Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/99      Seite 1
 
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Kirchenasyl in Osternburg: "Gefängnis unter Freunden"

Seit Mitte April befindet sich die kurdische Familie Aslan aus Emden in Oldenburg im Kirchenasyl. Die fünfköpfige Familie (Vater mit vier Kindern) kam damit einer Abschiebung in die Türkei zuvor, die von der Stadt Emden angedroht worden war. Um die Familie Aslan kümmert sich ein UnterstützerInnenkreis, der sich jeden Mittwoch im Gemeindehaus der Kirchengemeinde Osternburg, Bremerstr. 28, trifft (19.00 Uhr Andacht, ab 19.15 Uhr UnterstützerInnenkreis). Da es keinerlei staatliche Unterstützung mehr gibt, wird um Spenden für das Kirchenasyl auf das Konto der ev.-luth. Kirchengemeinde Osternburg gebeten: Konto-Nr. 023-405 483 bei der LzO, BLZ: 280 501 00, Stichwort "Asyl". Am Mittwoch, den 16.6.99, findet um 20.00 Uhr im Gemeindehaus eine Veranstaltung mit Film und Diskussion über die Menschenrechtslage in der Türkei und Kurdistan statt. Alle Interessierten sind eingeladen. Mit Bahattin Aslan, dem ältesten Sohn der Familie, sprach A. Heinze.

Frage: Zunächst einmal: Wie geht es Euch?

Wir können wohl sagen, daß es uns nicht besonderes gut geht. In Wirklichkeit geht uns zur Zeit sogar ganz schlecht. Wir fühlen uns wieder so, wie wir uns in der Türkei damals gefühlt haben. Wir haben Angst und sind unruhig, daß man uns in die Türkei, in das Land, in dem wir so schlecht behandelt worden sind und aus dem wir vor sieben Jahren bzw. vier Jahren nach Deutschland geflohen sind, abschieben wird. Aber worüber wir uns hier freuen, ist, daß es Leute gibt, die sich um uns kümmern.

Frage: Was macht Ihr den ganzen Tag über?

Was ein normaler Mensch eben so macht. Wir stehen meistens früh auf, so um 8.00-8.30 Uhr. Obwohl wir spät ins Bett gehen, können wir nicht lange schlafen vor Sorge und Angst. Nach dem Frühstück lesen wir meistens die Zeitung Özgür Politika, um zu erfahren, was so in der Heimat passiert. Wir haben immer Dienstag-, Donnerstag- und Samstagnachmittag um 15.00 Uhr ein Treffen mit den Leuten aus der UnterstützerInnengruppe. Dazu kann auch jeder andere kommen (Anmerkung: Gemeindehaus, 1. Stock). Die Tage gehen fast gleich vorbei. Manchmal, wenn wir benötigt werden, helfen wir gerne in der Gemeinde mit. Wir würden aber gerne ab und zu mal rausgehen dürfen. Das ist hier genauso wie in einem Gefängnis, allerdings ein "Gefängnis unter Freunden". Man läuft ständig zwischen vier Mauern hin und her.

Frage: Wie kam es dazu, daß Ihr aus Emden nach Oldenburg ins Kirchenasyl gekommen seid ?

Wir haben jahrelang in Emden gelebt, solange unser Asylverfahren lief. Wir haben dort viele Bekannte und Freunde. Meine Geschwister sind dort zur Schule gegangen, ich hatte eine Ausbildung begonnen, die ich fast beendet habe. Im April stand dann unsere Abschiebung an. Wir hatten große Angst davor, so daß wir über die Möglichkeit des Kirchenasyls nachgedacht haben. Unsere Freunde haben in Emden bei Kirchengemeinden nachgefragt, aber in Emden gibt es bereits ein Kirchenasyl, so daß wir in anderen Orten die Kirchengemeinden befragt haben. Schließlich hat uns eine Gemeinde in Oldenburg aufgenommen, die schon vor zwei Jahren beschlossen hatte, Leute in Schutz zu nehmen, wenn sie vor ihrer Türe stehen. So kam es, daß wir, so wie wir vor Jahren aus der Türkei unter Angst geflohen sind, diesmal mit Angst aus Emden abgereist sind.

Frage: Warum seid Ihr aus der Türkei geflohen?

Wir sind Kurden und stammen aus Nusaybin. Die Stadt liegt an der syrischen Grenze. Wir haben als Familie immer wieder die kurdische Befreiungsbewegung unterstützt, indem wir z.B. Informationen weitergegeben haben, Wäsche von Guerillakämpfern gewaschen haben und Guerillakämpfern zu essen gaben. Die türkischen Anti-Terror-Einheiten haben mehrmals aus diesen Gründen nicht nur meine Eltern, sondern auch uns Kinder geschlagen, um Informationen über Aktivitäten unserer Eltern zu erfahren. Mein Vater erhielt dadurch die Krankheiten, die hier zur Zeit immer noch unter ärztlicher Aufsicht behandelt werden müssen. Meine Mutter, die am 25.04.97 in Emden starb, erhielt durch die Folter ein Milzriß. Die Ärzte mußten danach die Milz herausoperieren. Ich selbst bin durch die Hizbullah bedroht und einmal sogar für drei Tage entführt worden.

Frage: Was passiert Euch bei eine Rückkehr in die Türkei?

Unser Haus in Nusaybin wird immer noch von Spezialeinheiten der türkischen Armee regelmäßig "besucht" und durchsucht. Dort leben noch mein Opa und mein Onkel. Sie werden von den Soldaten nach unserem Aufenthaltsort befragt. Mein Vater würde bei einer Rückkehr festgenommen und eventuell zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt werden. Für mich und für einen meiner Brüder liegen Einrufungsbescheide für das türkische Militär vor. Wir beide gelten zur Zeit als fahnenflüchtig. Bei einer Rückkehr würden wir sofort zum Kriegsdienst eingezogen und zur Front geschickt werden, damit wir gegen andere Kurden kämpfen.

Frage: Welche Möglichkeiten habt Ihr noch, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen und somit das Kirchenasyl zu verlassen ?

Vor fast einem Jahr schon ist eine Petition an den Niedersächsischen Landtag geschickt worden, mit der Forderung nach einem Aufenthalt für uns aus humanitären Gründen. Außerdem liegt beim Oldenburger Verwaltungsgericht eine Klage vor, um die Möglichkeit für ein Asylfolgeverfahren zu bekommen. Mitte Juni setzen sich die Innenminister der Länder zusammen und werden über eine sogenannte Altfallregelung entscheiden. Sie soll für Flüchtlinge gelten, die sich seit mehreren Jahren in Deutschland aufhalten. Mein Vater kam Anfang 1992 in die Bundesrepublik, daher hoffen wir, daß auch er unter diese Regelung fallen wird.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Euch!

 

 
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