Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/96      Seite 6
 
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Reisebüro verschleudert

oder wie der alte Oberstadtdirektor den Rat noch einmal Männchen machen ließ

Der Verkauf des zu 80% der Stadt Oldenburg gehörenden Reisebüros (Reise- und Verkehrsbüro Oldenburg GmbH) in einer Sondersitzung des alten Rates am 24.10.96 war zwar rechtlich zulässig, weil der neu gewählte Rat erst ab 1.11.96 zuständig war. Es war aber nicht nur ein schlechter demokratischer Stil, nach der Wahl noch einmal den alten Rat mit abgekürzter Ladungsfrist zusammentreten zu lassen, um für den neuen Rat Fakten zu schaffen. Die Eile, die auf einmal an den Tag gelegt wurde, weckt Mißtrauen. Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens war mindestens seit dem Frühsommer der Verwaltung bekannt, was mir der Geschäftsführer des Unternehmens im Oktober bestätigt hatte. Trotzdem wurde die Angelegenheit nicht auf der August-Sitzung des Rates auf die Tagesordnung gesetzt, ganz offenbar, um die Aufsichtsratsmitglieder des Stadtrates in der Wahlkampfsituation vor unbequemen Fragen zu schützen. Peinlich durfte die Angelegenheit vor allem für den Vorsitzenden des Aufsichtsrates, den ehemaligen CDU-Ratsherren Schramm, sein, der entweder eingeweiht war und seine Informationen gegenüber dem Rat und den übrigen Aufsichtsratmitgliedern bewußt zurückgehalten oder einfach nur keinen Durchblick hatte.

Obwohl das Reisebüro im letzten Jahr Verlust gemacht hatte, stellt sich die Frage, ob der Kaufpreis von 1,1 Millionen DM nicht zu niedrig war. Das Unternehmen hatte einen Jahresumsatz von 3 Millionen DM. Zum Wert eines Unternehmens dieser Art gehören nämlich nicht nur die Einrichtungsgegenstände. Vor allem zählt hier der "good will", der Ruf des Unternehmens, der Wert, der durch die Gewohnheit der Menschen zum Ausdruck kommt, hier ihre Reise zu buchen. Die beiden Reisebüros in der Langen Straße (Lappan) und am Haareneck befinden sich schließlich in einer Top-Lage.

Zur Höhe eines angemessenen Kaufpreises wurde kein Gutachten eingeholt. Auf der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 21.10.96 wurde nicht darüber informiert, welche Mitbewerber welche Alternativangebote gemacht haben. Dem Erwerber, dem DER-Reisebüro, wurde für den Erwerb sogar noch ein Bonbon mitgegeben, das den Kaufpreis auf längere Sicht fast auf Null schrumpfen läßt: Die Stadt ist Eigentümer der Reisebüros und hatte bislang für ihr eigenes Unternehmen eine vergleichbar niedrige Miete genommen, nämlich nur 25 DM pro Quadratmeter, insgesamt 5.500 DM. Für vergleichbare Objekte in der Langen Straße werden Mieten um die 50 DM erzielt. Der Erwerber durfte nun in den bestehenden Mietvertrag mit einer Laufzeit von 10 Jahren einsteigen und bekam so eine Subvention von 5500 DM pro Monat für 10 Jahre. Auf diesen Zeitraum berechnet sind dies 660.000 DM. Ist das keine Verschleuderung öffentlichen Eigentums? Oder anders gefragt: Hätten die Ratsherren und Ratsfrauen des Rates auch so schnell entschieden, wenn es um ihr eigenes Geld gegangen wäre?

Es mußte alles auf einmal nur sehr schnell gehen. So wurde die letzte Amtshandlung von Oberstadtdirektor Wandscher, der die kurzfristig einberufene Ratssitzung durchgesetzt hatte, zu einem Symbol seiner Tätigkeit und des Verhältnisses von Verwaltung und Rat zu seiner Amtszeit: Der Dompteur hatte noch einmal gepfiffen und brav hatte der Rat, ohne unbequeme Fragen zu stellen, sein Männchen gemacht.

Hans-Henning Adler, Ratsherr der PDS ab 1.11.96


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