Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/97      Seite 15
 
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Ökoszene gegen EU-Umwelt-Audit ?

In der diesjährigen Ökomarktzeitung hat sich unser lieber, sehr geschätzter Vertreter des Oldenburger Energierates Ingo Harms wütend über einen Oldenburger Kfz-Kunstoffteilehersteller (der zweifellos die Umwelt vergiftet) und seine jüngst genehmigte Teilnahme am äEU-Umwelt-Audit“ so geäußert, daß es den Anschein haben könnte, als spräche er sich grundsätlich gegen die Teilnahme am EU-Umwelt-Audit aus. Im Gegenteil ist ihm die eigentliche Funktion und Bedeutung dieses aus der Selbstverpflichtung der EU-Staaten in Rio (Agenda 21) entstandene Programms wohl bewußt. Dennoch können, seine etwas zu flachen Beschimpfungen auf das Umwelt-Audit als Etikettenschwindel, so nicht unkommentiert stehen bleiben, ohne eventuell der Umwelt langfristig einen Bärendienst zu erweisen. Wir von der Druckerei Plakativ in Kirchhatten haben uns mit dem Thema längere Zeit beschäftigt und halten Aufklärung und Differenzierung für angezeigt bevor man/frau das Umwelt-Audit in Grund und Boden kritisiert.

Einige Grundinformationen:

Das Umwelt-Audit ist ein Programm zur Einführung eines sehr aufwendigen betrieblichen Umweltmanagements, dessen Teilnahme nach abgelegter Prüfung sich dieser Betriebs-Standort (nur dieser) eintragen und bescheinigen lassen kann Es ist also kein Umweltpreis, Label oder Etikett, weder für noch gegen die Umwelt. Es ist sogar ausdrücklich verboten, auf Produkten mit dem Umwelt-Audit zuwerben.

Das Umwelt-Audit ist eine Programm, das sich ausschließlich an die Industrie und das produzierende Gewerbe richtet, also meist an die wirklichen Umweltverschmutzer, wie z.B. BASF+Thyssen+VW+Kruppstahl und nicht an Ede´s Biohof oder Pu´s Holzwerkstatt. Aber durchaus sind auch Umweltversiffer wie Druckereien und Bio-Farbenhersteller angesprochen.

Beim Umwelt-Audit geht es ausschließlich um die Produktion und nicht um das Produkt. Also den Teil der Wirtschaft, den der Normalverbraucher sonst weniger beleuchten kann.

Umwelt-Audit heißt auf deutsch: äder Umwelt Gehör schenken“. Wer soll da nun zu hören? Die EU-Bürokraten gingen wohl davon aus, daß die kapitalistische Marktwirtschaft weder aus ideologischen Gründen noch durch Drohungen der sonst so starken, aber hier so schwachen Staatsmacht (Gesetze, Umweltpolizei, Gewerbeaufsicht usw.) dazu gebracht werden könnten, der Umwelt zuzuhören. Darum sollen sich die Betriebe mittelfristig selber umweltgerecht sanieren.

Hierfür hat die EU eine feste Prozedur entwickelt und nach langem Ringen 1993 als Verordnung Nr.1836/93 verabschiedet. Diese Prozedur sollte nach den Vorstellungen der hohen Kommissare eine Pflichtveranstaltung für die Industrie und das produzierende Gewerbe werden und ist jetzt aber leider vorläufig (u.a. auf Einspruch Deutschlands hin) bis 2001 nur eine freiwillige Veranstaltung.

Die Teilnahme am Umwelt-Audit ist kein Verfahren, das irgendwann endet, sondern läuft, solange der Betrieb besteht mit jährlichen, bei Kleinbetrieben dreijährlichen Prüfungen weiter.

Hier einige Beispiele, was die Prozedur um am Umwelt-Audit teilnehmen zu können z.Zt. beinhaltet:

Jeder Standort muß ein Kataster (eine Datenbank, wie eine zweite Buchhaltung) erstellen, das jeden Stoff, der in den Betrieb gelangt und jeden Stoff der den Betrieb verläßt, erfaßt. Dazu gehören alle Werkstoffe zur Produktion, aber auch Energie –Strom, Öl, Gas, Wasser, chemische Hilfsstoffe, Transporte usw. – und beim Verlassen natürlich die Produkte, aber auch Emissionen wie Abluft, Abwasser, Müll usw. Input und Output sollen sich decken. Es muß ein Nachweis vorhanden sein, wo sämtliche Stoffe verblieben sind. Diese Daten müssen in der Umwelterklärung veröffentlicht werden.

Aus den Energiedaten und einer gutachterlichen technischen Vorortuntersuchung heraus muß eine Energiebilanz erstellt werden, die alle energetischen Schwachpunkte des Betriebes erfassen soll.

Ein wichtiger Teil des Umwelt-Audits (auch in unserer Druckerei) ist die Betriebssicherheit. Dazu zählen MAK-Werte (Schadstoffe in der Luft), Lärmschutzmessung, aber auch Feuerschutz (Lösemittelräume), Maschinenabnahmen(TüV+Gs), Unfallquellen, Sozialräume usw. Für diese Untersuchungen mußten auch wir die Feuerwehr, Berufsgenossenschaft, Arbeitsmediziner, Gewerbeaufsicht, Bauaufsicht usw. in den Betrieb einladen und Stellungnahmen einholen. Alle aufgedeckten Mängel müssen sobald sie erfaßt sind, mindestens den gesetzlichen Vorschriften entsprechend vor der Teilnahme behoben werden.

Nach Einholung aller Grundinformationen und Erfassung aller Problemfelder ist eine ausführliche Schulung aller Mitarbeiterinnen durch Umweltberaterinnen obligatorisch. Der Wissenstand der Mitarbeiter soll jährlich/dreijährlich wieder überprüft werden.

Nachdem sozusagen der gesetzliche Stand erreicht ist (und auch das ist nicht immer leicht), verpflichtet sich der Betrieb den technisch machbaren Stand in äwirtschaftlich vertretbaren Schritten“ bis zum Tag X zu erreichen. Diese Selbstverpflichtung muß in die Umwelterklärung aufgenommen und nach ein/drei Jahren werden die Schritte vom Gutachter überprüft.

Die IHK (für Weser/Ems die IHK-Lüneburg) führt die Liste der Betriebe die am EU-Umwelt-Audit, nachdem sie die erste Prüfung von vereidigten Prüfern (Dau) absolviert haben, teilnehmen dürfen und auch die Liste der Betriebe die wegen mangelhafter Durchführung aussteigen mußten. Diese Liste ist z.b.im Internet für jeden einsehbar.

Das EU-Umwelt-Audit soll einen Umweltstandard für ganz Europa setzen. Vergleichbare Umweltkosten für vergleichbare Produkte in ganz Europa.

Die Aufzählung der doch ganz positiv gemeinten Ansätze/ Auswirkungen des Umwelt-Audits für die Umwelt könnte noch seitenweise verlängert werden, aber wir wollen auch noch auf die Kritik Ingo Harms am Umwelt-Audit eingehen Raum geben:

äAlles Bio oder was? – falsche Etiketten täuschen Öko vor“ sagt Ingo Harms in der Ökomarktzeitung. Dazu kann ich nur sagen: Aufklärung tut not. Die wenig sagenden Begriffe Bio und Öko sind auch in äÖko-Szene“ kein Garantie Label. Wenn einer im Ausstellerverzeichnis der Ökomarkt-Zeitung steht, ist er noch lange nicht äÖko“. Alle Öko-Aussteller nutzen Kraftfahrzeuge; ist der Autoschlosser, der diese repariert, deswegen Öko oder nicht? Ist der Öko-Lavamat öko, weil er wenig Wasser verbraucht, obwohl er aus Südostasien kommt? Ingo Harms kritisiert mit Recht den Umweltengel. Für uns Drucker ist er aber wichtig, denn nur postconsumer Recyclingpapiere erhalten den blauen Engel. Obwohl die bei Öko-Designer gern bevorzugten Recycling-Imagepapierhersteller mit blauem Engel ihre Abwässer in Indien gern direkt und ungefiltert über den Strand ins Meer lassen, produzieren sie schicke Öko-Papiere.? Nun aber wieder etwas sachlich zur Kritik von Ingo Harms zu Umwelt-Audit.

Er beschwert sich, daß auch Pharmakonzerne und etwas überspitzt auch Atomkraftwerke dran teilnehmen können. Ich meine man sollte AKW´s abschaffen und Pharmakonzerne unbedingt zum Umwelt-Audit verpflichten.

Er beschwert sich mit recht, daß dieser äOldenburger Kfz-Kunstoffteilehersteller“ am Umwelt-Audit Validierung gekommen ist. Für uns hat die Validierung dieses Betriebes zum jetzigen Zeitpunkt (Vergiftung der Anliegerschaft) den Charakter der TÜV-Abnahme eines Autos ohne Bremsen. Wir vermuten er wurde von VW verpflichte, da VW eine Teilnahme anstrebt, müssen auch die Zulieferer, ob sie wollen oder nicht, dran teilnehmen.

Er beschwert sich, daß die Presse Peguform wegen des Umwelt-Audits bejubelt. Ich kann dazu nur sagen: Aufklärung tut not. Als wir der Diabolo im Dezember 96 einen Umwelt-Audit Informationsartikel anboten, wurde uns von dieser Zeitschrift gesagt: äNein Danke,wir hatten schon einen von Peguform“. Vielleicht werden auch die falschen Zeitungen unterstützt.

Er beschwert sich über Gewerbeaufsicht und Gesundheitsamt wegen mangelnder Kontrolle. Da kann ich Ihm nur recht geben. Wir Anarchisten haben diesem Staat und dem kapitalistischem Wirtschaftssystem noch nie getraut.Und damit kommen wir auch schon zur Hauptkritik: das Umwelt-Audit ist eine Einrichtung der Wirtschaft und wird vom Staat nicht richtig überprüft?.

Dazu: Die Installation des Umwelt-Audit im Betrieb wird meist von Umweltberaterbüros (wir wurden von Planet herangeführt und später von Gerwing-Hannack&Partnerinnen betreut) installiert und von vereidigten EU-Umwelt-Audit Sachverständigen (bei uns Schmidt Hannover) abgenommen. Diese Sachverständigen werden von der deutschen DAU geprüft. Die DAU soll sich selbst über Gebühren finanzieren, ist aber letztlich ein privater Verein wie z.B. auch Bioland, der TÜV oder die Berufsgenossenschaften. Und genauso wie TÜV und Berufsgenossenschaften finanziert die Wirtschaft auch leztlich die DAU und ist damit ein kapitalistisches Instrument.

Bei wem beschwert sich Ingo Harms? Einerseits natürlich bei der Leserschaft der Ökomarktzeitung, andererseits sagt er der BGH (Mitteilung 39/97) gebe ihm sogar recht (stimmt auch), aber wer ist der BGH- seit wann trauen wir der Klassenjustiz? Ich will damit nur sagen, auch wir bauen auf diese Institutionen. Ein Staat ohne Gerichte jagt mir Angst ein. Ich möchte in keinem Betrieb ohne Berufsgenossenschaft arbeiten, ich möchte nicht mit Maschinen arbeiten, die nicht irgendwann mal TüV oder anders auf Sichherheit überprüft wurden, ich glaube selbst bei AKW´s ist mir der kapitalistische TüV lieber wie gar keiner.

Zur Zeit werden auf den Hochschulen Deutschlands tausende Studenten zu Umweltberatern und –prüfern für das EU-Umwelt-Audit ausgebildet. Wir als einer der ersten validierten Betriebe werden ständig um praktische Mithilfe bei der Ausbildung gebeten. Diese Schwemme von akademischen äExperten“ wird die nächsten Jahre auf die Wirtschaft zu gehen und...... keinen Job erhalten, wenn nicht erheblicher Druck von der Öffentlichkeit nach Validierung zum EU-Umwelt-Audit kommt. Falls die Wirtschaft gezwungen werden könnte, diese Experten zu beschäftigen wird die Umwelt nicht drunter leiden.

Unsere Forderung steht: EU-Umwelt-Audit als Pflicht für alle Betriebe

Auch wir glauben nicht an eine Öko-Revolution durch diese neue Verordnung, erhoffen uns allerdings mehr gläserne Betriebe, mehr Auschöpfung des Einsparpotentials, mehr neue billigere umweltfreundlichere Techniken.

Für die Druckerei PLAKATiV hat das Umwelt-Audit einen enormen Schub an umwelttechnischen Verbesserungen (leider auch kostenintensiv) und Arbeitssicherheit gebracht. Wir hoffen, daß die Öko´s auch über den Szenerand sehen können und eine Maßnahme, die schwerpunktmäßig an die umweltverschmutzende Industrie gerichtet ist, nicht nur als Aktion in Feindesland und somit als Konkurrenzveranstaltung in Sachen Umwelt betrachten. Wir leben gegen dieses Wirtschaftssystem und gleichzeitig in ihm, wir bevorzugen lokales Handeln, sollten aber das Denken in gesamtgesellschaftlichen und internationalen Zusammenhängen deswegen nicht einstellen.

Unser Anliegen war es immer das Thema Umweltschutz über die, wie Ingo Harms auch richtig sagt, 1% Hürde der Öko-Szene hinnaus zu tragen.

Hartmut


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