Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/00      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Akteneinträge bestimmen Lebensweg

Indirektes politisches Berufsverbot vom Arbeitsamt

In der vorigen Ausgabe berichtete der Oldenburger STACHEL, mit welchen Methoden Karl Kraus seitens des Arbeitsamtes Oldenburg in den letzten Jahren übel mitbespielt wurde. Karl hat sich nunmehr einen Ausdruck seiner in der elektronischen Datenverarbeitung gespeicherten Einträge angesehen.

"Komischer Typ"

So steht es dort in einem Vermerk von 1981 zu lesen. Leider hat das Arbeitsamt "vergessen", hinzuzufügen, daß der Mitarbeiter, von dem dieser Eintrag stammt, strafversetzt wurde - nicht auf Grund solcher Akteneinträge.

Auch der nächste Eintrag ist ein deutlicher Wink für MitarbeiterInnen in der Arbeitsvermittlung: "Es will sich bei + beschweren, weil ...". "+" steht für den Direktor des Arbeitsamtes, mit dem DAMALS nach dem Eindruck von Karl ein gutes Gespräch stattfand. Darüber verfaßte dieser ein Gedächtnisprotokoll, welches der "Leistungsakte" beigefügt wurde. Dort befindet sich dieses allerdings nicht mehr - bleibend ist der fast 20 Jahre alte Eintrag im Computer. Warum nur "merkt" sich das Arbeitsamt so Lapidares, während wichtige Aussagen über Qualifikationen sogar gelöscht werden?

Ist die "politische Einstellung" wichtig bei HandwerkerInnen?

Wie er auch immer entstanden sein mag, der Eintrag von 1987 ist im Computer und er bleibt im Computer: "Auf Grund der ... politischeÄnÜ Einstellung ... Äist die VermittlungÜ sehr fraglich." Unter aktenkundigem Rechtfertigungsdruck bleibt an dieser Stelle festzustellen: Karl war und ist in keiner Partei und von Beruf Handwerker. Auch hat er keinesfalls zur Gewalt aufgerufen oder gar zum Umsturz. Doch er betreibt eigenständiges Denken. Das allerdings ist eine Eigenschaft, die in Handwerk und Wirtschaft erwünscht ist.

Wer einmal beim Arbeitsamt anstand, weiß, wie wenig Zeit für sogenannte Beratungs- bzw. Vermittlungsgespräche zur Verfügung steht. Hat der Arbeitsberater tatsächlich politische Gespräche mit Karl geführt statt zu vermitteln? Das ist kaum zu glauben. Und wieviel Zeit hatte dieser Arbeits"berater", um eine komplexe Aufgabe zu lösen, wie es die Erfassung der politischen Einstellung seines Gegenüber bedeutet hätte?

Das Arbeitsamt formt Schicksale: Schleichendes Berufsverbot!

Wie auch immer die Ursprünge solcher Einträge sein mögen, sie sind sachfremd, unprofessionell und unzulässig. Die Folgen sind eindeutig: Karl ist trotz guter abgeschlossener Berufsausbildung immer noch erwerbslos.

Stellenangebote bekam er so gut wie keine. Dokumentiert sind in der Akte für einen Zeitraum von fast zehn Jahren sieben(!) Angebote seitens des Arbeitsamtes. Darunter waren völlig veraltete Vorschläge und lange besetzte Stellen. Oder solche mit Anfahrzeiten, daß mensch lieber in der Arbeitsstelle übernachtet hätte statt nach Hause zu fahren. Damals hatte Karl jedoch - wie auch vorher bereits dem Amt bekannt - ein kleines Kind und hat diese eine Stelle abzulehnen gewagt.

Alle Jahre wieder...

Doch das Arbeitsamt schreibt in dem Computer: "Er hat immer wieder Stellen angeboten bekommen, die nicht zum Erfolg führten."

Karl hat - wie im vorigen Stachel berichtet - in diesem Jahr als preiswerter Arbeitssklave - pardon - Praktikant gearbeitet. Jetzt erwartet er das nahezu jährliche Angebot des Arbeitsamtes.

Als Tip: Wer bei Behörden eigenartige Erlebnisse hat, sollte einfach mal Akteneinsicht beantragen sowie eine Übersicht, welche Daten überhaupt gespeichert sind. In der EDV Gespeichertes muß ausgedruckt werden.

Ein Hauch von Stasi

Karl wird allerdings nicht die Löschung der unzutreffenden und überflüssigen Einträge beantragen. Denn wäre heutzutage die Rolle der Stasi verständlich, wenn es 1989 mit der vollständigen Aktenvernichtung geklappt hätte? So ist vielleicht auch diese Akte als Dokument der Zeitgeschichte zu betrachten.

Gerold Korbus

 

 
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