Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/01      Seite 7
 
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Achtung Kamera!

Wie das Fernsehen lebhafte Diskussionen abtötet

Neugierig bin ich auf die Lesung von Prodosch Aich aus seinem neuen Buch "Der Aufrechte Gang" und begebe mich in den von der Sonne aufgeheizten kleinen Veranstaltungssaal. Es ist eine kleine fast familiäre Runde, die interessiert zuhört. Obwohl der Abend sehr interessant ist, will eine lebhafte Diskussion zwischen Publikum und Autor aber leider nicht recht aufkommen. Vielleicht liegt es ein Stück weit daran, daß das Buch noch nicht so lange auf dem Markt ist und man daher nicht gezielt einige Textstellen hinterfragen kann. Auf jeden Fall jedoch - das merkte ich bei mir selbst - gab es erhebliche Hemmungen, sich vor die laufende Fernsehkamera zu stellen und einen Wortbeitrag zu liefern. Auch nur im Publikum zu sitzen, das immer wieder gefilmt wird, ist unangenehm - im ersten Moment wäre ich am liebsten wieder gegangen.

Vor einem größeren Publikum zu sprechen, erfordert grundsätzlich eine gewisse Überwindung. Wird jedoch auch noch in Bild und Ton aufgezeichnet, ist die Hemmnis sehr viel größer, denn es wird nicht nur jedes Wort aufgezeichnet, sondern auch das Aussehen und jede Bewegung. Man bedenke, daß es etliche Leute gibt, die Probleme damit haben, auch nur fotografiert zu werden ...

Gefährliche Gewöhnung

An die Präsenz von laufenden Kameras kann man sich natürlich gewöhnen. Jedoch steckt hier eine große Gefahr. Überall werden immer mehr Überwachungskameras und Webcams aufgebaut. Nicht nur Hannovers Kröpke in der Innenstadt wird rund um die Uhr gefilmt, auch in Oldenburg gibt es diese Überwachung. Je mehr wir uns an Kameras gewöhnen, desto mehr Freiheiten geben wir auf, denn jeder Bürger muß die Freiheit haben, Dinge unbeobachtet zu tun. Sonst versucht er sich ständig anzupassen und ist nicht mehr frei.

Sperrt das Fernsehen aus!

Wer eine kleine Veranstaltung plant, bei der es zur Diskussionen oder zu einer Fragerunde kommen soll, sollte das Filmen verbieten und allerhöchstens Tonaufnahmen gestatten. Stimmen sind ein erhebliches Stück anonymer - man wird nicht sofort wiedererkannt. Außerdem kommt es auf das Gesprochene bei diesen Veranstaltungen an, nicht auf das Aussehen der Personen.

muh

 

 
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