Oldenburger STACHEL Ausgabe 8/01      Seite 15
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Skandalöser Arrest

für den Totalen Kriegsdienstverweigerer Kai S. in der Schwaneweder Kaserne

Ein Bericht von "NON SERVIAM"

Der vorläufig letzte Tag in Freiheit und freier Selbstbestimmung war für den Bremer Kai S. der 1. Juli 2001. Da er für den folgenden Tag zum Wehrdienst in die Lützow-Kaserne in Schwanewede einberufen worden war. Für den konsequenten Pazifisten Kai steht fest: Ich lehne jede Art des Kriegsdienstes - mit oder ohne Waffe - ab! Seit dem 2. Juli 2001 sitzt Kai nun in Bundeswehrarrest, der sich noch weit über achtzig Tage hinziehen kann.

Selbst im Arrest bin ich freier, als ein Soldat es je sein wird, so die Ansicht von Kai S. Doch der Arrest ist nicht nur sinnfrei sondern auch unzulässig, da nach der Dienstvorschrift Disziplinararrest nur verhängt werden darf, wenn von einer erzieherischen Wirkung auszugehen ist. Bei dem Pazifisten Kai ist dies augenscheinlich nicht der Fall. In seinem Arrestalltag sieht daß so aus: Kai werden Befehle erteilt. Mit Befehlen sind hier Weisungen, wie z.B. das Einkleiden gemeint. Er verweigert diese so genannten Befehle. Daraufhin wird er wieder vorläufig festgenommen, während sein Disziplinarvorgesetzter einen Arrestantrag an das Truppendienstgericht verschickt, dem dann auch stattgegeben wird. Anders als ein ordentliches Gericht, kennt dieses Militärgericht kein Recht auf Anhörung oder Verteidigung. Kais Vorgesetzte in der Schwaneweder Kaserne versuchen, sich aus der Verantwortung zu ziehen, indem Sie behaupten, nur gemäß ihrer Vorschriften zu handeln. In der Wehrdisziplinarordnung heißt es aber: Der zuständige Disziplinarvorgesetzte entscheidet alleinverantwortlich; ihm kann nicht befohlen werden, ob und wie er ahnden soll. So wird Schikanen gegenüber Kai und allen anderen Arrestierten Tür und Tor geöffnet.

Die Bedingungen im Bundeswehrarrest sind deutlich schlechter als im regulären Strafvollzug, wie es nun auch Kai am eigenen Leibe erfahren muß. Seine Zelle ist nur zwei mal drei Meter groß. In ihr befinden sich ein Tisch und ein Stuhl, sowie ein spartanisches WC. Jeden Morgen um halb sechs wird ihm die Pritsche hochgeklappt und um 21 Uhr wieder herunter gelassen. In zwei Meter Höhe gibt es ein winziges Fenster. Von der Decke hängt eine grelle Leuchtstoffröhre, die nur von außen ein- und ausgeschaltet werden kann. Kai hat eine Stunde Ausgang am Tag und eine Stunde Besuchszeit pro Woche. Kai hat täglich die Wahl, ob er seinen Ausgang für Spaziergänge auf dem Kasernengelände, oder zum Duschen nutzen möchte. Bundeswehrarrest bedeutet Haft unter Isolationsbedingungen. Ständig werden die ihn bewachenden Soldaten ausgewechselt, damit er ja keine Kontakt zu ihnen aufbauen oder gar seine pazifistischen Gedanken verbreiten kann. Hinzu kommen willkürliche Schikanierungen, wie zum Beispiel irreführende Rechtsbelehrungen. Kai wurde sogar vorübergehend ein Sprechverbot auferlegt, was einfach nur noch als menschenunwürdiges und -verachtendes Unrecht zu bezeichnen ist. Erniedrigend ist auch die erheblich verzögerte Aushändigung der Post. Die Bedeutung der Post ist nicht zu unterschätzen, da sie neben der Besuchszeit für Kai den einzigen Kontakt zur Außenwelt darstellt. Ein neuer Vollzugsoffizier hat jetzt angekündigt, Kais Post auf Wehrkraftzersetzendes zu kontrollieren. Mit weiteren Verschärfungen der Arrestbedingungen ist zu rechnen. Die heutige Behandlung von Totalen Kriegsdienstverweigerern (TKDVer) bei der Bundeswehr hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun und ist vielmehr eine Ohrfeige für Menschen- und Bürgerrechte, die die Bundeswehr ja angeblich zu verteidigen vorgibt. Sie versucht mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln inhaftierte Pazifisten klein zu kriegen.

Kai ist nicht allein: Pro Jahr werden in der BRD rund 40 bis 60 Totale Kriegsdienstverweigerer bekannt. Daneben gibt es aber noch schätzungsweise 100 bis 200 weitere, die der Öffentlichkeit nicht bekannt werden. TKDVer lehnen Kriegsdienst mit der Waffe ebenso ab, wie den zivilen Ersatzdienst. Denn auch der Zivildienst ist als Teil der Gesamtverteidigung eingebunden in die Wehrpläne der BRD und damit Kriegsdienst. Konkret bedeutet dies, daß Zivildienstleistende u.a. im Krieg für unbefristete Zeit zu kriegsunterstützenden Tätigkeiten herangezogen werden können. Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung (KDV) schließt nur den Dienst an der Waffe aus. Der Zivildienst ist daher nicht nur nach dem Gesetz, sondern seinem Wesen nach Erfüllung der Wehrpflicht. Wenn die Beweggründe doch sehr unterschiedlich sein mögen, die Mehrheit der TKDVer verweigert sich dem staatlichen Anspruch, über das Leben seiner BürgerInnen zu Kriegszwecken zu bestimmen. Durch die Reaktionen der Staatsgewalt legen sie den repressiven Charakter des Staates offen. Die TKDVer verstoßen gegen geltendes Recht. Das Grundgesetz schützt nur die Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe, nicht aber die Entscheidung gegen den Kriegsdienst an sich. So kann sich Kai schon einmal auf ein ziviles Strafverfahren wegen Fahnenflucht nach seiner Entlassung gefaßt machen.

Bei uns könnt ihr gerne mehr über die Situation von Kai erfahren und uns Post an ihn schicken. Wir bieten auch Beratung für TKDVer

NON SERVIAM! c/o Infoladen, St.-Pauli-Straße 10-12, 28203 Bremen, non.serviam@gmx.net

 

 
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