Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/00      Seite 2
 
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Rettet unbedingt die Herbstzeitlese !

Außer dem Stachel ist nun auch die "Herbstzeitlese" als Zweimonatszeitung für Oldenburg und Umzu in große finanzielle Bedrängnis geraten. Mit der letzten Ausgabe für Nov./Dez. 2000 kündigt sie mit einem aufgedruckten weinenden Auge ihr Verschwinden von der Bildfläche an. Das ist allerdings ein Jammer, wenn dieses Blatt denen nicht mehr zur Verfügung steht, die es bislang so schätzten, vielmehr noch, denen die es so nötig hatten es zu lesen. War doch gerade diese Zeitung bislang in Oldenburg und den umliegenden Landkreisen für vor allem die älteren und vielmals alleinwohnenden Frauen und Männer geradezu "auf den Leib geschrieben". Für so manchen war dieser einzigartige Lesestoff nicht selten das notwendige Verbindungsglied zu ihren Mitmenschen da draußen vor der Türe.

Die vor ca. fünf Jahren vom "Werkstatt- Verein für Medienarbeit" in Oldenburg am Bahnhofsplatz herausgegebene "Herbstzeitlese" erschien im Zyklus von zwei Monaten und wurde kostenlos in der Stadt Oldenburg, Bad Zwischenahn, Rastede, Wiefelstede, Wardenburg, Hatten und GAnderkesee verteilt. Man konnte sie bei verschiedenen Bankfilialen, in Arztpraxen, Apotheken im Infozentrum und im PFL in mehreren Exemplaren vorfinden.

Nun soll es für sie "das Aus" sein. Und wieder, wie so oft in diesen Fällen, geht es ums schnöde Geld. Anfangs hatte das Arbeitsamt dem Verein für die Zeitung eine halbe ABM-Stelle bewilligt. Die Stadt Oldenburg entrichtete jährlich eine eher geringe Summe, um das Erscheinen zu ermöglichen. Ein Rest für die Finanzierung der Drucklegung wurde aus Einkünften durch Inserate in dieser Zeitung beschafft. Eigentlich fehlte am Ende über all die Jahre immer noch Geld, obwohl man die Mitarbeiterinnen im Redaktionsteam nicht bezahlte. Hier passierte nun folgendes: die Frauen verrichteten ihre Arbeit ohne Bezahlung, weil ihnen die Zeitung und die Leserschaft am Herzen lagen. Noch mehr, und man staune, Telefongebühren, Papier, Kugelschreiber, Spritgeld und alles was noch so anfällt im Redaktionsalltag (was allerhand ist, der sich auskennende Tipper), zahlten sie ebenfalls aus der eigenen Tasche. Nur der Chefredakteur als hauptamtlicher erhielt ein monatliches Entgeld, welches auch an der Armutsgrenze angesiedelt werden kann. Wer drucken läßt, muß bar zahlen, und das stand für das Team der "Herbszeitlose" ganz oben an.

"Das schmerzt uns: Wir können nicht mehr!". Hinter diesem Aufschrei zum Tschüß für die "Herbstzeitlese" verbirgt sich die wirkliche Tragik im Kampf um den schnöden Mammon. "An Themen mangelt es nicht, leider am Geld". So definiert die Redaktion ihre Situation. Dem Redaktionsteam kann man einerseits nur dankbar sein, gratulieren und Achtung davor haben, wie qualifiziert, kreativ und gekonnt sie die "Herbstzeitlese" erarbeitet, zusammengestellt und herausgebracht haben. Das gibt es nur sehr selten noch in unserer Gesellschaft. Die recht vielen Widersprüche derer, die Kapital in den Händen haben, sticht auch hiermal wieder ins Auge: Für den Eigennutz, das Geldanhäufen und in einem guten Licht zu stehen, wird von Banken und Bossen viel getan. Haarsträubend, für was nicht von wem alles Geld reingebuttert wird und für was nicht. Das geht quer durch unsere Landschaft und läßt sich oft nicht den vielgehörten Klagen in Einklang bringen. Da sind Komunen, Gewerkschaften und Politiker vor allem nicht ausgenommen. Die Alten in der Gesellschaft, und sie gehören ja zum Leserkreis der "Spätlese", sind all denen nicht mehr produktiv genug. Wenn es in einer demokratisch bezeicchneten Gesellschaft nur noch um Werte geht, die Geld einbringen und da heißen: jungsein (bis 35), straff und braungebrannt, dazu mit hochqualifizierter Ausbildung (high tech) und möglichst cool sein, dann ist das inhumane Zeitalter eingeläutet. Wir können nur Mut dazu machen, sich nur solchen Ansinnen nicht anzuschließen, sondern sich gezielt dagegen zu stemmen. Wir werden ja sehen und hören, wer sich in dieser Stadt zum Erhalt einer solchen Zeitung, wie es die "Herbstzeitlose" ist, vielleicht sogar dauerhaft fördernd einsetzt. Lassen wir uns mal überraschen !

Günther Holzeroth

 

 
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