Oldenburger STACHEL Ausgabe 4/99      Seite 6
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Ökostrom - Umweltschutz ist jetzt meßbar

Die Allmacht der EWE ist vorbei. So sagt es jedenfalls das Energiewirtschaftsgesetz in seiner Änderung vom April letzten Jahres. Hatte bisher der örtliche Stromversorger, bei uns eben die EWE, das Sagen wo der Strom herkommt, so könnte das jetzt jeder für sich selber. Das heißt, daß sich jeder Haushalt in Oldenburg einen Stromlieferungen nach seinem Geschmack suchen könnte. Doch scheint das oft bekundete Interesse an Strom aus Regenerativen Quellen ein Lippenbekenntnis zu sein, denn der Verbrauch von Ökostrom ist jetzt meßbar. Hatte die EWE bei einer Marktanalyse noch festgestellt, daß 47% aller Kunden bereit wären einen Mehrpreis für sauberen Strom zu bezahlen, so sieht das Kundenverhalten ganz anders aus. Ganze 300 Kunden von 1 Million versorgter Haushalte konnte die EWE inzwischen für ihre Tochter EWE-Naturwatt gewinnen. Ist dieses noch verständlich, da der alte Umweltschützer der PreussenElektra-Beteiligung EWE nicht über den Weg traut, so muß das Ergebnis einer Umfrage bei anderen unbelasteten Anbietern doch zu denken geben. Auch hier sind es nur sehr wenige, die sich auf die vorhandenen Anbieter verteilen. Greenpeace hat darauf reagiert und ihre Aktion Stromwechsel, die ca. 60.000 Absichterklärungen bundesweit ergab, bereits mit Kompromissen gespickt. Bei der Ausschreibung, wer die Adressen der Interessenten bekommt, wird eine Preiserhöhung von max. 20% vorgegeben. Strom aus Kraftwärmekopplung, also rein fossil, kann zu 50% einfließen und inwieweit das Stromeinspeisegesetz (StromEinG) berührt werden darf, ist nicht geregelt. Greenpeace handelt damit im Sinne der Darstellbarkeit als erfolgreiche Kampagne zwar folgerichtig, doch sind die Vorgaben gemessen an den sonst gestellten Forderungen für eine Energieversorgung der Zukunft bereits ein Armutszeugnis. Unternehmen wie die Naturstrom AG (NATAG) mit Sitz in Düsseldorf, die reinen Strom aus Regnerativstromanlagen liefern, werden es schwer mit ihrem Angebot haben. Von der NATAG eingehaltenen Randbedingungen, die auf die Erhaltung des Stromeinspeisegesetzes achtet, ausschließlich Neuanlagen in die Stromerzeugung aufnimmt und das für nur 8 Pf die Kilowattstunde Aufpreis, stoßen zwar auf viel Zustimmung, aber auf wenige Kunden. Auch die Wahl des Strom der Naturstrom AG zum Ökolga-Produkt des Jahres 98 in Oldenburg scheint daran wenig zu ändern. Doch neben der reinen Ernüchterung über Absichtserklärungen und ihrer Folgenlosigkeit tragen diese meßbaren Kundenzahlen auch ein großes Gefahrenpotential in sich. Zunehmend verweisen die Vertreter der Energiekonzerne (mit und ohne Atom) darauf, daß es für Naturstrom keinen Markt gebe und die Zwangsabgabe des StromEinG für regenerative Energie ohne gesellschaftliche Zustimmung erfolge. Die Politik, die im Parlament oder außerhalb für die erneuerbaren steht, gerät zunehmend in die Defensive. Und der billige Allheilsbringer Atomstrom als Klimaretter wird schon nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand neu ins Gespräch gebracht. Diesmal nicht in Deutschland, sondern von dort, wo die deutschen Behörden keinen Zugriff haben. Ein Dammbruch droht.

Bleibt nur festzustellen, daß die vielbeschworene Kundenmacht beim Strom möglich ist, doch leitet sich diese Macht von machen ab, nicht von "es gut finden".

Thomas Myslik

 

 
  Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum