Oldenburger STACHEL Ausgabe 8/01      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Die Wahl der Qual

Alle fünf Jahre dürfen wir OldenburgerInnen uns einen Tag lang als Souverän unserer Stadt fühlen. Dann dürfen wir frei, gleich und geheim ein paar Kreuzchen machen, und so bestimmen, wer in den nächsten 1.825 Tagen in unserer schönen Stadt souverän schalten und walten darf.

Doch wem gebe ich meine Kreuzchen? Eigentlich wollte ich es mir diesmal ganz einfach machen, und mich auf den Standpunkt zu stellen: »Ist doch sowieso alles ein Filz - ich mach' Wahlboykott und fahr' nach Dangast, Kuchenessen!« Die Argumentation ist zwar einigermaßen stichhaltig, aber aus unverbesserlicher Hoffnung werde ich natürlich doch Wählen gehen. Zweiteinfachste Lösung wäre, ich wähle einfach dieselbe Partei wie letztes Mal. Obwohl? War ich mit denen zufrieden? Was haben die eigentlich die ganze Zeit gemacht?

OK, wenn ich schon wähle, dann will ich wenigstens wissen, was die, die ich wähle, in den letzten fünf Jahren in Rat und Verwaltung gemacht haben und was sie mir für die nächsten fünf Jahre versprechen. Also bin ich mich letzten am Samstag zu den obligatorischen Wahlkampfständen am Lefferseck gegangen und habe mir von den freundlichen WahlhelferInnen was erzählen lassen und mir die verschiedenen Wahlprogramme geholt. Und das Layout der Programme ist auch wirklich schön und innovativ. Aber wonach soll ich jetzt entscheiden? Um mir und den werten LeserInnen eine Entscheidungsgrundlage zu geben, habe ich einige Punkte zusammengestellt, die kommunalpolitisch wichtig sind, und bei denen sich die Parteien auch voneinander unterscheiden.

Punkt 1: Haushaltsloch

Die Stadt Oldenburg ist (milde gesagt) Pleite. Woraus sich zwei Aufgaben ergeben. Zum einen den Schuldenberg der Stadt abzutragen, zum anderen das kommunale Selbstverwaltungsrecht gegenüber der Bezirksregierung zu verteidigen. Was das Abtragen der Schulden angeht, so gibt es die beiden klassischen Ansatzpunkte: Steuern erhöhen und Ausgaben einsparen. Bei den Steuern, die die Stadt Oldenburg aus eigener Machtvollkommenheit erhöhen kann, handelt es sich (wenn mensch von Kleinvieh, wie der Hundesteuer, absieht) im wesentlichen um die Grund- und die Gewerbesteuer. Bei den Ausgaben gibt es da natürlich eine wesentlich breitere Palette von Möglichkeiten. Wichtig ist hier zu hinterfragen, wo genau die jeweilige Partei Ausgaben kürzen will und wo nicht. Eine Partei, die nur wenig kürzen will, sollte mensch fragen, was passiert, wenn schlicht und einfach zuwenig Geld da ist. Wo dann zuerst gekürzt werden soll. Es gibt nämlich die Tendenz, erst einmal allen alles zu versprechen, und, wenn dann (wie erwartet) zu wenig Geld da ist, die »böse« Verwaltung oder Bezirksregierung das Kürzen übernehmen zu lassen.

Was das kommunale Selbstverwaltungsrecht angeht, so hat die Überschuldung der Stadt dazu geführt, daß ihr teilweise die Finanzhoheit von der Bezirksregierung aus der Hand genommen wird. Unter dem Aspekt der föderalen parlamentarischen Demokratie in diesem Lande ist das natürlich unerfreulich. Spannend ist, wie die verschiedenen Ratsfraktionen in der Vergangenheit mit diesem Problem umgegangen sind.

Punkt 2: Verkehrspolitik

Die Verkehrspolitik ist und bleibt ein lokalpolitischer Dauerbrenner. Besonders die Frage, ob das Auto oder doch lieber Fahrrad und Bus gefördert werden sollen. Um den Parteien hier auf den Zahn zu fühlen, sollte mensch sie mal nach dem geplanten Innenstadtparkhaus fragen. Laut Verkehrsentwicklungsplan ist am Berliner Platz nämlich ein neues Parkhaus geplant, das mit 500 Plätzen etwa doppelt so groß werden soll, wie die heimelige Hochgarage von Horten (inzwischen Galeria Kaufhof). Die Folge von mehr Parkmöglichkeiten ist mehr Autoverkehr.

Punkt 3: Freizeitbad

Die Oldenburger Bäder, insbesondere das Hallenbad am Berliner Platz, sind überaltert. Deshalb soll, da ist mensch sich schon seit Jahren einig, ein neues kombiniertes Hallen-, Frei- und Spaßbad mit Sauna und allen Schikanen her. Die Frage ist nur: Wer soll es bauen und wer betreiben? Ratsmehrheit und Verwaltung setzten hier bisher auf eine Privatwirtschaftliche Lösung. Doch nun scheint sich das Konzept eines in kommunaler Eigenregie betriebenen Bades durchzusetzten. Warum so ein Spaßbad kommunalpolitisch wichtig ist? Zum einen hängen hohe Ausgaben und viele Arbeitsplätze dran, und zum anderen ist es natürlich auch ein Präzedenzfall für oder gegen die Privatisierung kommunaler Betriebe. (Und außerdem braucht Oldenburg endlich mal eine anständige Sauna! - d. T.)

Weitere Punkte

Irgend eine Regel sagt, mensch soll nie mehr als drei Punkte auf einmal nennen. Doch Kommunalpolitik besteht natürlich aus noch viel mehr, als den oben genannten Themen. Da wäre zunächst die Sozialpolitik zu erwähnen. Soll es einen Stadtpaß für Leute mit geringem Einkommen geben, der ihnen billigeren Eintritt in Theatern und ähnlichem verschafft? Wird z.B. die Beratungsarbeit der städtischen Behörden gekürzt und zugleich auch das Geld für die Initiativen, die diese übernehmen? Oder: Wie sieht es mit Kinderhorten und Krippen aus? Ein anderes Thema wäre das Engagement der Stadt gegen Rechtsextremismus und für die Rechte von Menschen ohne deutschen Paß. Konkret: Soll der bräunliche August Hinrichs Ehrenbürger der Stadt Oldenburg bleiben? Oder: Soll Oldenburg Flüchtlinge aufnehmen? Als letztes Thema sei der Umweltschutz genannt, wo derzeit der Bestand des Landschaftsschutzgebietes Weißenmoor/Südbäkeniederung gefährdet ist. Ach ja, und natürlich sei der Funkmast in Ohmstede nicht vergessen.

Tja, und was sagen jetzt die verschiedenen Parteien zu den einzelnen Punkten? Und welche wählt mensch? Da muß sich leider jedeR informieren und selbst entscheiden. Ich wollte nur ein paar Fragen an die Hand geben.

BeSch

 

 
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