Oldenburger STACHEL Ausgabe 4/97      Seite 14
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Urlaub im Militärischen Sperrgebiet?

142 qkm Heide wurden nach 1945 für die sowjetischen Truppen enteignet und als Schieß- und Bombenabwurfsplatz mißbraucht. 1989 atmeten die AnwohnerInnen auf. 40 jahre Kriegslärm und Angst hatten ein Ende! Dieser Platz kann laut ,Einigungs"vertrag nicht ,übernommen" werden. Denn dieses Land war NIEMALS ZUVOR ein ,Deutscher Truppenübungsplatz". 1992 kam der Beschluß über die ,Weiternutzung". Er traf die AnwohnerInnen wie ein Schlag. Seither üben sich die Menschen dort im Widerstand.

Insbesondere möchten sie die schöne Landschaft erhalten, ,sanften" Tourismus ermöglichen und die urtümlichen Wälder und den ganzen Dranser See wieder allen zugänglich machen. Wer sich vom Fluglärm gestört fühlen sollte, kann auch regen Gebrauch vom Bundeswehrtieffliegerbeschwerdetelefon machen (0130/862073 oder 0331/97140). (Am besten ist natürlich die Arbeit zu Hause bei der ,eigenen" Bundeswehreinheit. D.Tipperlein)

Juristisches Lehrstück - aus dem Paragraphendickicht -

Da verläßt eine Armee ein Land und übergibt alle genutzten Liegenschaften an das Bundesvermögensamt, ergo den Finanzminister. Damit sei das Vermögen ,entwidmet". aus militärischer Nutzung entlassen, so das Verwaltungsgericht. Dennoch übergibt das Finanzministerium diese Liegenschaften dem ,Verteidigungs"minister - ein Verwaltungsakt ohne angemessene Rechtsgrundlage. Das focht niemand vor dem Verwaltungsgericht an.

Stattdessen versuchten die Menschen die Unterlassung militärischer Übungen bei eben diesem Verwaltungsgericht rechtlich zu erreichen. Aber es werde ja noch gar nicht richtig auf Ziele geübt, heißt es im Urteil. Nur das Tieffliegen - und das ist auf Befehl aus Bonn fast überall über diesem Lande selbstverständlich. Gegen angeordnete Tätigkeit von Polizei und Militär kann niemand gerichtlich vorgehen. Wir seien zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet. Die Gemeinde habe kein rechtlich geschütztes Interesse an der Unterlassung von Bundeswehrflügen. Klage abgelehnt.

Für eine Person, die nachgewiesenermaßen durch Flugtätigkeit zu Schaden gekommen sein sollte, z.B durch Taubheit, ist Klage auf Schadensersatz möglich. Dies aber erst NACH der Schädigung. Klage abgelehnt.

Schon gar nicht dürfen Gemeinden als Vertreterinnen ihrer BürgerInnen kollektives Klagerecht beanspruchen. Der Gemeindeverband kann schließich nicht taub werden. Klage abgelehnt.

Aber es gibt doch Gemeinde- und Privateigentum in dem okkupierten Gelände oder Ansprüche darauf. Dort darf der ,Verteitigungs"-Minister ohne Zustimmung keine Anlagen installieren. Er darf auch nur minimal 300 m hoch fliegen lassen, wie über der ganzen Republik. Es gibt keinen ,Nachnutzungsanspruch" der Bundeswehr. Diesem Klagepunkt wurde zugestimmt!

Erst müßte die Bundeswehr enteignen, und bei diesem Verfahren sind die Gemeinden gemäß ,Landbeschaffungsgesetz" zu hören und haben Mitwirkungsrechte. Die Stellung der Gemeinde bei einem solchen Enteignungsverfahren ist jedoch wesentlich stärker, wenn sie einen möglichst detaillierten Bebauungs- bzw. Flächennutzungsplan erstellt hat.

Entscheidend wird sein, welche Haltung das Land Brandenburg in seinem Raumordnungsverfahren einnimmt. Dieses sollte für die brandenburgische Landesregierung höchste Priorität haben, damit die Gemeinden endlich langfristig planen können. Für die Bundeswehr würde so klar, ob sie nach einer Enteignung auch die Nutzung erwarten darf. Wird das Land den Truppenübungsplatz oder die zivile Entwicklung planen? Beides geht nicht, eine Entscheidung tut not!

Jetzt sind die Gemeinden eine Weile beschäftigt. Dann macht die Bundeswehr von ihrem Einspruchsrecht gegen deren Pläne Gebrauch, natürlich im ,Verteidigungsauftrag". - Aber die Bundeswehr scheut die Enteignung. Sie will die einstigen Enteignungen bestätigt sehen. Deshalb hat sie gegen das Verwaltungsgerichts-Urteil vom 29.6.96 Einspruch eingelegt.

Die einstige Klage war erweitert worden: Auf die Herausgabe des Gemeindeeigentums durch die Bundeswehr. Sicher, so meinte der Richter, können Sie das erstreiten. Aber nicht hier, bitte. Das gehört vor ein ordentliches Gericht. (Was bitte ist ein ,ordentliches" Gericht? Wenn es ordentliche Gerichte gibt, muß es ja auch unordentliche Gerichte geben, oder? D. verunsicherte Tipperlein) Diese Klage gehört nicht vor ein Verwaltungsgericht. Klage abgelehnt.

So zog sich das Gericht aus der Affaire und fällte ein Urteil, das keines ist. Die Bundeswehr bleibt auf dem Platz, darf aber nicht üben. Die Gemeinden machen Pläne, haben aber keine investitionsfreundlichen Bedingungen -solange die Enteignung droht.

Nur ein kleiner, wenn auch wichtiger Teil der Klage wurde erfolgreich. Der Großteil der Verfahrenskosten wurde den klagenden Personen und den Gemeinden auferlegt. Diese leiden schwer darunter. Die Bundesregierung macht es den Menschen nicht leicht, ihr Recht zu erstreiten. Die Menschen der Bürgerinitiative MÜSSEN in die nächste Instanz mit weiteren hohen Kosten. Sie versuchen die politische Offentlichkeit zu erreichen, um die Sonderrechte der Bundeswehr (Art.87aGG ,Verteidigungsauftrag") in Frage zu stellen. Dies ist ein überall in der BRD gültiges Totschlagsargument, in jeder Hinsicht.

Die KlägerInnen sind auf solidarische finanzielle und publizistische Hilfe angewiesen. Die erste Instanz darf nicht sinnlos gewesen sein!

Gerold Korbus (nach Informationen der Bi FREIe HEIDe)

Prozeßkostenkonto: Freie Heide e.V. Kto: 162 101 2022 BLZ: 160 502 02 bei der Sparkasse Ostprignitz-Ruppin


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