Oldenburger STACHEL Nr. 236 / Ausgabe 8/02      Seite 15
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Verkehrsentwicklungsplan:

Nicht ohne Einbahnregelung

Die Einbahnregelung am Theaterwall war ein Erfolg. Doch sie wurde aus populistischen Gründen beendet - gescheitert ist sie nicht.

Kaum war die Einbahnregelung am Theaterwall eingerichtet, schon ist sie wieder verschwunden. Sie war das Herzstück des Verkehrsentwicklungsplans, beide sind von allen Parteien (bei Enthaltung PDS) und fast allen Interessengruppen beschlossen worden.

Der Versuch

Anfang Mai begann der Verkehrsversuch Einbahnregelung. Der schmale Bordstein, den sich vorher RadfahrerInnen und FußgängerInnen teilen mußten, wurde zum Fußweg, der Radverkehr auf einem komfortablen, 2,50 m breiten Radfahrstreifen auf der Straße geführt. Links daneben fuhr der Bus - ebenfalls auf einer eigenen Spur. Die Verkehrsmittel des Umweltverbundes - Fuß, Fahrrad, ÖPNV - haben von dieser Regelung in starkem Maße profitiert. Für sie wurden Bedingungen geschaffen, die für den Autoverkehr eine Selbstverständlichkeit sind. An den ersten Tagen der Einrichtung gab es noch ein mehr oder weniger starkes Verkehrschaos, dieses legte sich aber schnell und die Regelung spielte sich ein.

Rechnung ohne WirtIn?

Doch wer geglaubt hatte, daß der Verkehrsversuch, der schon nach wenigen Tagen zum Erfolg wurde, nun dauerhaft oder zumindest für die vorher von der Politik festgelegte Zeitdauer fortgeführt würde, hatte die Rechnung ohne die BewohnerInnen des Dobbenviertels, des Einzelhandels und der Politik gemacht. Im Vorfeld des Versuchs war ein geringer Anstieg des Kfz-Verkehrs im Dobbenviertel prognostiziert worden. Dieser trat auch ein. Dies nutzten die AnwohnerInnen im Dobbenviertel, die offensichtlich schon von vornherein gegen die Einbahnregelung waren, um lautstark gegen die Einbahnregelung zu protestieren und vor allem zu polemisieren - anfangs ohne konkrete Zahlen zu haben.

Argumentation fern der Realität

Es wurde ein Bild entworfen, nach dem im Dobbenviertel autobahnähnliche Verhältnisse hätten herrschen müssen - wie gesagt, ohne dies mit Zahlen belegen zu können. Der Verkehr hätte sehr stark zugenommen und die Autos würden mit hohen Geschwindigkeiten durch Dobbenviertel jagen ... Die Vorteile, die die Regelung für Radfahrer, Fußgänger und ÖPNV-Nutzer gebracht hat, wurden heruntergespielt, es wurde von "angeblichen" Vorteilen für diese Verkehrsarten gesprochen.

Die Wirklichkeit

Die ermittelten Zahlen ergaben jedoch ein ganz anderes Bild: Danach hat das Kfz-Aufkommen im Dobbenviertel nur moderat zugenommen, von hohen Geschwindigkeiten konnte keine Rede sein. Und die Zahlen haben noch eins belegt: das Dobbenviertel hatte keine höhere Kfz-Belastung als vergleichbare, innenstadtfernere Wohngebiete (Rauhehorst, Uhlhornsweg etc.).

Einbahn ist an allem schuld?

Trotz dieser Zahlen polemisierten die Anwohner weiter - und die Oldenburger Presse machte sich zum Sprachrohr der Gegner der Einbahnregelung. Auch der Oldenburger Einzelhandel sprang auf den Zug auf und verkündete, die Einbahnregelung wäre die Ursache für die Umsatzrückgänge. Merkwürdigerweise gingen aber in ganz Deutschland die Umsätze im Einzelhandel stark zurück. Und als Ursache wurden Aspekte wie der Euro etc genannt, nicht aber verkehrliche. In Oldenburg scheint aber alles ganz anders zu sein und die Einbahnregelung an allem Schuld.

Brauchen wir noch einen König?

Verhängnisvoll wurde die ganze Sache aber, weil große Teile der Oldenburger Politik, allen voran der Oberbürgermeister Schütz, diesen Polemiken aus der Kaufmannschaft und den Anwohnern im Dobbenviertel erlegen war. Anstatt auf die Vorteile dieses Verkehrsversuchs zu verweisen und auch darauf, daß der Versuch für ein halbes Jahr angelegt ist, redeten sie den AnwohnerInnen und Geschäftsleuten nach dem Mund. Hatte die Politik anfangs noch darauf verwiesen, daß der Versuch noch einige Zeit dauern sollte, bevor man ein Fazit ziehen könne, konnte es auf einmal nicht mehr schnell genug gehen, den Verkehrsversuch zu beenden. Zwar wurden noch einige kleine Korrekturen vorgenommen, diese traten aber erste wenige Tage vor dem Ende in Kraft, so daß sie keine Auswirkungen zeigen konnten.

Fakten schaffen

Kurz nach Beginn der Sommerferien, als auch viele Befürworter der Einbahnregelung im Urlaub waren, der Zeitpunkt war also taktisch geschickt gewählt, wurde der Versuch abgebrochen. Dabei hat noch nicht einmal der Rat diese Entscheidung gefällt, sondern der Verwaltungsausschuß. Seitdem dürfen RadfahrerInnen und FußgängerInnen sowie ÖPNV-NutzerInnen das äußerst "kommunikative" Gefühl intensiver Nähe ständig aufs Neue erleben. (Ich erlebe das immer wieder als scheiß gefährlich! d.Tipperlein.)

Verkehrsentwicklungsplan:
Weitere Umsetzung sinnlos?

Nach der Beendigung der Einbahnregelung und der Wiederherstellung rechtswidriger Verhältnisse für FußgängerInnen und RadfahrerInnen bleibt die Frage, wie ernst es die Oldenburger Politik mit der Förderung des FußgängerInnen-, Fahrradverkehrs und ÖPNV meint. Im Verkehrsentwicklungsplan steht, daß bei Konflikten zwischen dem Kfz-Verkehr und den Verkehrmitteln des Umweltverbundes letztere bevorteilt werden sollen - nunmehr reine Lippenbekenntnisse. Hier stellt sich die Frage nach dem Sinn der weiteren Erarbeitung des Verkehrsentwicklungsplan auf Stadtteilebene. Die politische Mehrheit hat mit der Aufhebung der Einbahnregelung zudem bewiesen, daß sie rationalen Argumenten nicht zugänglich und an einer sachlichen Diskussion nicht interessiert ist - ebenso nicht an einer konsequenten Förderung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes.

Chancen verspielt

Eine Bewertung über einen Erfolg oder Mißerfolg des Verkehrsversuchs war aufgrund der kurzen Zeit überhaupt nicht möglich. Auch die Möglichkeit von Modifikationen wurde nicht ernsthaft diskutiert. Die politische Mehrheit hat lediglich auf die gehört, die am lautesten schreien. So etwas nennt man Populismus und das trägt nicht gerade zum Vertrauen in die Politik bei. Das Thema Einbahnregelung ist damit für die nächsten 10 bis 20 Jahre gestorben. Es wurde ein große Chance zur Förderung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes ohne größere Beeinträchtigungen des Autoverkehrs und damit eine dringende Änderung der Verkehrsmittelnutzung (modal Split) leichtfertig vertan.

Stephan Popken

Allgemeiner Deutscher Fahrradclub

ADFC

 

 
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