Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/97      Seite 6
 
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Umwelttag: Mit der Stadt ins 21. Jahrhundert

Die Stadt ruft zum Aufbruch in das 21. Jahrhundert auf. Die erklärte Absicht der städtischen Umweltverwaltung war es, den Oldenburger/inne n zum Tag der Umwelt am 6. Juni die Bedeutung der Agenda 21 nahezubringen. Ob dieses Vorhaben erfolgreich war, ob es den Beteiligten an dieser Aktion am Freitag gelungen ist, diesem abstrakten Begriff ein wenig Leben einzuhauchen, wird die Zukunft zeigen. Auch auf die Auswertung der Fragebögen, die im Auftrag des Umweltamtes auf dem Rathausmarkt und in der Fußgängerzone unter die Leute gebracht wurden, dürfen wir gespannt sein. Gefragt wurde nämlich auch danach, wo jeder einzelne Mäglichkeiten für eigenes Engagement sieht.

Dieser Artikel entstand auf der Grundlage einer 1stündigen Lifesendung des Umweltradio- Teams im Offenen Kanal Oldenburg, die am Freitagmittag vom Umweltzelt auf dem Rathausmarkt übertragen wurde. Die Statements, die in diesem Zusammenhang gegenüber den Umweltradio-Reportern abgegeben wurden, vermitteln ein authentisches Bild davon, was momentan Menschen mit dem Begriff Agenda 21 verbinden. Sie werden hier unkommentiert wiedergegeben.

Zunächst Oberbürgermeister Dr. Jürgen Poeschel in einem Kurzinterview im Anschluß an seine Eröffnungsrede: Bezugnehmend auf die Umweltkonferenz in Rio 1992, wo die Agenda 21 als ein Aktionsplan für das 21. Jahrhundert beschlossen wurde, erläuterte er Ziel und Zweck dieses Papiers:" Dabei ging es in der Sache um das Bemühen der Weltstaatengemeinsch aft, unserer Welt auch für das nächste Jahrtausend eine Überlebenschance zu geben angesichts zunehmender und immer bedrohlicherer Formen von Umweltzerstörung, Armut und sozialer Ungerechtigkeit. Die beiden letzten Begriffe gehören zur Umweltfrage, denn wer nicht ein gewisses Lebensniveau erreicht hat, auch ökonomisch, der kann nach seiner persönlichen Möglichkeit der Umweltzerstörung nichts entgegensetzen, sondern sein Wertesystem ist so, daß das noch nachrangig ist. Wir müssen also vieles erreichen, auch sozial, damit wir der Umweltzerstörung Herr werden." Auf die Oldenburger Situation angesprochen sagte er: "(...)Ich sehe natürlich auch in einer Stadt, deren Bewußtsein schon sehr weit geschärft ist, die zusätzliche Chance, Kräfte zu bündeln und auch mit den offiziellen Bemühungen der Kommune, des Rates und der Verwaltung zusammenzuführen.(...)"

Einige nach dem Zufallsprinzip gesammelte Meinungen von Besuchern und Ausstellern ergaben folgendes: Eine Besucherin ("normale Bürgerin"), die sich schon etwas intensiver mit der Konferenz in Rio beschäftigt hatte, zu den dort beschlossenen Papieren: Alles "sehr, sehr vage. - Ich denke, es ist viel sinnvoller, daß man vor Ort, wie hier in Oldenburg versucht, die Menschen dazu zu bewegen, konkrete Schritte selber in die Wege zu leiten, und es nicht nur auf dieser Ebene der Papierverabschiedung beläßt. Wir sehen das ja an der CO2 -Frage: Die Industrie ist mächtig und wird vieles tun, daß diese Beschlüsse der Agenda nicht durchkommen. Von daher muß die Bevölkerung mobilisiert werden, es muß Umweltbildung betrieben werden." Die Frau setzt ihre Hoffnung insbesondere auf die Kinder als Vermittler des Umweltschutzgedanke ns,"denn die Erwachsenen sind in einer Konsumgesellschaft großgeworden und sind vielfach zu bequem, ihre alten Gewohnheiten aufzugeben. Sie müssen von den Kindern erzogen werden."

Eine ältere Besucherin faßt ihr frisch erworbenes Wissen über die Agenda in folgender Aussage zusammen:" Das ist ja nicht nur für Oldenburg bzw. für die Bundesrepublik , sondern weltweit, das Programm Agenda 21. Also der Umweltschutz in der ganzen Welt." Sie, die selbst mit dem Fahrrad gekommen ist, sieht einen konkreten Ansatzpunkt darin, "daß man das Auto weniger nutzen sollte und mehr radfahren sollte." Ihr Mann äußert auf die Frage, wo das Geld für notwendige Maßnahmen herkommen solle: "Der Bürger sollte eigentlich nichts bezahlen, weil wir ja schon Steuern bezahlen. ... Wer das meiste Geld hat, müßte auch bezahlen, die Industrie auch, denn die Industrie stellt ja auch die Sachen her, da müßte sie auch was dafür tun."

Von einem Studenten kommt die Aussage, "daß Umweltverschmutzung usw. nicht getrennt davon zu sehen sind, wie die wirtschaftlichen Verhältnisse sind in dieser Welt." Und dann sei es so, "daß wir hier auf Kosten anderer Leute leben." Konkret meint er damit: "Wir leben in einer Gesellschaft, die massenweise zu (jetzt nennt er den Namen einer bekannten amerikanischen Fast-Food-Firma)rennt, beispielsweise, die Ressourcen verschwendet - ich nehme mich selber da nicht aus. Wir leben auf Kosten von Dritte-Welt-Ländern, die das so billig produzieren, daß wir es verschwenden können." Er weiß auch, wo man ansetzen müßte, um dies zu verändern: "Ich glaube, wenn man Gesellschaft verändern und Einstellungen verändern will, dann geht das los in der Grundschule. Ich persönlich werde Grundschullehrer mit bestimmten Ideen und Ansprüchen, und ich glaube, wenn man was verändern möchte, dann muß man bei den Kindern anfangen."

Umweltdezernentin Karin Opphard, befragt nach ihren Wünschen und Hoffnungen zum Agenda- Prozess: "Ich hoffe, was durch diesen Prozess neu sein wird, ist eine stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in der Stadt. Das, was wir in den letzten Jahren ja leider beobachten konnten, daß doch immer mehr Menschen sich stärker zurückziehen auf ihren privaten Bereich, und ihr eigenes Handeln mehr daran orientieren, wie sie selber - gerade in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen - zurechtkommen, hoffe ich, ein wenig aufbrechen zu können im Sinne eines stärkeren Bewußtseins für die Gemeinschaft in dieser Stadt, aber auch darüber hinaus." Die Umweltstadträtin wünscht sich, daß "etwas mehr Mut entsteht, daß man gemeinsam Dinge doch verändern kann, die einem alleine ja oft sehr unveränderbar erscheinen."

Für den Initiativkreis "Lokale Agenda 21 Oldenburg" sagte Sprecherin Hilke Janssen:"Wir wollen zunächst erst mal die verschiedenen Gruppen koordinieren, die sich in den Prozess einbringen oder in der Art arbeiten und dabei nicht wissen, daß es Agenda-gemäß ist, und versuchen, auch neue Gruppen bzw. auch Einzelpersonen in den Prozeß einzubinden." Persönlich begreift sie den Agenda-Prozeß als Chance: "Es wäre gut, wenn sich so viele Menschen wie möglich da einklinken in den Prozeß der Erarbeitung dieses sog. Aktionsplanes."

Udo Brüning vom Nicaragua Verein Oldenburg erhofft sich durch die Agenda-Aktivitäten in Oldenburg auch etwas Auftrieb für die Entwicklungsarbeit, die seine Dritte-Welt- Gruppe seit Jahren leistet: "Wir würden uns jetzt mit dieser neuen Initiative zur Agenda 21 wünschen, daß ein größerer Rückhalt von anderen Verbänden und Vereinen, aber vor allen Dingen von den Oldenburger Bürgerinnen und Bürgern für unsere Arbeit sich ergibt." Auf diesbezügliche Frage formuliert Udo Brüning aber auch ein Bedenken, welches von anderen Vertretern aus dem Spektrum der Entwicklungs- und Dritte-Welt-Initiativen geteilt wird:"Wir wundern uns ein bißchen, daß wir schon lange in diesem Bereich arbeiten, und man uns bisher nie gefragt hat, und jetzt scheint es uns so etwas, daß wir vereinnahmt werden von bestimmten, auch politischen Kräften, die nach Leuten suchen, die ihnen sozusagen als Alibi dienen, so daß sie sagen können: Da wird ja schon was gemacht in der Stadt, und wir haben Kontakte im Bereich Nord-Süd und zu Dritte-Welt- Ländern." Er hält es aber für möglich und richtig, die Aktivitäten in Richtung auf die Agenda-Thematik auszuweiten. Udo Brüning weiter: "Bisher ist für uns noch zu unklar, in welcher Form die Zusammenarbeit stattfinden soll, - einmal der Verbände untereinander, aber auch zur Stadt - und welche Aufgabe die Stadt Oldenburg dabei übernehmen wird." Dann spricht er ein altes Problem an: Das Geld. "Wir haben bisher immer eine finanzielle Unterstützung bekommen für die Arbeit in Nicaragua, aber die letzten zwei Jahre nicht mehr - aus haushaltstechnis chen Gründen." Und eine organisatorische Frage: "Inwieweit können Strukturen der Stadt benutzt werden, wi weit kann man da zusammenarbeiten?"

Wir ergänzen hier für das allgemeine Verständnis, daß die Einrichtung einer Stelle in der Verwaltung, die als Koordinationsstel le für den Agenda-Prozeß dienen soll - so sahen es zumindest die Koalitionsvereinbarung en der Rot-Grünen Ratsmehrheit vor - zur Zeit an der allgemeinen Haushaltsmisere zu scheitern droht. Die Politik - sie wird oft als die Kunst des Machbaren bezeichnet - ist gefordert, hier klare Prioritäten zu setzen, auch wenn die Agenda 21 zugegebenermaßen nicht der große Wahlkampfschlager ist.

Wir hoffen aber nicht allein auf die Politik, sondern sagen mit Jeff Goldblum in dem Film "Jurassic Park": "Das Leben sucht sich einen Weg." Schließlich geht es bei der Agenda 21, wie Oldenburgs OB Jürgen Poeschel korrekt feststellte, darum, unserer Welt auch für das nächste Jahrtausend eine Überlebenschance zu geben.

tog


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