Oldenburger STACHEL Ausgabe 4/02      Seite 1
 
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Sparprogramm auf dem Rücken der Armen

Auch in Oldenburg schlagen die kommunalen SparpolitikerInnen zu. Die Stadt hat kein Geld mehr, und die Einsparungen sollen vor allem die Rechte der Armen und Sozialschwachen beschneiden sowie Projekte für die Frauenhilfe treffen: Gekürzt werden unter anderem die Zuschüsse für Donna, ALSO und das Frauentherapiezentrum, sie sind "zu teuer". In Zeiten der Haushaltskürzungen ist selbst das sonst in politischen Sonntagsreden so oft beschworene "zivilgesellschaftliche" Engagement für BürgerInnenrechte nicht mehr zu ertragen. Die Ratssitzung am 18. März war hierfür ein aufschlußreiches Lehrstück neoliberaler Stadtpolitik in Oldenburg.

Die groteske Sparlogik
der Kürzungsmanager

Die SPD und ihr Bürgermeister versuchen der Finanzmisere mit Unternehmenskonzepten zu begegnen. Nicht mehr in die "konsumtiven Bereiche" solle investiert werden, sondern in die produktiven Bereiche. Nur dann würde es sich vermeiden lassen, daß das Haushaltsdefizit noch mehr anwächst. Der CDU-Abgeordnete Strathmann stieß ins gleiche Horn und warnte davor, so "weiterzuwirtschaften" wie bisher. Dann, so meinte er, hätte sich der Verkauf des Wasserwerkes (für ca. 268,- Millionen DM) nämlich gar nicht gelohnt, weil der Haushalt in ein paar Jahren wieder das gleiche Defizit aufweisen würde. Die "Sachzwanglogik" des Sparens reicht also nicht aus, sondern es müssen auch neue Einnahmen her, um die in den letzten Jahren sinkenden Steuereinnahmen (auf kommunaler Ebene vor allem die Gewerbesteuer) zu kompensieren. Warum man aber gerade vorher sogenannte produktive Bereiche, wie das Wasserwerk und davor die GSG Beteiligungen abgestoßen hat, dazu äußerte sich Strathmann nicht mehr. Er wolle sich allerdings bei der Landesregierung in Hannover dafür einsetzen, daß die Kommunen mehr Geld bekommen, was ja gerade nach der neuen Steuerreform der Bundesregierung gekürzt worden ist. Die Selbstbeschneidungen der Politik bei den Unternehmens-besteuerungen wird in Oldenburg mit steigenden Wasserrechnungen und Kürzungen in den sozialen Bereichen ergänzt und so wird gerade an den sozial Schwächeren die "Politik des Sparens" exekutiert.

Zwangsweise Arbeiten
für die Armen

Im Sozialpolitischen sprach sich Bürgermeister Schütz dafür aus, die Beschäftigungsverhältnisse im BSHG 19-Bereich auszubauen. SozialhilfeempfängerInnen droht so die zwangsweise Arbeit (heute allerdings keine Autobahnen mehr! Tipperlein) - für ein geringes Zubrot - in den Grünanlagen der Stadt, damit diese ihre "weichen Standortfaktoren" aufpolieren kann und an touristischer Attraktion, Sauberkeit sowie Ordnung gewinnt. Es wäre wohl ehrlicher gewesen - so empfanden es einige der BeobachterInnen dieses städtischen Schauspiels - die Haushaltskürzungen gleich unter dem Tagesordnungspunkt "Müllentsorgung und Recycling" abzuhandeln. Die Kürzungspolitik verdeutlicht letztlich nur, daß Arbeitslose und SozialhilfeempfängerInnen als der "überflüssige" Ballast einer auf Effektivität ausgerichteten Gesellschaft angesehen werden. Sie sind "unproduktiv", verursachen Kosten und sind an ihrer Misere sowieso selber schuld. Ihr Platz in dieser Gesellschaft ist in den bad jobs, dort können sich die "Überflüssigen" die letzten Brosamen teilen und darüber hinaus noch die weiteren Voraussetzungen für Lohnsenkungen auf dem Arbeitsmarkt schaffen.

Kürzungslogik durch Beratungsentzug

In Oldenburg hat der Wegfall der unabhängigen Beratungsstellen für sozial Schwache (welch' ein Begriff... D.LektorIn) noch einen weiteren Vorteil. Die SpartechnokratInnen erhoffen sich, daß ohne die Tätigkeit der unabhängigen Beratungsstellungen weniger Anträge und Beschwerden bei den Behörden eingereicht werden. Die MitarbeiterInnen, die die Einsprüche und zusätzliche Anträge bearbeiten, können so "eingespart" oder für andere Zwecke eingesetzt werden. Dieser dort durchaus erwünschte Nebeneffekt der Kürzungspolitik ist ein Hauptanliegen der Verwaltung. Sie will ihre Arbeitsabläufe ebenfalls nach ökonomischen Kriterien rationalisieren. Das "Outsourcing" produziert dabei neue Arbeitslose. In welcher Statistik diese dann verheimlicht werden, bleibt vorerst das Geheimnis der vorausschauenden KostenplanerInnen. Die übriggebliebenen Verwaltungsangestellten können eine individualisierte, nicht-organisierte und den städtischen Behörden ausgelieferte Masse leichter bearbeiten.  Menschen, die ihre Rechte in Anspruch nehmen, sind ihnen ein Dorn im Auge.

Die Bekämpfung der Armen statt der Armut mit dem "Terror der Ökonomie"

Die Richtung der Umverteilung von Reichtum ist vorgegeben, sie funktioniert nach der neoliberalen Zwangslogik, der Veräußerung von sozialen Rechten der Armen. Der Anspruch auf einen sozialen Ausgleich durch den Staat wird aufgegeben und die Chancengleichheit auf die individuelle Durchsetzungsfähigkeit des Einzelnen reduziert. Das Versprechen der Teilhabe an dieser Gesellschaft läuft nur noch über den marktfähigen Arbeitsplatz, der seinen Erhalt über die Rentabilität nachweisen kann. Die Restlichen zählen zu den "Überflüssigen" in dieser Gesellschaft, die allerdings nach den gleichen Effektivitätskriterien beurteilt werden. Auch Ihnen wird in den Arbeitsämtern eröffnet, daß sie den flexibilisierten Anforderungsprofilen der neuen Arbeitskräfte zu entsprechen haben, selbst wenn damit nicht eine Stelle mehr geschaffen wird. Der neoliberale Umbau des Staates soll dabei die Rentabilität der Profitraten sichern helfen und die sozialen Bereiche, welche den ökonomischen Kriterien nicht mehr entsprechen, werden abgestoßen. Investiert wird nur noch in produktive Bereiche und so versprach Schütz auch, daß selbst in diesen Sparzeiten größere Summen aufgebracht werden müssen um das "Stadtunternehmen" Oldenburg wieder finanziell zu regenerieren.

Brot und Spiele in der
Dienstleistungsgesellschaft

Meinte er damit den mediengerechten Ausbau der Baskettball-Halle? Ganz neue Lebensentwürfe tun sich dort auf. In diesem Szenario können also die Sozialhilfeempfänger, die über das Stellwerk als Platzanweiser der neuen Sporthalle angestellt wurden, nur hoffen, das die Oldenburger Baskettballmanschaft nicht absteigt und sich der Bau dann als große Fehlinvestition für das Stadtrenome erweist. Solche grotesken Dramen sind absehbar, wenn die neoliberalen Kürzungsmanager die Einsparungen im Sozialbereich "re-investieren" werden.

Peter Panter

Vgl. auch Berichterstattung des Oldenburger STACHEL der vergangenen Monate: Die Zerschlagung sozialer Strukturen beenden! - (Nr. 232) http://www.stachel.de/02.03/3kopf.html; Echte Reformen sind gefordert! - (Nr. 231) http://www.stachel.de/02.02/2s att.html; OB Schütz gelehriger Schüler für "schmerzhafte Einschnitte" im Haushalt - (Nr. 230) http://www.stachel.de/02.01/1hh.html; Frohe Weihnachtsbotschaft: Haushaltssperre - Kündigung sozialer und kultureller Verträge, Schließungen? - (Nr. 229) http://www.stachel.de/01.12/12hhganz.ht ml

 

 
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