Oldenburger STACHEL Ausgabe 3/00      Seite 3
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Aufruf Ostermarsch Oldenburg 2000

Trotz alledem! Aufbruch zu einer friedlichen Welt und Intervention "von unten"

Erstmals nach dem zweiten Weltkrieg, nach dessen Ende "Nie wieder Krieg!" kollektives Gelöbnis der Deutschen war, dem niemand widersprechen mochte, hat Deutschland sich direkt an einem Angriffskrieg beteiligt. Dies ist vielfältiger Rechtsbruch und ein Einschnitt von ungeheurer Tragweite. Der Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebiets zum Angriff auf Jugoslawien verletzte eindeutig das Grundgesetz (Art. 26 GG, Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges), da keine Ermächtigung durch den UNO-Sicherheitsrat und auch keine kriegerische Handlung von Jugoslawien gegen die NATO-Mitgliedstaaten vorlag. Es war auch ein Bruch des den der deutschen Vereinigung zu Grunde liegenden "Zweiplus-Vier-Vertrages" und der Charta der Vereinten Nationen. Der Rückgriff auf das "Recht des Stärkeren" markiert, zumal in der psychologischen Wirkung, einen erschreckenden Rückschritt. Die Schwelle zur militärischen Durchsetzung von machtpolitischen Interessen wurde ein erhebliches Stück heruntergesetzt.

Das Zerbomben der Städte und der Infrastruktur Jugoslawiens mit dem Einsatz von Uranmunition, Splitter- und Streubomben und ökologischer Kriegsführung war Terror und bewusste Strategie der NATO. Leid Tragende war, sollte sein und ist die Zivilbevölkerung im Kosovo und Serbien.

Die von der NATO propagierten "humanitären Ziele" waren Vorwand. In Wirklichkeit ging es darum, die NATO, losgelöst von völkerrechtlicher Bindung, als konkurrenzloses Instrument zur Durchsetzung der "Neuen Weltordnung" mit einer entfesselten Weltökonomie unter dem Führungsanspruch der USA zu etablieren. Damit ist eine international gestaffelte Hierarchie zwischen den Nationen und Regionen gemeint. Die Kern- und Führungsmächte sollen dem nach aus reichen Industriestaaten der NATO und der Europäischen Union bestehen. Umgeben sollen sie sein von politisch und ökonomisch schwachen Ländern (z.B. Ungarn, Kroatien), die von Krediten und militärischer Hilfe der Reichen Nation abhängig sein werden und sich so zu "Marionettenstaaten" instrumentalisieren lassen.

Wie das Vorgehen der NATO gegenüber der Bevölkerung in Kosovo und Serbien während der Intervention in den Kosovo-Konflikt, ist im gleichen Maße das brutale Vorgehen Russlands in Tschetscheniens zu verurteilen. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung führt Russland gegenwärtig Angriffe auf Wohnhäuser, Dörfer, Raffinerien und sonstige Infrastruktur Tschetscheniens durch. Diese Taktik, zusammen mit dem weit gehenden Ausschluß der internationalen Presse aus den umkämpften Regionen und einer Kontrolle der Nachrichten, ähneln stark der Vorgehensweise der NATO während des Krieges gegen Jugoslawien. Hier wie dort werden die GegnerInnen zu "unmenschlichen Bösewichte" stilisiert, die nur die Sprache der Gewalt verstehen und dem entsprechend einen militärischen Einsatz ihnen gegenüber als "unvermeidbar", als "legitim" erscheinen lassen sollen.

Seit dem Ende des kalten Krieges hat die Zahl der zu Kriegen eskalierten innerstaatlichen und internationalen Konflikten global zugenommen. Die weltweit über nationale Grenzen vernetzte Friedensbewegung verurteilt jede auch innerstaatliche Anwendung militärischer Gewalt, gleichgültig, ob sie in Kurdistan oder in Tschetschenien geschieht. Politische, ökonomische und ethnische Konflikte sind mit Militäreinsätzen nicht zu lösen. Sie erfordern die Intervention durch von nationalen Interessen unabhängiger, ziviler Kräfte und Institutionen, die eine friedliche und gerechte Lösung von Konflikten schaffen können.

Das Festhalten der NATO an der Option des atomaren Erstschlages, die fortbestehende Stationierung großer Atomwaffenarsenale - auch auf deutschem Boden - und die Errichtung Milliarden von Dollar verschlingender Raketenabwehrsysteme im Weltraum stellen bestehende internationale Abrüstungsverträge in Frage und sind dazu angetan, neues atomares Wettrüsten auszulösen. Die Weichen werden also auch weiterhin auf Militarisierung der Politik gestellt, und Deutschland ist dabei eine treibende Kraft.

Die Macht der Medien wird bewußt oder unbewußt in den Dienst der neuen Kriegspolitik gestellt. Sie verursacht bei einem großen Teil der deutschen Bevölkerung gegenüber der fortschreitenden Militarisierung Zustimmung oder mindestens Duldung mit Betroffenheit weckenden Bildern, mit einer weit gehenden Ausblendung der Auswirkungen der Kampfhandlungen auf die Zivilbevölkerung und mit dem Verzicht auf eine kritische Analyse von Konflikt- bzw. Kriegshintergründen. So halfen sie auch während des ausufernden Bombenkrieges gegen Jugoslawien den in Legitimationsschwierigkeiten geratenen Verantwortlichen den Krieg moralisch zu rechtfertigen. Fiel eigentlich niemanden auf, daß die Flüchtlinge aus dem Kosovo praktisch nie zu Wort kamen und die als Nachrichten verkauften "Gerüchte" der NATO über beispielsweise Massengräber oder Konzentrationslager bis heute nicht bestätigt sind?

Keine Kampfpanzer für die Türkei!

In eklatantem Widerspruch zur Präambel im Koalitionsvertrag ("Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik") erweist sich rot-grüne Politik als Kriegs- und von wirtschaftlichen Interessen geleitete doppeldeutige Machtpolitik. Während die Verbrechen des jugoslawischen Staates an Menschenrechten und Minderheiten mit einem Angriffskrieg bestraft wurden und als Rechtfertigung für eine deutsche Kriegsbeteiligung dienten, wird eine ähnliche Repressionspolitik des NATO-Partners Türkei mit Waffenlieferungen belohnt. Es ist schon lange Tatsache, daß in der Türkei ein grausamer Krieg gegen die Kurden geführt wird. Tausende von Dörfern wurden zerstört und über drei Millionen Menschen vertrieben - viele sind nach Deutschland geflüchtet -. Mißhandlungen, Folter und Mord durch staatliche Stellen sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen immer noch an der Tagesordnung. Benutzt wurden und werden dort maßgeblich deutsche Waffen.

Die rot-grüne Regierung handelt wie ein Arm der Rüstungslobby: Panzer statt Menschenrechte. Mit dem Beschluß zur Lieferung eines Testpanzers Leopard II an die türkische Armee und der Option auf 1.000 dieser Kampfpanzer hat sie das größte deutsch-türkische Waffengeschäft der Geschichte eingeleitet. Dazu kommen Chemiewaffenlabore, Fregatten, Minensuchboote und viele weitere Waffen. Der Export deutscher Waffen wird den Rüstungswettlauf in der Region anheizen, die ohnehin gespannten türkisch-griechischen Beziehungen weiter belasten und die Verschwendung der Mittel fördern, die die Menschen in der Türkei für den Aufbau des Landes nach Krieg und Erdbebenkatastrophe dringend benötigen. Eine ernst gemeinte deutsche Friedenspolitik würde bedeuten, auf Waffenlieferungen zu verzichten, sich für einen türkisch-kurdischen Dialog und ein Ende des Krieges, für Demokratisierung, Achtung der Menschenrechte und Minderheiten, sowie ethnische Gleichberechtigung in der Türkei einzusetzen.

Frauen an die Waffen? Ein weiterer Schritt in der Militarisierung der Gesellschaft

Gerade mal drei Monate ist es her, daß vor dem Europäischen Gerichtshof der "große Durchbruch" gelang - der Spruch, daß auch in Deutschland Frauen der Dienst mit der Waffe nicht verwehrt werden darf. Nach den ersten Jubelschreien über diesen besonderen "Beitrag zur Gleichberechtigung", aus mehreren politischen Ecken, ist es bedenklich still geworden um das Thema "Frauen in der Bundeswehr".

Gleichberechtigung und Gleichstellung auf allen Ebenen unserer Gesellschaft wird Frauen nach wie vor verwehrt. Wenn Männer aber auch eine Reihe von Frauen, die ansonsten mit der Gleichstellung nichts am Hut haben, plötzlich bei der Beschäftigung von Frauen in der Bundeswehr "schwach werden", dann ist das nicht nur merkwürdig. Dahinter steckt die Absicht, den Wunsch und das Recht von Frauen auf technisch anspruchsvolle Arbeitsplätze zur Legitimation der Bundeswehr generell zu mißbrauchen. Frauen haben in erster Linie das Interesse, Lohnungleichheiten zu beseitigen und Arbeitsplätze - auch technisch anspruchsvoller Art - angeboten zu bekommen. Auch Frauen haben den Wunsch, gleichberechtigt in der Gesellschaft, Familie und Beruf zu sein. Durch einen Militärdienst sind größere Berufschancen aber keineswegs gegeben.

Die Bundeswehr ist und bleibt vor allem ein militärischer Apparat. Durch eine "Macho - Gleichberechtigung" in einer immer mehr aufgerüsteten Militärmaschinerie machen sich Frauen zu Akteurinnen dieses Apparates und erklären sich zu aktiven Teilnahme an Kriegen bereit. Emanzipation ist mehr als die Erlaubnis, alles tun zu dürfen, was Männer tun (müssen).

Demgegenüber fordern und rufen wir auf, weiterer Militarisierung unserer Gesellschaft jegliche Unterstützung zu verweigern und kreativen Widerstand zu leisten.

Eine Welt ohne Krieg, ohne Militarismus und ohne Waffen ist und bleibt unser Ziel.

Darum rufen wir zur Teilnahme am Ostermarsch 2000 auf.

Es rufen bisher auf:

PDS Oldenburg, DFG-VK Landesverband Niedersachsen/Bremen, die JungsozialistInnen Oldenburg, DKP, SDAJ, Gruppe "Helm ab!", Ortsverband 6 SPD, Arbeitskreis Asyl, Schülervertretung NGO, Gruppe Anton, Grüne Linke Hochschulgruppe (GrüLiLi), Solidarität International, Arbeitskreis Sozialdemokratischer Frauen...

Ostermarsch 2000

11.00 Uhr: Auftakt-Kundgebung in Eversten am Kriegerdenkmal an der Hauptstraße

Marsch

12.30 Uhr: Lefferseck, Hauptrednerin ist Gudrun Pausewang

 

 
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