Oldenburger STACHEL Ausgabe 8/01      Seite 5
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Globalisierung und ATTAC

Erklärung, Kritik, Forderungen

Sven Giegold vom deutschen Attac-Netzwerk referierte auf Einladung der Grünen Linken Liste (GrüLili) zum Thema Globalisierung über die Funktionsweisen der globalen Finanzmärkte und ihre Wirkungen für Umwelt, Demokratie und soziale Gerechtigkeit in der ALSO.

Am 11.7. fand in der Oldenburger ALSO eine Veranstaltung der GrüLili (Grüne Linke Liste) zum Thema Globalisierung statt. Sven Giegold, Vertreter vom deutschen Attac-Netzwerk, referierte über die Funktionsweisen der globalen Finanzmärkte und ihre Wirkungen für Umwelt, Demokratie und soziale Gerechtigkeit.

Es geistert ein neuer Begriff durch die Medien: "Anti-Globalisierungs-Bewegung". Der Begriff ist falsch: es geht nicht gegen die "Globalisierung" im allgemeinen, sondern dagegen, wie immer skrupelloser eine Politik der sozialen Ungleichheit gemacht wird, die sich weltweit an den gigantischen Profiten einer kleinen Gruppe von Wirtschaftskonzernen orientiert, auf Kosten der riesigen Mehrheit der Weltbevölkerung, die immer ärmer und ohnmächtiger (gemacht) wird.

Mit der Drohung, auf einen anderen "Standort" oder der in eines der Steuerparadiese auszuweichen, verfügen multinationale Konzerne und KapitalbesitzerInnen über ein Erpressungspotential, mit dem sie die Politik demokratisch gewählter Regierungen und Parlamente ihren Bedingungen unterwerfen können. Die grenzenlose Freiheit der Kapitalflüsse führt zu einer wachsenden Instabilität der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Durch Finanzcrashs werden jahrelange wirtschaftliche Anstrengungen ganzer Volkswirtschaften über Nacht zunichte gemacht - und das trifft die Menschen, je ärmer, umso gravierender. Kleine und mittelständische Unternehmen können dem Druck der großen Firmen mit ihren Dumpingpreisen und aggressiver Werbung nicht standhalten. Die Arbeitslosigkeit wächst weltweit, während zugleich überall an der sozialen Sicherung gesägt wird. Erwerbslose, Kranke, Behinderte, Flüchtlinge, in ihrer traditionellen Rolle festsitzende Frauen und alte Menschen bleiben (auch im goldenen Westen) von den relevanten Informationen und technikgestützten Möglichkeiten oft ausgeschlossen - erst recht der Teil der Menschheit der ohnehin unter der Armutsgrenze lebt.

Die Kluft zwischen und innerhalb von Industrie- und Entwicklungsländern wächst und drängende ökologische Probleme werden verschleppt.

G8, WTO, IWF, Weltbank, Konzerne

Erfahrungsgemäß entladen sich die daraus wachsenden Spannungen und Ängste jedoch selten an der Adresse der tatsächlichen Ursachen, sondern eher in kleinteiliger Gewalt, Rassismus, Fundamentalismus, Ethnisierung und Stellvertreter-Konflikten.

WTO, IWF, Weltbank, G8 und die multinationals (transnationale Konzerne) sind die Adressen, die für diese Entwicklungen verantwortlich sind. Gegen sie richten sich die weltweit wachsenden Proteste. Seit einigen Jahren ist eine neue internationale Bewegung im Entstehen - gut vernetzt, von unten, die so viele gesellschaftliche Gruppen wie nie zuvor erreicht. Die Proteste gegen die WTO-Konferenz in Seattle, oder die Verhinderung des Multilateralen Investitionsabkommens (MAI) durch eine breite, weltweit getragene Kampagne zeigen, daß sehr wohl Einflußmöglichkeiten bestehen.

ATTAC the system...

Attac - in der Übersetzung aus dem französischen Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte - ist Teil dieser internationalen Bewegung. Ausgehend von Frankreich haben sich inzwischen in 26 Ländern viele Menschen und Organisationen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum zusammengeschlossen. Sie kommen aus der Ökologie- und Eine Welt-Bewegung, aus kirchlichen Kreisen und Gewerkschaften, aus der Friedens-, Frauen- oder Verbraucherschutzbewegung.

In Frankreich hat Attac bereits über 30 000 Mitglieder, darunter über hundert Parlamentsabgeordnete. Auch in der Bundesrepublik wächst die Bewegung. Einzelpersonen, lokale Gruppen und bundesweite Organisationen wie WEED, Pax Christi, der BUND und die größte deutsche Gewerkschaft ver.di sind Mitglieder des Netzwerks.

Attac setzt bei der Aufklärung und Information der Bevölkerung über weltwirtschaftliche Zusammenhänge an, arbeitet an konkreten Kampagnen und beteiligt sich am Protest bei internationalen Gipfeltreffen der Finanzwelt.

Derzeitige attac-Kampagnen in D

Kampagne: Für eine Devisenumsatzsteuer (Tobin Steuer)

Der überwiegende Anteil dieser Börsengeschäfte hat inzwischen spekulativen Charakter - auf den Devisenmärkten z.B. sind nur noch 2% der Geschäfte realwirtschaftlich begründet, 98% sind rein spekulativ. Etwa ein Drittel der transnationalen Kapitalverschiebungen und "Investitionen" besteht im übrigen aus Geschäften innerhalb ein und desselben Konzerns, und tragen damit nichts zur Entwicklung und Stabilisierung der beteiligten Volkswirtschaften bei.

Die Tobin Steuer wäre ein Einstieg in die Reregulierung der Finanzmärkte: auf jede transnationale Kapitalverschiebung würde eine kleine Steuer erhoben, die diese dementsprechend unattraktiver macht, je höher die Beträge sind. D.h. die Tobin Steuer wäre ein Mittel, dort anzusetzen, wo viel Geld ist, ohne zugleich langfristige Investitionen und Kleinunternehmen zu behindern, die Infrastruktur und Arbeitsplätze fördern und volkswirtschaftlich stabilisierender wirken. Viele Fachleute aus Politik, Gewerkschaften, Kirchen, NGOs und soziale Bewegungen befürworten die Steuer.

Kampagne: Stopp Steuerflucht

In Steueroasen und Offshore Bankzentren (Kleinstaaten, Inseln) werden jährlich immense Summen am Fiskus und den Aufsichtsbehörden vorbei transferiert. Unter den führenden Konzernen gehört es längst zum "erfolgreichen" Management, im eigenen Stammland keine direkten Steuern mehr zu zahlen. Gleichzeitig dient diese Kapitalflucht als Argument, auch bei uns Steuern auf große Kapitaleinkünfte und -vermögen zu senken (achja, der Standort...). Dieses Geld fehlt, um Armut und Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen und angemessen in Bildung, Umweltschutz und soziale Aufgaben zu investieren.

Kampagne: Weg mit der Privat-Rente?

Mit ihrem Rentenkonzept bricht die Bundesregierung mit dem Prinzip de solidarischen Alterssicherung und nimmt einen Systemwechsel vor: Die paritätische Teilung der Rentenbeiträge zwischen ArbeitnehmerInnen und Unternehmen wird zu Gunsten einer individuellen Risikoabsicherung aufgegeben. Die auf die Märkte strömenden Gelder privater Versicherer verstärken die Instabilität des internationalen Finanzsystems, und die Rente wird vom Auf und Ab der Börsen abhängig und damit krisengefährdet. Es ist zu befürchten, daß mit der Rentenreform weitere Privatisierungen der sozialen Sicherungssysteme - insbesondere im Gesundheitswesen - eingeläutet werden.

Weitere Themen

Weitere Themen, zu denen attac arbeitet sind das Verbot von spekulativen Derivaten und der hochspekulativen Hedge-Funds, die Schuldenstreichung für die Entwicklungsländer, die Strengere Banken- und Börsenaufsicht auch für die sog. institutionellen Anleger, die Stabilisierung der Wechselkurse zwischen den drei Hauptwährungen Dollar, Euro und Yen, die demokratische Umgestaltung internationaler Finanzinstitutionen sowie die stärkere Besteuerung von Kapitaleinkünften und großen Vermögen.

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0.5em Aufgrund der erfreulichen Resonanz auf den Vortrag plant die GrüLiLi, das Thema "Globalisierung" in einer losen Reihe von Veranstaltungen weiter zu verfolgen. Es gibt auch bereits Interessierte an der Gründung einer attac-Regionalgruppe! Potentielle MitmacherInnen können sich wenden an:

Attac-Deutschland, Artillerie(abschaffen) Straße 6, 27283 Verden, Tel. 0 42 31/95 75 91, http://www.attac-netzwerk.de

Interessenten zur Gründung einer örtlichen Attac-Gruppe in Oldenburg können sich bei Willi Lüpkes, Tel.: 7 60 97, Fax 1 63 94, melden. E-Mail: attac@org.oldenburg.de

 

 
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