Oldenburger STACHEL Ausgabe 7/98      Seite 13
 
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Den Atomausstieg fest im Blick

Im Folgenden bringen wir Ausschnitte aus einem Interview, das Thomas Myslik am 2. Juli mit der atompolitischen Sprecherin der Bundesgrünen, Ursula Schönberger, geführt hat. (Das vollständige Interview wurde am 3.07. in der Sendung "Umweltradio" im Offenen Kanal Hörfunk ausgestrahlt.)

Frage: Sie haben als einen Punkt für eine Rot-Grüne Regierungskoalition in Bonn den Atomausstieg zur Bedingung gemacht. Herr Schröder hat gesagt, er bräuchte für den Ausstieg 20-25 Jahre. Wie stehen Sie dazu?

U.S.: Tatsache ist, daß der Ausstieg aus der Atomenergie sehr schnell zu machen ist - sowohl, was die Energieversorgung als auch die juristischen Rahmenbedingungen betrifft. Wer heute, wie Schröder, davon spricht, daß ein Atomausstieg 30 Jahre dauert, der spricht eigentlich nicht von einem Ausstieg aus der Atomenergie.

Kein einziges der heutigen Atomkraftwerke wird in 30 Jahren noch laufen; das ist eine reine Altersfrage. Das älteste Atomkraftwerk ist mit (dem AKW) Obrigheim jetzt 30 Jahre am Netz, d.h. wer von 30 Jahren spricht, der spricht von einer Verdoppelung der bisherigen Laufzeit.

Frage: Wie haben die Grünen sich für einen schnellen Ausstieg vorbereitet?

U.S.: Wir sitzen seit vielen Monaten in Expertenrunden zusammen und beraten die Instrumentarien für den Ausstieg. Der Atomausstieg ist ein zentales Projekt grüner Regierungsbeteiligung. Wenn Herr Schröder darauf besteht, diesen Ausstieg nicht zu machen, dann muß er sich andere Koalitionspartner suchen. (...)

Frage: Angenommen, Schröder droht nur damit, daß ein schneller Ausstieg mit ihm nicht zu machen sei, dann nochmal die Frage: Was haben Sie gemacht?

Welche Vorbereitungen sind von Ihnen getroffen worden, denn der Ausstieg wird von Ihnen doch nicht erst seit Monaten, sondern ich hoffe doch schon seit Jahren vorbereitet?

U.S. (lacht): Klar, wir arbeiten natürlich seit Jahren sowohl parlamentarisch als auch außerparlamentarisch für einen Atomausstieg, aber in den letzten Monaten haben wir besonders intensiv daran gearbeitet, die einzelnen Instrumentarien so auszuarbeiten, daß sie z.B. auch vor einem Verfassungsgericht bestehen können.

Unser Aussstiegskonzept fußt auf drei Säulen:

1. Ein Atomenergie-Ausstiegsgesetz, das den endgültigen Ausstieg für alle Atomanlagen regeln soll.

2. Praktisches Regierungshandeln.

Auf dieser Ebene werden wir sehr schnell zur Stillegung einzelner Atomanlagen kommen. Beispielsweise gibt es schon lange eine Stillegungsverfügung der Hessischen Landesregierung für (den Reaktor) Biblis A; und nur durch eine Weisung des Bundesumweltministeriums (BMU) ist die Hessische Regierung bislang daran gehindert worden, dieses AKW stillzulegen. Dieses können wir bei einer Regierungsbeteiligung aufheben. Es geht aber beim praktischen Regierungshandeln um viel mehr, nämlich darum, aufzuhören mit einer betreiberfreundlichen Atompolitik, z.B. Gremien so zu besetzen, daß sie nicht nur mit atomenergiefreundlichen Wissenschaftlern besetzt sind, Strahlenschutzverordnungen zu novellieren, usw.

3. Das Neugestalten der ökonomischen Rahmenbedingungen

Die Geschichte der Atomenergie ist eine Geschichte von staatlichen Subventionen und Privilegien. In den Fachzeitschriften der Energiewirtschaft wird heute davon gesprochen, daß Atomenergie nur noch unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen wettbewerbsfähig ist, gerade vor dem Hintergrund des Europäischen Binnenmarktes. Wenn wir da an die Beschneidung der Subventionen gehen, werden wir sehr schnell dahin kommen, daß die Energieversorgungsunternehmen von sich aus neue energiepolitische Überlegungen anstellen werden.

Frage: Nun gab es aus den Reihen der Anti-AKW-Bewegung in den letzten Wochen zunehmend Kritik an den Grünen, daß sie den Atomausstieg nicht forsch genug betrieben. Was würden Sie diesen Kritikern entgegenhalten?

U.S.: Ich finde es immer richtig, wenn Bürgerinitiativen kritisch sind. Ich denke, man muß sich da noch genauer mit unseren Ausstiegskonzepten auseinandersetzen. Wir haben die Situation, daß die AKW mit unbefristeten Betriebsgenehmigungen laufen. Wenn wir da nachträglich eingreifen, müssen wir - unter der Voraussetzung, daß die Energiekonzerne gegen ein Ausstiegsgesetz vor das Bundesverfassungsgericht (BVG) ziehen werden - ein Gesetz zimmern, das auch dann vom BVG nicht "kassiert" wird.

Die Rahmenbedingungen für unser Gesetz sind:

1. Wir brauchen eine einjährige Übergangsfrist, um danach die ersten AKW abzuschalten

2. Wir befristen die Laufzeit insgesamt noch auf fünf Jahre. Das letzte AKW wird also fünf Jahre nach Inkrafttreten unseres Ausstiegsgesetzes vom Netz gehen müssen.

Aber man muß auch sehen: Das Gesetz ist nur der Rahmen, und innerhalb dieses Rahmens kommt das praktische Regierungshandeln, wo wir unabhängig von diesem Gesetz auch sehr viel schneller zu einer Stillegung einzelner AKW kommen können. (...)

Es lohnt sich, alleine in die Akten zu sehen, die beim BMU liegen, und das, was man dort an Material findet, dazu zu verwenden, wirklich die Sicherheitsfrage zu stellen. (...)

Ich bin ganz sicher, daß wir auf diesem Wege sehr schnell zu der Stillegung von sehr vielen Atomanlagen kommen.

 

 
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