Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/01      Seite 5
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Wo wir leben

Wir leben in einem Land, wo die Faschisten für das Demonstrationsrecht demonstrieren.

Dortmund, 21.10.2000 und wieder am 16.12.2000

Ein Demonstrationsrecht, wie sie es sich wünschen: Ihren Aufmarsch schützt die Polizei. Wer was dagegen machen will, wird eingekesselt, verhaftet, beschimpft, gefoltert. Die Polizei demonstriert, daß sie das Demonstrationsrecht der Faschisten durchsetzt.

Am 16.12. wurden 574 GegendemonstrantInnen bis zu fünf Stunden eingekesselt und in Gewahrsam genommen. Wie schon am 21.10. forderte die Polizei nicht dazu auf, die Demonstration zu verlassen, sondern kesselte sofort ein - diesmal die gesamte Demo und zu einem Zeitpunkt, an dem alles völlig friedlich vor einem Absperrgitter stand. Hinter uns wurde einfach kommentarlos die Straße dichtgemacht.

Nieselregen, 5 °C, nichts zu essen und zu trinken und keine Toiletten. Dann stundenlang in Handfesseln im ungeheizten Polizeibus. Hinter mir im Bus rief jemand aus einer Doppelzelle, daß der Junge neben ihm gleich ohnmächtig wird. Antworten der Polizei: "Dafür bin ich nicht zuständig!" und "Macht nicht so einen Krach!".

Ein Hauch von Faschismus live...

Die körperliche Unterkühlung war nach einigen Tagen Fieber aus den Knochen vertrieben, es bleibt die kalte Wut. Wenn wir gegen Faschismus demonstrieren, dann geht es nicht mehr nur um NPD-Aufmärsche. Dann geht es auch um diesen Staat.

In ihrem Aufnahmeantrag für die Vereinten Nationen versicherte die Bundesregierung 1973: "Das ausdrückliche Verbot von neonazistischen Organisationen und gleichfalls die Vorbeugung gegenüber neonazistischen Tendenzen folgen aus dem Grundgesetz mit der Wirkung, daß die von den alliierten und deutschen Stellen erlassene Gesetzgebung zur Befreiung des deutschen Volkes weiterhin in Kraft ist."

Ein Verbot nicht nur der NPD wäre nach den genannten Bestimmungen sofort möglich. Wenn statt dessen über allgemeine Einschränkungen von Grundrechten nachgedacht wird, dann können wir Vorfällen wie in Dortmund entnehmen, wie das gemeint ist und gegen wen es sich richtet.

Wieder soll gegen alle Ingewahrsamgenommenen wegen Landfriedensbruch ermittelt werden, obwohl es so gut wie keine Randale gab. Ein solches Ermittlungsverfahren führt dazu, daß man in eine spezielle "Landfriedensbrecher"-Datei des BKA aufgenommen wird. Der Eintrag wird bei Einstellung des Verfahrens nicht gelöscht und kann dazu führen, daß man bei späteren Kontrollen im Vorfeld von Demonstrationen mit einem Platzverweis rechnen muß. Vereinzelte Wurfgeschosse werden dafür benutzt, jeden Gegendemonstranten ab 14 Jahren zu kriminalisieren, während man gegen die Faschisten angeblich "nichts machen" kann, weil sie ihre Morde früher mal und später erst und ansonsten heimlich in der Nacht begehen.

Für den 3.3. hat die NPD wieder einen Aufmarsch in Dortmund angekündigt. Lassen wir uns nicht abschrecken! Es geht darum, ob hier das Demonstrationsrecht der Faschisten gilt oder eine breite Demonstrationsfreiheit auf antifaschistischer Grundlage. Das geht nicht nur die Leute im Ruhrgebiet an, nicht nur SchülerInnen oder Antifas - das geht uns alle an!

mai

 

 
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