Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/01      Seite 1
 
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Mobilfunkmasten gehen Menschen auf den Sender

Neue Technik bedarf neuer Gesetze?

In Oldenburg gibt es fünf neue Initiativen gegen Mobilfunkmasten. In Holtrop nahe Aurich hatte eine Initiative Erfolg: Die Antennenanlage wurde versetzt. In Delmenhorst wurden innerhalb von vierzehn Tagen 2500 Unterschriften gesammelt. Seitdem wurden dort zwei weitere Initiativen gegründet. Die Initiative in Flachsmeer macht weiter, ersten Mißerfolgen zum Trotz. In Wardenburg will die Kirche Geld verdienen. In Ostfriesland bleibt "der Finger Gottes strahlenfrei" (Rhauderfehner Generalanzeiger). In Frankfurt wird der Streitwert des Prozesses so hoch gesetzt, daß die Initiative aus Kostengründen aufgeben muß. Was ist nur los mit dieser Republik?

Warum werden solche Fragen nicht vorher geklärt?

Der Vorsorgegedanke ist nicht neu - im Baugesetz ist er verankert. Vorsorge bedeutet, mögliche Gefahren vor ihrer Entstehung zu verhindern. Doch bei den allermeisten stationären Mobilfunkanlagen ist das Baugesetz unbedeutend - denn Einrichtungen unterhalb einer Bauhöhe von 10 m werden von diesem Gesetz nicht erfaßt. Ungläubiges Staunen machte deshalb die Runde, als in der jüngsten Umweltausschußsitzung von der Stadtverwaltung die Zahl der ihr bekannten Sendeanlagen von 92 (schriftliche Vorlage zur Sitzung) noch auf 99 erhöht wurde. Es gibt lediglich für fünf davon einen Bauantrag - die restlichen sind "genehmigungsfrei", da unter 10 m Bauhöhe. (Es ist unbedeutend, ob sich unter einer solchen "genehmigungsfreien" Anlage ein hohes Gebäude befindet.)

Die EntscheidungsträgerInnen haben keine Ahnung, worüber sie entscheiden

Eine Erweiterung dieser baugesetzlichen Regelung würde letztlich keine wesentliche Verbesserung erwarten lassen. Abgesehen davon, daß diese Prüfung wenig mit der funktechnischen Relevanz solcher Anlagen zu tun hat, würden vermutlich die meisten MitarbeiterInnen in Baubehörden mit dieser Sache umgehen, wie der SPD-Vertreter im Umweltausschuß: Immerhin gab er offen zu, von der Thematik wenig zu verstehen und sich gerade erst etwas eingelesen zu haben. Doch seine Äußerungen wurden von den Anwesenden so aufgefaßt, daß es deshalb richtig sei, sich an den Auffassungen von Bundesregierung respektive Bundesamt für Strahlenschutz (das ist das Amt, das die Strahlen schützt, d.TipperIn) zu orientieren. Daß Dr. Ludewig vom Bund für Naturschutz BUND diese Positionen inhaltlich für unzureichend befand, um Mensch und Tier wirksam schützen zu können, kritisierte er.

Runder Tisch

Immerhin kam der Ausschuß zu der einhelligen Auffassung, daß es nicht - wie ursprünglich geplant - lediglich zu einer Runde von Politik, Betreibern und Verwaltung kommen soll. An dem Treffen, das für den 26.6. angesetzt ist, sollen auch Mitglieder der einzelnen BürgerInnen-Initiativen teilnehmen. Außerdem soll ein Kataster, also eine geographische Auflistung der Funkanlagen, für die Stadt Oldenburg erstellt werden. Denn selbst die 99 genannten Anlagen werden mit Sicherheit noch nicht alle sein, da die Meldepflicht für (aus bautechnischer Sicht) kleine Anlage seitens der Regulierungsbehörde an die Kommunen erst seit 1997 besteht.

Die Situation ist nicht neu:

Generelles Vorsorgeprinzip notwendig oder: Bitte erst die Landebahn bauen

Das vergangene Jahrhundert ist gefüllt mit Erfahrungen von Einführungen neuer Stoffe, die zunächst geradezu vergöttert wurden und sich später als Fluch herausstellten. Als Beispiel sei Asbest genannt. Deshalb ist nicht ein einzelnes Gesetz zu verbessern, weil hier aufgrund der besonderen Form der ausgesendeten Strahlung beim Mobilfunk ein ungeahntes Gefahrenpotential sichtbar wird. Generell ist für die gesamte technische Entwicklung eine Umkehr im Denken erforderlich. Bevor Dinge massenhaft auf den Markt geworfen werden, muß die Unbedenklichkeit sichergestellt sein. Selbst wenn es möglich sein sollte, das gesundheitliche Problem der Mobiltelefonie zu lösen, werden wir sonst bald erneut vor dem Problem stehen, das bei der Atomenergie noch nicht gelöst ist. Denn weltweit gibt es derzeit kein sicheres Endlager für den Rotz, der da auf Jahrtausende bleibt. Der frühere Landesvater von NRW - Kühn - benannte diesen Umgang mit der Welt und dem Leben: "Wir haben ein Flugzeug gestartet, doch wir haben keine Landebahn."

Das Problem der regelmäßigen Pulsung

Wer nicht hinsieht, wird bei der Betrachtung nichts erkennen. Wenn ausschließlich Techniker bei der Einführung einer neuen Technik zu entscheiden haben, werden biologische Belange zu kurz kommen. Wenn zusätzlich ein großes Geschäft zu wittern ist, sehen einige gern weg. Dieses Wegsehen ist so fatal wie sinnlos. Als Beispiel seien die Stroboskopeffekte genannt, die in Diskotheken verwendet werden.

Es kam immer wieder zu epileptischen Anfällen von DiskothekenbesucherInnen. Zyniker meinten, naja, die paar Leute, die das betrifft ... und wollten alles beim Alten lassen. Dabei lag die Lösung so nahe. Niemand braucht auf die Flackerei zu verzichten, die allerdings oft nicht als angenehm empfunden wird. Der Trick bestand darin, das Licht nicht regelmäßig flackern zu lassen. Unregelmäßig flackerndes Licht löst keine Anfälle aus.

Es geht nicht ohne Mobilfunk?

Das Gerücht von der bedingungslosen Notwendigkeit des Mobilfunks hören die Betreiber solcher Einrichtungen gerne. Doch das ändert am Problem nichts. Wie hat die Menschheit es nur bis in die Neuzeit geschafft ohne Mobilfunk? Die Behauptung, die KritikerInnen wollten in die Steinzeit zurück, ist so dumm, wie sie falsch ist: Sinnbildlich lebten wir ja gestern noch ohne Mobilfunk. War da die Steinzeit? Fakt ist, wer heutige Handys nutzt oder anruft, nimmt eine derzeit schwer abzuschätzende, jedoch große gesundheitliche Gefahr für sich und alles, was da lebt, in Kauf.

Liebe MitweltschützerInnen: Bitte nicht mobilfunken!

Es soll hier nicht darum gehen, ob mensch mal ein "Handy" in die Hand nimmt. Aber Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, wie dies selbst Greenpeace tut, wo dann nur noch Mobilfunknummern als Kontaktmöglichkeit genannt werden, ist mehr als problematisch. Denn das sendet zugleich das symbolische Signal: So schlimm ist das ja nun nicht. Obgleich es eine schriftliche Stellungnahme von Greenpeace Hamburg gibt, wonach die derzeitige Mobilfunktechnik durchaus als gefährlich betrachtet werden muß, will Greenpeace nicht von der Nutzung abrücken.

Das Flugzeug hat noch nicht abgehoben

Noch ist die derzeitige Mobilfunktechnik nicht so etabliert, als daß das soziale Leben nicht auch ohne funktionieren würde. Jetzt ist die Zeit der Entscheidungen für oder gegen eine lebensbedrohliche Technologie. Und die Chancen stehen nicht schlecht, daß anhand dieses Beispiels endlich eine Umkehr des Verfahrens der Etablierung von Neuerungen eingeführt wird. Möglicherweise liegt die Lösung ja so nahe wie bei den Diskoflackerlichtern. Denn es ist verfehlt, den KritikerInnen Maschinenstürmerei vorzuwerfen angesichts sich immer mehr offenbarender Gefahren. Es muß erst Langzeitstudien im begrenzten Rahmen geben, bevor etwas flächendeckend eingeführt wird.

Aber Vorsicht mit zu großer Hoffnung in einer Welt, in der es möglich ist, daß Material zur Füllung von Zahnschäden - sogenanntes Amalgam - mit erheblichen Anteilen von hochgiftigem Quecksilber als Heilmittel von den Krankenkassen bezahlt wird. Auf der anderen Seite muß die zahnheilkundige Person alles, was beim Füllen des Zahnes daneben fällt, mit äußerster Vorsicht in den Sondermüll tun. Vermutlich kommt von einigen jetzt der Vorwurf, das hat doch mit Elektrosmog nichts zu tun.

Doch, es hat! Abgesehen von dem hoffentlich nachvollziehbaren Gedanken zur Technikfolgenabschätzung ist bekannt, daß die metallenen Füllungen unter dem Einfluß von Elektrosmog das giftige Quecksilber in stärkerem Maße in den Organismus abgeben. Das Wissen darum betrifft niederfrequente Felder. Ist dieser Ansatz hinsichtlich Hochfrequenz - also Handy und Mikrowelle - schon beforscht worden? Oder heißt es wieder: Augen zu und durch. Es trifft ja nur die Armen, die sich keine teuren Füllungen leisten können. Doch das könnte sich als Irrtum erweisen. Denn hinsichtlich Senden und Empfangen funktioniert Gold prima. Viel Spaß also beim Funken! Wem die rechte Freude nicht kommen mag, ist bei einer Bürgerinitiative gern gesehen. Denn soviel materiell geleitete Dummheit und Ignoranz ist einfach nicht länger hinnehmbar. Nötigenfalls kann mensch die auch selbst gründen.

Gerold Korbus

Kontakte:

Umwelthaus Oldenburg, 04 41,1 36 60

Oldenburger Energierat, 04 41,5 23 33

Arbeitskreis Elektrosmog, 0 44 07,4 24

 

 
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