Oldenburger STACHEL Ausgabe 11/98      Seite 3
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Viva Nicaragua Libre

Zum Arbeiten nach Nicaragua

In den Sommerferien waren dreizehn Jugendliche aus Oldenburg und dem Ammerland zu einem einmonatigen Arbeitsaufenthalt nach Nicaragua gefahren. Der Nicaragua-Verein Oldenburg hatte das Jugendaustausch-Projekt mit Unterstützung des Jugendumweltbüros organisiert. Die Jugendlichen waren für die Zeit ihres Aufenthalts bei Gastfamilien in der Partnergemeinde San Francisco Libre untergebracht und hatten so Gelegenheit, die Lebensverhältnisse in dieser ländlichen Region Mittelamerikas hautnah zu erfahren. Vormittags arbeiteten die Jugendlichen bei der Renovierung und Einrichtung eines Umweltzentrums in der Partnergemeinde – ein Projekt, welches der Nicaragua-Verein 1997 ins Leben gerufen hatte. Das alte, im traditionellen Baustil errichtete Haus soll zu einem Demonstrationszentrum ausgebaut werden und einheimischen Studenten die Möglichkeit bieten, regional angepaßte Technologien kennenzulernen und zu erproben. Ein zweites Gebäude, in dem das eigentliche Schulungszentrum untergebracht sein wird, soll die Anlage komplettieren. Mit dem Neubau soll im nächsten Jahr begonnen werden.

Neben der Arbeit in dem Umweltzentrum unternahmen die Jugendlichen nachmittags und an den Wochenenden gemeinsame Exkursionen und lernten dabei verschiedene Aspekte ihres Gastlandes kennen.

Nachfolgend drucken wir den Erlebnisbericht von Kolja Knauer und Nils Katz, der ein anschauliches Bild ihrer Erfahrungen wiedergibt:

Viva Nicaragua Libre!

riefen uns die Gastschwestern und -brüder zu, als sich der Lastwagen nach San Francisco Libre in Bewegung setzte und uns in der Hauptstadt Managua zurückließ, von wo wir zurückfliegen sollten. Wir, 13 SchülerInnen aus Oldenburg und Rastede, hatten uns vor einem halben Jahr entschlossen, als Arbeitsbrigade nach Nicaragua zu fliegen, um dort an einem Umweltzentrum in der kleinen Gemeinde San Francisco Libre zu arbeiten.

Natürlich hatten wir uns gut vorbereitet. Wir wußten, daß Nicaragua ein kleines Land ist, in dem 83 Prozent der Bevölkerung in Armut leben. Wir wußten, daß wir bei Familien leben würden – wahrscheinlich in Holzhäuschen, ohne fließend Wasser und den sonstigen Komfort, den wir gewohnt sind. Wir hatten uns auf Verständigungsschwierigkeiten, einfache Nahrung, Durchfall, Skorpione, Kakerlaken und Hitze eingestellt. Doch schon als wir ankamen sahen wir, daß man sich nicht wirklich auf all das vorbereiten konnte.

Aller Anfang ist schwer

Die ersten zwei Wochen mit Buddeln bei 40º C im Schatten, Schlafen und Leben in einem Zimmer mit einer ganzen Familie, stinkenden Latrinen und Verdauungsproblemen erweckten eher Heimweh. Doch nach dieser Eingewöhnungszeit und einigen netten Kneipenabenden und fiestas mit den hermanas und hermanos verwandelte sich das erste Unwohlsein in Begeisterung. Es ist schwer, die Gefühle zu beschreiben, wenn einem Ex-Guerillero Tavo von der Revolution 1979 erzählt und man zusammen mit den Nicas die Hymne der FSLN singt, oder einem die Gastmutter erzählt, daß seit 1990(Abwahl der FSLN) alles schlechter geworden ist, und sie inzwischen als Lehrerin nur noch 70 $ verdient. Und mindestens genauso ergreifend ist die uralte Frau, die einen bei der fiesta plötzlich auf die Tanzfläche zieht und später erzählt, daß sie zwei Söhne im Krieg gegen die Contras verloren hat. Aber sie sei arm, und deshalb Sandinistin!

Menschliche Begegnungen

Es gab natürlich auch unglaublich viel zu lachen und zu feiern, und wir haben viele tolle Leute kennengelernt, die einfach menschlich waren, und so mußte der eine oder andere Ar-beitstag leicht verkatert begonnen werden. Und als dann plötzlich die Zeit vorbei war, hatten wir Nicaragua verdammt lieb gewonnen. Der Abschied von den Menschen, mit denen man vier Wochen lang gelebt, gearbeitet, gefeiert und diskutiert hatte, kostete einige Tränen. Doch auch nach der Fahrt ist mehr geblieben als nostalgische Erinnerungen.

... und der alltägliche Mangel

Allgegenwärtig ist das Gespräch mit dem Bürgermeister von San Francisco Libre, der uns erzählte, daß 15 000 Mark fehlen, um Saatgut für die nächste Ernte zu kaufen. Gleichzeitig kann man lesen, daß die EU jährlich 3 Mrd. Mark für die Vernichtung (!) von Lebensmitteln ausgibt. (Es lebe der real existierende Kapitalismus!). Auch der riesige Glaspalast von Mercedes Benz in Managua inmitten von Wellblechhütten brachte uns zu der Überzeugung, daß es wirkliche Veränderungen nicht ohne Veränderungen in den Industrienationen geben wird. Hier in Europa und in Nordamerika sitzen das Geld und die Macht, die Nicaragua und so viele andere Länder aufkaufen, ausbeuten und verhungern lassen. Wir wollen nun weiterhin dafür sorgen, daß nachhaltige Entwicklungen für die Menschen – und nicht für den Weltmarkt – in Nicaragua und anderswo möglich sind.

Viva Nicaragua Libre! Viva la Revolucion!

Wer mehr über die Arbeit des Nicaragua-Vereins erfahren möchte, wende sich an Udo Brüning, Staustraße 8, 26122 OL, Tel. (0441)27012, E-mail: bruening @ nwn.de

 

 
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