschreibung von grünem Tee als "Farb-Variante der Tee-Palette" (?).

In Gössers Beschreibung der Wirkstoffe des Tees enthält "grüner Tee" das "wasserlösliche Vitamin B1 oder Thiamin, bisher als Wachstumsvitamin und als Hilfe bei der Beri-Beri-Krankheit bekannt". Nach "neuesten Forschungsergebnissen" soll sich gezeigt haben, "daß das Vitamin B1 für den geistig arbeitenden Menschen unentbehrlich ist, da es dem Streß entgegenwirkt." Das geflügelte Wort "Abwarten und Tee trinken" drückt nach Gösser diesen Effekt sehr plastisch aus. "Gerade das im Tee enthaltene Vitamin B1" wird nach Gösser vom Körper "besonders schnell aufgenommen". Auch dies ist ein Beispiel, wie durch nahtlosen Übergang in der Formulierung, wissenschaftliche Ergebnisse, die sich auf Grüntee beziehen, geschickt auf Schwarztee übertragen werden (vgl. Stachel 10/96, S. 2).

England bescherte uns den Schwarztee

Schwarztee kam eigentlich erst mit den Exporten aus den damaligen englischen Kolonien Indien und Ceylon in Mode. Gegen 1850 vereinheitlichte sich der Geschmack in Europa. So gelang es England, den Westeuropäern seine Geschmackskriterien aufzuzwingen.

Als Folge gab es dann praktisch keine anderen Tees als die starken, kräftig bernsteinfarbenen Ceylon- oder Assamtees. Schon 1880 kamen bereits 20% der Tee-Importe als Schwarztee aus Indien. Erst mit dem Anbau der Camellia assamica erreichten die Briten ihr Ziel, das bisherige Teemonopol Chinas zu brechen, indem sie dafür sorgten, daß wir heute in Europa Tee fast ausschließlich nur als Schwarztee kennen. Aus handelspolitischen Gründen ließen die englischen Teehändler in ihren indischen Kolonien die grünen Teeblätter erstmals zu Schwarztee fermentieren und sorgten für dessen Verbreitung.

In Ceylon (heute Sri Lanka) wurden die ausgedehnten Kaffeemonokulturen durch eine Blattkrankheit (Kaffee-Rost) zerstört. Die bestehenden Plantagen wurden durch südindische Arbeiter (Tamilen) mit Teebäumen bepflanzt, da die einheimischen Singhalesen nicht bereit waren, ihre Selbstversorgungs-Landwirtschaft aufzugeben. Mit fremder Kulturpflanze, Fremdarbeit und Produktion für Fremde (Export) ist dies ein deutliches Beispiel für Kolonialismus.

Die Schwärzung von Tee

Beim Fermentationsprozeß entstehen zunächst als Abfallprodukte der Coffeinspaltung unter anderem Ammoniakverbindungen.

" Während die ätherischen Öle im grünen Tee in ihrem Ur-Zustand verbleiben, ist nach Aleijos (T'u Ch'uan. Grüne Wunderdroge Tee) in den durch die Fermentation entstandenen ätherischen Ölen einen Faktor zu sehen, der zur "Erhöhung der Toxizität des schwarzen Tees" beitragen dürfte. Die Ursache für diese "Giftigkeit" schreibt Aleijos dem Methylalkohol zu, den er als "Hauptbestandteil der ätherischen Öle des schwarzen Tees" bezeichnet. In den "therischen Ölen des grünen Tees (ebenso wie im frischen Teeblatt) konnte kein Methylalkohol nachgewiesen werden. Auch Feldheim (Tee- und Tee-Erzeugnisse, 1994, S. 99) führt als Aromakomponenten des schwarzen Tees über 40 Alkohole, dabei an erster Stelle "Methanol" an.

Was jedoch genau beim Fermentieren/Oxidieren passiert, weiß keiner, denn bestimmte zelluläre Reaktionen, die während der Fermentation ablaufen, sind bislang weder begriffen, noch bestimmt worden. Es ist aber bekannt, daß bei der Schwarzteeproduktion ein intensiver Gärprozeß einsetzt, der zu einer Erhöhung der Blattemperatur auf 25-30øC führt.

Die Fermentation/Oxidation wird durch blatteigene Enzyme hervorgerufen, deren natürliche Funktion eigentlich darin besteht, das Blatt gegen Verletzungen zu schützen. Die Aminosäuren (Teanin), Carotinoide und Fettsäuren werden bei diesem Prozeß umgewandelt.

Die im grünen Tee enthaltenen Catechine gehen bei der Teefermentation durch Oxidation in Verbindungen über, die wesentlich zum Schwarzteegeschmack beitragen.

Milch und Zucker

Heilwirkungen werden vor allem dem naturbelasseneren Grüntee zugesprochen, weil dort die Catechine als größte Gruppe der Polyphenole oder Tannine (sogenannte Gerbstoffe) weniger Veränderung erfahren haben. Bei der Schwarzteeherstellung oxidieren die Catechine größtenteils und bilden Pigmente, die sogenannten Theaflavine und Thearubigine.

Thearubigine schmecken isoliert bitter. Beim Schwarztee sind sie in der Trockensubstanz mit 10-20% vorhanden. Durch Ihre Heißwasserlöslichkeit stellen sie zwischen 30% und 60% der Feststoffe im Schwarztee. Daher ist es verständlich, wenn Schwarztee mit Milch und Zucker getrunken wird. Grüntee wird traditionell ohne Milch und Zucker getrunken.

Ein gesundes Getränk

Nach Chinesischen Quellen reinigt grüner Tee den Urin, fördert seine Ausscheidung und die Verdauung, sorgt für Linderung bei Magen- und Darmkrankheiten und hilft vorbeugend gegen Blasen-, Gallen- und Nierensteine.

Bei russischen Ärzten zählt grüner Tee zu den bedeutendsten Heilkräutern. So verordnen sie ihn beispielsweise auch herzkranken und nervösen Menschen als Sedativum.

Nach neueren Untersuchungen hat grüner Tee einen regulierenden Einfluß auf den Cholesterinspiegel und hemmt den Anstieg des Blutdrucks und des Blutzuckerspiegels. Die im grünen Tee enthaltenen Catechine sind etwa 20mal wirkungsvoller als Vitamin E. Als natürlicher Oxidationshemmer wirken sie daher gegen sogenannte "freie Radikale". Die Catechine verringern das Auftreten von Krebs, verkleinern Tumore und verringern Oxidationen, die durch aktiven Sauerstoff hervorgerufen werden.

Ulli aus Berlin fragt:

Wenn Tee mit heißem Wasser aufgebrüht wird, werden dann nicht sämtliche Vitamine abgetötet?

" Nein. So ist z. B. das im Grüntee enthaltene Vitamin C derart stabil, daß nach einem einstündigen Kochen nur 10% der Ausgangsmenge verloren gehen. Bei einem Aufguß, der sieben Stunden steht, verbleiben noch 95% des ursprünglichen Vitamin-C-Gehaltes.

Da sich im ersten Aufguß bereits 80-90% aus den Blättern lösen, ist davon auszugehen, daß mit einem zweiten und dritten Aufguß fast die gesamte Menge an Vitamin C extrahiert werden kann (Miura, in: Explanation of the Tea Research Station. Ministry of Agriculture and Forestry, Japan, S. 10f).

Im übrigen wird grüner Tee aus China oder Japan normalerweise mit einer Wassertemperatur von nur 70øC (Jap. Gyokuro 50-60øC) aufgegossen.

Thearix

Weitere Fragen zum Thema Grüntee werden gerne beantwortet. Bitte schriftlich an Thearix c/o Stachel.


Diese Veröffentlichung unterliegt dem Impressum des Oldenburger Stachel. Differenzen zur gedruckten Fassung sind nicht auszuschließen.
Nachdruck nur mit Quellenangabe, Belegexemplar erbeten.

 

 
  Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum