Oldenburger STACHEL Ausgabe 11/98      Seite 1
 
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Bezirksregierung "prüft" Sozialpolitik

Der Spagat zwischen verminderten Einnahmen und steigenden Ausgabeverpflichtungen nimmt in Oldenburg zu wie allerorts. Nun hat der Druck, unter dem die Stadt steht, einen neuen, dramatischen Ausdruck gefunden:

Das Kommunalprüfungsamt der Bezirksregierung Weser-Ems hat in der Zeit vom 3.3. bis 6.6.97 eine überörtliche Prüfung bei der Stadt als Schwerpunktprüfung im Sozialamt vorgenommen. Indem sie Kritik an Absprachen zwischen dem (gewählten!) Rat der Stadt und der Behörde übt, greift sie (als nicht gewählte Behörde!) in die Politik des Rates ein und macht Inhaltliche Vorgaben. Hier drei Beispiele:

Fahrpreisermäßigung für Sozialhilfeempfängerinnen

Das Prüfungsamt bemängelt die Fahrpreisermäßigung für SozialhilfeempfängerInnen - dies sei eine freiwillige Leistung und gehöre deshalb zum Einsparpotential. Solches dürfte dem durchschnittlichen Ratsmitglied und auch der Verwaltung bekannt sein.

Die Erwähnug im Prüfungsbericht verzerrt aber den Blick auf den Haushalt: Die Fahrpreisermäßigung (1995 waren es 200000DM) sind Teil der sogenannten freiwilligen Leistungen im sozialen Bereich von insgesamt 1,5-2Mio. DM - gleichzeitig wurden allein für die Weser-Ems-Halle 7Mio. DM freiwillig ausgegeben.

"Aufgabenüberschneidungen"

Weiterhin weist das Prüfungsamt darauf hin, daß es nach seinem Empfinden sowohl innerhalb der Verwaltung als auch bei den Mitteln für Dritte Aufgabenüberschneidungen gebe, und hebt damit auf die Bezuschussung von ALSO und DONNA 45 ab: Es gebe doch schon durch das Sozialamt ein Beratungsangebot und eine Frauenbeauftragte. Entweder ist es dem Prüfungsamt entgangen, daß die Frauenpolitik von der Stadtregierung als eigener Bereich gewollt wird, oder aber man hält diesen grundsätzlich für überflüssig und wegrationalisierbar (bei den 4 Unterzeichnenden des Berichts handelt es sich übrigens ausnahmslos um Männer).

Kontrolle der Lebensumstände Bedürftiger

Das Prüfungsamt macht noch mehr Vorschläge zu Vorgehensweisen, die zwar formal Sache des Sozialamtes sind, üblicherweise jedoch in einem Diskussionsprozeß zwischen Politik und Verwaltung entwickelt werden: So wird der massive Einsatz von Kontrolleuren vermißt, die beispielsweise durch Hausbesuche oder agentenähnliche Überwachungsaktionen die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme von Sozialhilfe überprüfen. Außerdem ist man der Ansicht, daß grundsätzlich bei ErstantragstellerInnen eine Überprüfung der Lebensumstände vor Ort stattfinden sollte. In Oldenburg finden derlei Aktionen bisher nur in begründeten Ausnahmefällen statt.

Mit dem Kommunalprüfungsamt mischt sich hier eine neue Stelle mit einer einseitig finanzorientierten Sichtweise in eine alte Diskussion ein. In Oldenburg gibt es die Übereinkunft, daß ein solch rabiates Vorgehen wesentlich mehr Schaden als Nutzen brächte, es wäre eine schamlose Art mit der Scham von Anspruchsberechtigten Geld einzusparen: Die Hürde, zum Sozialamt zu gehen, wäre für viele noch höher als jetzt schon - die verdeckte Armut, die nach Schätzung der Wohlfahrtsverbände schon jetzt über 20 Prozent liegt, stiege weiter an.

Auch diejenigen, die Armut nur als finanzielles Problem anerkennen können, sollten etwas weiter denken: Haben sie doch keine Probleme, das Konzept des sogenannten "volkswirtschaftlichen Umwegnutzens" im Falle der Weser-Ems-Halle zu verstehen (jedeR BesucherIn der Halle konsumiert irgendwas irgendwo in Oldenburg und stärkt damit die Stadt). Sozialhilfe beziehen zu müssen, ist für die meisten Betroffenen hart genug, diesen Weg aber noch steiniger zu machen, indem man mit dem öffentlichen Finger auf sie zeigt, bedeutet letztlich eine noch größere Not. Die Freude über kurzfristige Einsparungen wird gerade im Falle der immer stärker betroffenen Kinder und Jugendlichen zu einem brutalen Bumerang, wie die Kriminalitätsentwicklung zeigt. Der "volkswirtschaftliche Umwegnutzen" einer restriktiven Sozial(hilfe?)politik ist eindeutig negativ.

Die Stadt darf sich durch eine solche Überprüfung nicht in den politischen Würgegriff zwingen lassen. Wo und wie Geld ausgegeben bzw. eingespart wird, muß weiterhin Sache des Rates bleiben! Politik muß machbar bleiben!

Berndt Zabel

 

 
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