Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/99      Seite 5
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Wir müssen alle sparen

Finanzminister Eichel schwingt den Bettelstab. Milliarden Mark müsse der Bund einsparen, das sei sicher. Von einem Minus von 30 Mrd. DM ist die Rede. Alle müßten Opfer bringen, besonders aber der größte Posten des Berliner Haushalts: der Sozialetat. Seit Jahren hört mensch es immer wieder: normale Menschen wie du und ich, Familien mit Kindern, Arbeitslose, Lohnabhängige mit einem geringen Einokmmen, sind dem Land eine echte Plage. Sie liegen dem Staat auf der Tasche, wollen immer auf Kosten anderer leben, müssen überwacht werden, damit sie sich nicht ungerechtfertigt zu viel Zahlungen erschleichen.

Sie verhindern angeblich auch, daß Deutschland ein potenter Wirtschaftsstandort wird. Die armen, vom globalen Sturm gebeutetelten Unternehmen müssen sooo viele Sozialabgaben zahlen und können nicht konkurrieren... Aus Hannover, Düsseldorf und München ertönt dann auch die entsprechende Begleitmusik: Nicht nur Sparbeschlüsse müßten her, sondern eine echte Steuerreform, die den Firmen Kosten erspare.

Propaganda

So oft auch dieses Lied ertönt, wahrer wird es dadurch nicht. Die großen Unternehmen profitieren von den öffentlichen Einrichtungen und dem Sozialstaat in vielfältiger Weise, haben aber immer weniger dafür bezahlt. Immer mehr Reichtum hat sich in den vergangenen Jahren in wenigen Händen angesammelt, Steuern wurden dafür kaum oder gar nicht bezahlt. Finanziert werden Tornados, Autobahnen, Raumforschung, Zuschüsse für Industrieansiedlungen, Gymnasien, Universitäten und alles andere zum allergrößten Teil von denen, die wenig davon nutzen können - den "kleinen Leuten". Die heutige öffentliche Armut ist eine Folge des faktischen Steuerboykotts der Millionäre und Milliadäre. Sie sind die wahren Kostgänger des Staates. Nur - sie tun dies meistens ganz legal, nutzen die Schlupflöcher, die die Gesetze ihnen bieten. Zu Beginn ihrer Regierungszeit wollten SPD und Grüne davon noch einige stopfen und so das Bundesminus verringern. Nun kreist nur noch der Sparhammer.

Steuerboykott - ganz legal

Vor zwanzig Jahren haben die Betuchten dieser Republik noch 37,4 Milliarden Mark Einkommenssteuer an die Staatskasse abgeführt - heute sind es nur 6,5 Milliarden, Tendenz fallend. Kapital- und Unternehmensste uern verringerten sich im gleichen Tempo. Würde der alte Zustand wieder hergestellt, hätte Eichel seine 30 Milliarden.

Während die einen statt wie früher Schulen heute lieber Investmentfonds fördern, müssen die anderen einen immer größeren Teil ihres Verdienstes in den öffentlichen Rachen werfen: Vor 1980 zahlten die Lohnabhängigen unter 100 Milliarden DM Lohnsteuern; 1997 nahm das Finanzamt 300 Milliarden DM Lohnsteuern ein.

Börsengewinne - reine Privatsache

Die Aktienkurse stiegen nach der deutschen Einheit fast zehn Jahre lang, und auch heute steht der DAX immer noch auf historisch hohem Niveau. Die Unternehmensgewinne explodierten, die Zahl der Millionäre und Milliadäre nahm ungewöhnlich schnell zu, riesige Vermögen sind ererbt worden. Das Bruttosozialprodukt von 1998 ist etwa dreimal so hoch wie das von 1978. Doch vor dem Finanzamt sind die Reichen arm. Mehr als 800 Milliarden Mark sollen die Deutschen am Staat vorbei in Steueroasen verschoben haben, schätzt die Deutsche Steuergewerkschaft.

Ein Investor, der 1993 eine Million Mark in den DAX anlegte, besaß fünf Jahre später ein Vermögen von 3,7 Millionen Mark. Wenn er die Aktien verkauft, kann er den Gewinn von 2,7 Millionen Mark kassieren, ohne dafür einen Pfennig Steuer zu zahlen. Wer 1980 eine Allianz-Aktie kaufte, hat bis 1998 eine Wertsteigerung von 2700 Prozent erzielt, steuerfrei.

Bitte ein Almosen von 1% !

Sylvester 1997 verfügten die Deutschen über Grundstücke, Häuser und Geldvermögen im Wert von 14 Billionen DM (zwölf Nullen!>. Davon gehört ungefähr die Hälfte Kleinsparern und Häuslebauern. Doch rund sieben Billionen Mark gehört den wirklich Vermögenden, die allein von den Zinsen gut leben könnten. Würde unser neuer Finanzminister Eichel diese Hälfte mit einem Prozent jährlich besteuern, hätte er 70 Milliarden Mark Mehreinnahmen - müßte also nicht 30 Mrd. DM sparen, sondern könnte mit 40 Mrd. DM - z.B. an die Börse gehen... Die Hoffnung, daß SPD und Grüne dazu gebracht werden könnten, solche sozial gerechten Lösungen anzustreben, wird wohl ein Wunschtraum bleiben. Aber kommen sie euch noch mal mit Floskeln wie "gerechte Lastenverteilung" und "Jeder muß sich am Sparen beteiligen", dann faxt ihnen doch diese Seite des STACHELS zu... Mit solchen Phrasen sollen sie uns nicht mehr behelligen!

(Zahlen nach "Doktern am Sozialstaat" von Ch. Nürnberger in SZ 31.5.99>

achim


Impressum
Diese Veröffentlichung unterliegt dem Impressum des Oldenburger Stachel. Differenzen zur gedruckten Fassung sind nicht auszuschließen.
Nachdruck nur mit Quellenangabe, Belegexemplar erbeten.

 

 
  Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum