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Du hast schon alles kaputt gesoffen
Jürgen Saupe berichtete im STACHEL 224 von seinen unbefriedigenden
Erfahrungen mit verschiedenen Therapien. Stefanie Bredehöft zeigte in
ihrer engagierten Antwort (abgedruckt in Nr. 225) die Bedeutung der eigenen
Verantwortung im Heilungsprozeß der Alkoholerkrankung auf. Der
folgende Beitrag von Jürgen Saupe erreichte die Redaktion noch vor
Drucklegung der vorigen STACHEL-Ausgabe, es handelt sich also nicht um
eine Erwiderung auf die Antwort. Ob und welche Therapien bei
Suchterkrankungen helfen können - darüber wissen sicher die
Betroffenen am ehesten Bescheid. Informationen über das
umfassende und wirkungsvolle Selbsthilfekonzept und die Gruppen der
Anonymen Alkoholiker (AA) gibt es unter Telefon 1 92 95. Über diese Nummer
sind auch in anderen größeren Städten die dortigen Meetings zu
erfragen. Und nun nehmen wir uns nicht zuviel vor. Frohe 24 Stunden
und ebensolche Lektüre. D. Red.
Schau Dich nur um, Du hast schon alles kaputt gesoffen
Ich, Jürgen Saupe, bin 50 Jahre alt. Heute ist mir klar, daß ich seit
mindestens 22 Jahren Alkoholiker bin. Ich kann Vergangenes nicht mehr
ändern. Doch ich bin erschrocken darüber, welch' einen Scherbenhaufen
ich durch mein Saufen hinterlassen habe. Ich schlug meine Frau und die
Kinder, machte Schulden und zerstörte alles, was in meine Nähe
kam. Die Seelen meiner Kinder habe ich so sehr verletzt, daß diese
heute Schwierigkeiten haben, im Leben klar zu kommen.
Nicht trinken wollen,
das reicht nicht aus
Es bedurfte mehrerer Therapien, bis ich erkannte, daß ich Alkoholiker
bin. Ich gestand es mir zuvor nie ein, denn ich wollte doch nicht zu
den Säufern, Pennern gehören. Daß ich genau das war, und sogar noch
viel schlimmer, erkannte ich erst, als es zu spät war. Die Ehe
zerbrochen, meine Kinder zur Lebensunfähigkeit verprügelt, so wurde
die Gosse mein Zuhause. Saufen wurde mein tägliches Brot, und dieses
Brot zerstörte meine Gesundheit.
Am Ende angelangt begab ich mich 1996 nach Oldenburg in das
Fachkrankenhaus Ofener Str. 20 zur Therapie. Das war mein
Rettungsseil. Den Anker fand ich erst nach meiner Entlassung im April
1997. Die Caritas gab mir die Möglichkeit, ein Jahr im Don Bosch Haus
1 zu leben. Das ist eine betreute Wohngemeinschaft für trockene
Alkoholiker. Einen besseren Start hätte ich kaum bekommen können. Eine
solche Einrichtung ist nicht nur sinnvoll, sondern erforderlich für
Alkoholiker, die ganz neu beginnen wollen.
Trotzdem betrachte ich die Therapie nur als den kleinsten Teil dessen,
was dazu gehört, einen neuen Weg gehen zu können. Hätte ich nach
meiner Entlassung keine Menschen gefunden, die mir zur Seite standen
und mir Mut machten, die mir Vertrauen gaben und an mich glaubten, so
wäre meine Chance schlecht gewesen. Wenn die Hilfe und das Verständnis
danach fehlen, dann nützt auch ein starker Wille nichts. Man geht an
der Einsamkeit kaputt und die Flasche wäre der Notanker. Ich hatte
seit April 1997 einen leichten und zwei herbe Rückfälle. Eine
Erklärung dafür wäre, daß ich mich überschätzte und glaubte, daß mir
der Alkohol nichts mehr anhaben kann, daß ich glaubte, ich könne
kontrolliert trinken. Das war ein verhängnisvoller Trugschluß.
Du mußt erkennen,
daß Du nicht trinken kannst
Ich zerstörte und soff wie in alten Zeiten. Und ich war dabei, alles
in Schutt und Asche zu legen, was mir am Herzen lag. (Es ist eben
schwer zu ertragen eine Reihe von guten Tagen. Ich glaube schon seit
längerem, daß Suchterkrankungen die Flucht vor dem eigenen Glück
zugrunde liegt. Aber was ist jeweils der Flucht-Grund? D.TipperIn) Ich
landete im April 2000 in Wehnen auf dem Wachsaal. Das hat mir den Rest
gegeben. Ich erlebte dort, wie sich Menschen neben meinem Bett, in
ihren Betten liegend, bekotzten und beschissen haben. Eingesperrt, im
eigenen Dreck liegend, körperlich am Ende - die Ursache: Alkohol.
Diese Bilder habe ich heute vor den Augen und sie lassen mich nicht
los. Ich will trocken bleiben. Trocken, weil ich keine anderen
Menschen mehr durch mein Saufen verletzen will, und weil ich nicht
bekotzt und beschissen in Wehnen leben möchte. Ich hoffe, daß ich es
schaffen werde, ansonsten wäre mein Tod die bessere Lösung für mich
(Auch auf der Suche nach "der" einfachen Lösung, was? D. TipperIn)
und alle Menschen, die mit mir zu tun haben (Aber, aber, ... haben
die das "alle" so gesagt? Und dürften die das? D.TipperIn).
Jürgen Saupe
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