Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/00      Seite 13
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Ein Buch voller Träume

Heide Lorek: Manchmal. Gedichte. Mit Illustrationen von Wolfgang Karl.

Geest-Verlag 2000 ISBN 3-934852-13-0 14,80DM ( auch als CD erhältlich)

"Ach, laß mir / Meine Träume - / Sie sind alles, / Was ich hab'-// Wie ein Hauch/ Ist unser Leben-/ Wie ein Augenschlag/ Der Tag?

Dieses kleine, achtzeilige Gedicht der Autorin Heide Lorek aus Jübek kennzeichnet den Grundtenor der Arbeiten dieses, im kleinen Oldenburger Geest-Verlag vorgelegten Gedichtbandes. Momente des unendlichen Glücks, der Trauer, der Sehnsucht, des Schmerzes, der Hoffnung und Angst entfaltet die Autorin mit sorgfältigst gearbeiteter Sprache, mit einer einfühlsamen Poesie, die an längst vergangene Zeiten der Lyrik erinnert, von denen die Literaturkritik glaubte, daß sie zwischen den Härten der sozialen Wirklichkeit keinen Platz mehr finden könnte.

Doch scheint ein Umbruch in der Lyrik im Entstehen zu sein. Die Wiederentdeckung der Poesie der Sprache, die Kraft einer neuen Ästhetik (Benjamin) wird gegen eine kommerzialisierte und entmenschlichende Wirklichkeit gestellt. Heide Lorek steht hier nicht allein. Mit anderen männlichen und weiblichen Lyrikern (Namen wie Cornelia Eichner, Anant Kumar, vor allem die Ukrainerin Marjana Gaponenko seinen hier genannt) strömt eine neue poetische Begeisterung ins Land. Auch Heide Lorek verschließt dabei mit einer begeisternden, sehr verständlichen, daher wirklich für jeden (der sich einlassen will) zugänglichen Bildsprache keinesfalls die Augen vor der sozialen Wirklichkeit. Sie erfaßt in sehr tiefer, emotionaler Weise die Wirkung einer sich veräußernden Welt - Die Neonlichter brüllen / In Deine frustrierte Seele - auf das Individuum, erkennt die Gefahr der menschlichen Isolation und Zerstörung, einer entsetzlichen Mauer, die die Seele des Menschen an den Rand des Daseins führt. Wer spürte noch nicht diese Ängste, diese Einsamkeit in der Alltäglichkeit seines Lebensablaufs? Jedes Gedicht erfaßt den Leser in den wichtigen Momenten seines eigenen Lebens.

Heide Lorek bietet keine Lösungen gegen diesen Zustand, doch sie läßt - nicht zuletzt aus der Poesie ihrer Lyrik - einen Optimismus erwachsen. "Die Mauern stürzen - / Und all die trocken / Gewordenen Tränen / Ertränken die Schmerzen / Der verlorenen Jahre - / Geben der Hoffnung Raum-'.

Tränen, bei Heide Lorek und auch bei anderen Autoren/Autorinnen sind eines der zentralen Motive. Wir scheinen am Amfang einer nachbürgerlichen Empfindsamkeit angelangt. Tränen, die, wie bei Heide Lorek, die Schmerzen ertränken, aus denen man neue Hoffnung formt, sind Bilder dieser neuen, positiven Emotionalisierung. Die Kunst des Wortes darf wieder entstehen, darf seine Wirkung auf den Hörer ausüben.

Wolfgang Karl unterstützt - im übrigen wie auch Heide Lorek selbst mit ihren Photographien - mit seinen Bildern (illustriert wirkt hier als zu untergeordnete Begrifflichkeit) dieses Streben nach einem ästhetischen Neubeginn. Harmonische und heitere Bilder, der ständige Versuch des Ineinandergreifens von Konkretem und Abstrakten, bieten - mit der Auflösung der Formen hin zu einer neuen, ausdrucksstarken ästhetischen Geschlossenheit des Positiven, der Kraft des Neuen auf der Basis des sich auflösenden Alten - dem Betrachter vielfältige Formen der Einfühlung, nehmen Momente der Lyrik auf, verdichten sie noch einmal, bieten noch weitere Gesichtspunkte, erschließen die neue Ästhetik über das Auge. So entsteht ein geschlossenes Kunstgebilde, fließen Bild und Sprache zu einer neuen Poesie zusammen.

Nicht anderes auf der gleichnamigen CD, auf der die Lyrik Heide Loreks mit Musik verbunden wird. Ein andere, nicht weniger gelungene Form der Verstärkung der Poesie der Sprache, der neuen, aufbrechenden Innerlichkeit.

Volksfest 5 - das gesellschaftliche Literaturmagazin

 

 
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