Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/98      Seite 13
 
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Radio-Frequenzen für Oldenburg

"Weder Weichei noch Schwuler"?

Kapitulation vor der Homophobie oder schlicht Ignoranz?

Eine Antwort auf "Männer gegen Männergewalt. Oldenburger Beratungsstelle im Aufbau.", Stachel Nr. 195, 11/98, S. 12

So sehr ich die Initiative "Männer gegen Männergewalt" begrüße, so sehr erschrak ich gleichzeitig beim Lesen der Projektvorstellung im letzten Stachel. Ich hoffe, hier ist einiges einfach noch nicht durchdacht, andernfalls wird mir Angst und Bange. Zum Jungenprojekt heißt es im Schlußsatz: "Das Jungenprojekt ist darauf angelegt, Jungen diese Zusammenhänge (zwischen dem Ideal der "hart seins" und Gewalt, AS) deutlich zu machen, ihnen aufzuzeigen, welchen Preis sie für dieses Verhalten zahlen müssen und wie sie sich in Zukunft auch in ihren Emotionen (also nicht nur "cool", Anmerkung AS) zeigen zu können, ohne als ‘Weichei’ oder ‘Schwuler’ dazustehen." Danke auch. Was soll diese Distanzierung von "Weicheiern" oder "Schwulen". Ist Mann also doch hart (eben nicht weich) und prinzipiell heterosexuell?

Einmal unsanft aufgewacht, las ich den Absatz zum Jungenprojekt noch einmal, und wurde nur noch kritischer. Zu Beginn wird geklagt, daß Junge nichts über "männliche Identität" lernen könne, da die Väter ja doch überwiegend abwesend seien. Was bitte soll denn diese "männliche Identität" positiv ausdrücken? Geht es darum, auf die Kritik des Feminismus an den Männern so zu reagieren, daß Männlichkeit lediglich modernisiert und neu definiert wird, jetzt unter Einschluß des Zeigens von Emotionen (selbstverständlich heterosexuellen)? Wird damit nicht zum einen die Dichothomie "männlich" – "weiblich" einerseits lediglich in modernisierter Form verfestigt, ohne andererseits aus patriarchalen Dominanzmustern ausbrechen zu können? Jeder Mann, mag er noch so sehr unter der Dominanz anderer Männlichkeiten zu leiden haben, profitiert doch letztlich auch vom Patriarchat. Und eine Auseinandersetzung gerade damit klingt in der kurzen Projektbeschreibung nicht an.

"Männliche Identität" kann ich mir nicht positiv gefüllt vorstellen. Natürlich gibt es männliche Identität(en), doch sind sie alle Produkte des Patriarchats, nichts, was erhaltenwert wäre. Im Sinne einer Überwindung des Patriarchats muß es aus meiner Sicht doch gerade darum gehen, männliche Identitäten in Frage zu stellen und zu verunsichern – und schließlich zum Verschwinden zu bringen – so sehr wie selbst auch in unsere "männliche Identität" verstrickt sind. Wer "männliche Identität(en)" propagiert, befürwortet notgedrungen auch "weibliche Identität(en)" und hält somit an der Zweigeschlechtlichkeit der Gesellschaft fest.

Und was soll die Beibehaltung der Distanzierung von Schwulen? Schon jetzt ist Männlichkeit immer noch als heterosexuell definiert, und die Abwertung von Schwulen ist ein wichtiger Mechanismus bei der Aufrechterhaltung von Männlichkeit(en). So, wie in der Projektdarstellung formuliert, kläuft es doch lediglich darauf hinaus, die Grenze zwischen erlaubtem heterosexuell-männlichem Verhalten und schwulem, letztlich unmännlichem Verhalten zu verschieben, dem erlaubt-männlichen noch ein paar Verhaltensmuster hinzuzufügen, die bisher als "schwul" außen vor blieben. Doch wo läuft dann die Grenze? Beim Kuß unter Männern, beim Austausch von Zärtlichkeiten, oder ...? Wozu diese Grenze überhaupt da sein soll, bleibt mir – zumindest wenn ich nach positiven Formulierungen suche– schlicht schleierhaft. Oder wird Junge eben doch nur zum Mann durch die sexuelle Orientierung auf die Frau?

Es geht hier nicht darum, die Notwendigkeit von Jungenarbeit in Frage zu stellen. Ganz im Gegenteil. Doch was nützt eine Jungenarbeit, deren Ziel es ist, neue (richtige – allerdings jetzt inhaltlich anders gefüllt) Männer zu produzieren – hart (denn keine Weicheier) aber mit der Fähigkeit, Emotionen zu zeigen – aber dennoch nicht schwul? Sorry, auf Männer (und Jungen), die diese Ausschlußkriterien weiterhin zur Beschreibung ihrer männlichen (und nicht menschlichen) Identität brauchen, kann ich verzichten. Davon haben wir schon jetzt zu viele...

Andreas Speck

 

 
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