Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/98      Seite 7
 
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Schöne Bescherung im Spielzeugland

Weihnachtszeit. Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben: Kinder stehen wie paralysiert vor der bunten glitzernden Spielzeugware, Eltern hetzen höchst herzinfarktgefährdet und paketüberladen durch die Innenstädte und die deutsche Spielzeugindustrie freut sich angesichts der kaufwütigen Kundschaft.

Macht sie doch allein zwischen November und Januar mit all den Barbie-Puppen, funkgesteuerten Autos und allerlei bunten Plüschtieren knapp die Hälfte ihres Jahresumsatz (1996: 5,8 Mrd. DM).

Leere Regale und volle Kassen hierzulande...

So gesehen könnten am "Heiligabend" alle zufrieden sein: die Kinder haben ihre ersehnten Spielzeuge, die Eltern zufriedene Kinder und der Handel leere Regale und volle Kassen.

Wenn da nicht in der Spielzeugindustrie die "rücksichtslose Ausbeutung" der Arbeiterinnen und Arbeiter in Fernost wäre.

... Pfennig-Stundenlöhne und Vergiftungen für die ProduzentInnen in Fernost

Vergiftungen durch gefährliche Chemikalien, unzureichender Arbeitsschutz, exessive Überstunden und Pfennig-Stundenlöhne, die weit unter dem vorgeschriebenen Mindestlohn liegen, sind laut dem Bischöflichen Hilfswerk Misereor nur einige Aspekte der Billigproduktion von Spielzeug in China, Vietnam, Thailand und anderen Ländern Asiens. Diese Vorwürfe belegen auch verschiedene Studien, wie etwa die der Menschenrechtsorganisation Asia Monitor Resource Center vom Januar 1996.

"Nicht nur die Geschenke im Blick haben..."

"An Weihnachten", so Klaus Piepel von Misereor, "sollten wir nicht nur an die Geschenke für unsere Kinder denken, sondern auch das Schicksal derer im Blick haben, die diese Dinge für uns herstellen." Misereor will daher erneut die vorweihnachtliche Besinnlichkeit nutzen und fordert den Handel auf, die Arbeitsbedingungen bei ihren Lieferanten zu überprüfen.

Tatort: Spielzeugindustrie

Insbesondere die der asiatischen Spielzeuglieferanten. Denn mittlerweile beträgt der Anteil Südostasiens an den deutschen Spielzeugimporten 45%, allein aus China kommt fast ein Drittel.

Und auch der bundesdeutsche Dachverband der Weltläden hat mit der Aktion "Made in dignity - Hergestellt in Würde" die "unfairen Spielregeln" des Welthandels im Visier. Mit ihr machen die Weltläden seit Jahren in der Republik auf die Hintergründe des (Spielzeug-) Handels aufmerksam und sezten sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern ein.

Freiwillige Selbstkontrolle als Lösung?

Immerhin, zumindestens beim europäischen Verband der Spielwarenindustrie fanden sie mit ihrer Forderung offene Ohren. Nicht zuletzt auf Druck der kritischen KundInnen hat dieser 1997 eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Einhaltung sozialer Mindeststandards in der Spielzeugindustrie formuliert, die auch von den deutschen Firmen, die aus China importieren oder dort produzieren, unterzeichnet worden ist. "Allerdings fehlen dort sowohl fundamentale Arbeiterrechte wie das Recht auf Gewerkschaften als auch eine Überprüfung der Arbeitsstandards durch unabhängige Kommissionen", beklagt sich Markus Freiauff, Geschäftsführer des Dachverbandes.

Fast unglaublich, aber wohl wahr

Einen Schritt weiter ist da die amerikanische Spielzeugkette "TOYS'R'US". Aufgeschreckt durch die "Made in dignity" - Aktion ist dort seit Sommer 1997 ein Verhaltenskodex für die Lieferanten in Kraft, der u.a ein Verbot von Kinderarbeit, die Einhaltung lokaler Arbeitsgesetze und vor allem die Gewährleistung von Gewerkschaftsfreiheit vorsieht. Zudem alles unter Kontrolle von unabhängiger Seite. Wird dieser Kodex konsequent umgesetzt, allemal ein Novum in der Spielzeugbranche.

Die "echte Alternative"

Der Dachverband will sich aber nicht nur auf das Verfassen von Protestnoten an die großen Spielzeugkonzerne beschränken. Freiauff verweist auf die über 700 bundesdeutschen Weltläden, die schon heute seiner Meinung nach beweisen, daß ein "anderer, fairer Handel" möglich ist. Ein Handel, der den ProduzentInnen neben "fairen Preisen" weitgehende Sozial- und Umweltstandards ermöglicht, den "unnötigen" Zwischenhandel ausschaltet und Produkte vor allem von "KleinproduzentInnen oder Produktionsgenossenschaften" bezieht.

Von der Unerreichbarkeit der Ninterdo-Generation

Natürlich auch Spielzeug, daß, so Frieauff, in "Hülle und Fülle" in den Weltläden vorhanden ist. Das Angebot - vorwiegend Tierfiguren, Brettspiele, Stoffpuppen, Holzpuzzles und -autos - spricht dabei aber wohl eher die Kleinen unter den Kleinen an; die Nintendo-Generation scheint da Lichtjahre entfernt. Sie zu erreichen erinnert an Don Quichote's vergeblichen Kampf gegen die Windmühlen. Und auch angesichts der unübersehbaren bunten (Plastik-) Spielzeugwelt, der enormen Werbetats einiger Spielzeugriesen und eines Marktanteiles der Weltläden von nur einigen Prozenten, stellt sich die Frage, ob sich die zumeist ehrenamtlich geführten Weltläden in der hektischen Kaufsamkeit der Vorweihnachtszeit überhaupt ein Gehör verschaffen können.

Verdient hätten sie es. Die ProduzentInnen allemal. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit.

Marco Klemmt

Hier wird gehandelt!:

Die Weltläden in Oldenburg und Umzu

Oldenburg

weltladen "tierra"

im "welthaus oldenburg", Friedensplatz 2

"Dritte Welt"- Informationszentrum & Laden, Auguststr. 50

Weltladen / Ökumenische Zentrum, Kleine Kirchstraße 3

Eine Welt Laden der KHG, Unter den Linden 23

Ökumenischer Eine Welt Laden Osternburg, Bremer Str. 28

Edewecht

Eine Welt Laden, Holljestr. 11

Rastede

Eine Welt Aktionskreis, c/o Herr Besser, Süderender Weg 25a

Wardenburg

Eine Welt Laden, Gartenweg 5

Westerstede

Eine Welt Laden "Äquator", Lange Str. 9

Manuskript für: "STACHEL", (Dezember 1998)

 

 
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