Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/99      Seite 3
 
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"Stadtleitbild" oder Stadtleidbild -

250000 DM zum Fenster raus

Mit großem Getöse wird von OB Pöschel ein "Stadtleitbild" für Oldenburg gefordert. CDU und FDP setzten sofort nach und forderten statt der Im Haushalt von SPD und Grünen bewilligten 100 000 DM die zweieinhalbfache Summe einzusetzen. Jetzt bahnt sich ein Kompromiß an, danach sollen die von Pöschel geforderten weiteren Gelder in den Folgehaushalten eingestellt werden. Aber was ist überhaupt ein "Stadtleitbild" und wozu ist das notwendig ?

Zwei Planungsbüros bewerben sich zur Zeit um die Auftragsvergabe. Liest man ihre Bewerbungsschreiben, so findet man dort viele schöne Worte, die vor allem sehr modern klingen: Es geht jetzt nur noch ,innovationsfreudig und dialogorientiert" zu, das alles wird in einem ,konsensorientierten Kommunikationsprozeß" entwickelt, dabei wird ein ,straffes Prozeßmanagment" angewandt (Zitate aus dem Angebot der Fa. Forum) oder aber es wird ausgehend von einem "Prozeßdesign" in einen ,Fundus (Baukasten von Prozeßbausteinen, Methodenh und Verfahren)" gegriffen und dann werden "Kernstrategien und Aktionsfelder definiert," im Rahmen des "Prozeßfortschrtts" werden "Feedbackschleifen" zwischen Arbeitskreisen und Plenum gebildet, alles natürlich mit einem ,ganzheitlichen und gesamtstädtischen Planungsansatz" (Zitate aus dem Angebot der Fa. Cima).

Wer jetzt immer noch nicht weiß, was das ganze soll, wird vielleicht von den Ausführungen der Fa. Cima überzeugt, die ihren Moderationsprozeß von dem bereits in Oldenburg erfolgreich angelaufenen Agenda 21-Prozeß abzugrenzen versucht: Dort heißt es, im kommunalen Agenda-Prozeß würden "überwiegend homogene Kräfte" mit einer starken Orientierung auf Umwelt- und Naturschutz agieren, das Kriterium der Nachhaltigkeit sei dort schon vorgegeben, während bei einem Cima-geleitetem Moderationsverfahren, die "Akteure" erst die Inhalte bestimmen würden, zu Beginn des Prozesses stehe ein "unbeschriebens Blatt". So viel Offenheit muß mißtrauisch machen, zumal es an anderer Stelle heißt: "Im Mittelpunkt des Leitbildes steht die Ökonomie der Stadt." Anders gefragt: Wie soll denn ein Zukunftsbild der Stadt aussehen, das nicht dem Grundsatz der Nachhaltigkeit entspricht, das also nicht so entwickelt wird, daß auch noch nachfolgende Generationen auf dieser Erde halbwegs verträglich leben können?

Das ganze Verfahren um das Stadtleitbild nährt den Verdacht, daß hier ein Gegenprojekt gegen die Lokale Agenda 21 aufgebaut wird. Zunächst mit wohlklingenden Formulierungen ummantelt wird im Ergebnis wohl nichts anders als ein reines Marketing-Produkt der Oldenburger Geschäftswelt entstehen. Das wirkliche Leitbild "Oldenburg ist eine Einkaufsstadt" steht nämlich schon fest und ist auch nicht besonders überraschend. So heißt es z.B. auch in dem bereits entwickelten Leitbild der Stadt Wolfsburg. ,Einkaufen in Wolfsburg soll Spaß machen." Den Drahtziehern des Stadtleitbildes geht es offensichtlich darum, die ganze Stadtentwicklung dieser Prämisse unterzuordnen, um dann für die Forderung nach weiteren Parkhäusern für die Innenstadt eine scheinbar wissenschaftliche Arumentationshilfe bereit liegen zu haben.

Oldenburg scheint richtig rückständig zu sein, wenn es noch kein Leitbild hat. Anders dagegen die Stadt Wolfburg, in deren Leitbild, eine 25-seitige Hochglanzbroschüre mit vielen Bildern, zu lesen ist, daß in dieser Stadt ,zukunftsorientierte Lösungen entwickelt und gelebt werden" und daß die Stadt eine "Diversifizierung der Produkt- und Dienstleistungspalette von VW" erreichen und ihre wirtschaftliche Monostruktur überwinden will. Bedurfte es für derartige Erekenntnisse eines Stadtleitbildes? Und hat die Stadt überhaupt einen Einfluß auf die Produktpalette des größten Atomobilkonzerns Europas ?

Daß das ganze Leitbild eine Ansammlung von Trivialitäten wird, das aus dem Stadtsäckel teuer bezahlt werden muß, scheinen auch die potentiellen Autoren und ihre Förderer zu wissen. Als Herr Kremming von der Fa. Cima von der Olli-PDS-Fraktion angerufen wurde, weil die Fraktion ein Leitbild einer anderen Stadt haben wollte, für die die Cima bereits gearbeitet hat, räumte dieser Herr am Telefon ein, daß ihr Endprodukt "für Außenstehende banal und etwas dünn wirken" könne. Auch Herr Hentschel vom Fachbereich Wirtschaftsförderung der Stadt meinte auf die Frage, ob in dem Stadtleitbild nicht etwas drin stehen werde, was man ohnehin schon weiß: "Das ist immer so der Vorwurf, daß sich da einige mit einer bestimmten Sprachregelung eine goldene Nase verdienen wollen" - in Wirklichkeit sei das aber nicht so...

Hans-Henning Adler

 

 
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