Nr. 237 / Ausgabe 9/02 | Seite 14 | |||||
ADFC: Fahrradabräumaktion unverhältnismäßig und fahrradfeindlichIst Oldenburg eine fahrradfreundliche Stadt? Diese Frage hatte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Oldenburg den Besuchern des vierten Oldenburger Fahrradtages auf dem südlichen Bahnhofsvorplatz gestellt und sie um eine Beantwortung anhand der ausgehängten Fotos gebeten - es wurden Pro und Contra- Fotos zu dieser Frage gezeigt.
Plus- und MinuspunkteEs gibt sicherlich einige Gründe, Oldenburg als fahrradfreundlich einzustufen, die Freigabe von Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung zum Beispiel. Es gibt aber auch viele Gründe, Oldenburg als fahrradunfreundlich zu bezeichnen - ein weiterer Grund ist jetzt dazugekommen: das schikanöse und rechtswidrige Abräumen von Fahrrädern auf dem südlichen Bahnhofsplatz am 26.08. durch die Stadt Oldenburg, angeordnet vom Oldenburger Oberbürgermeister Dietmar Schütz, der auch schon bei der Beendigung des Verkehrsversuchs Einbahnregelung und beim Durchboxen einer Tiefgarage an der Burgstraße in Bezug auf den Radverkehr negativ von sich reden gemacht hat.
Ordnungsmaßnahme oder "Unsere Stadt soll schöner werden"?Grundsätzlich ist nichts dagegen zu sagen, wenn Fahrräder auf dem Bahnhofsplatz abgeräumt werden, wenn sie entweder fahruntüchtig sind (sog. Fahrradleichen) oder Verkehrsteilnehmer behindern oder gar gefährden. In solchen Fällen ist ein schnelles Abräumen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht sogar geboten.
Wen hat es nur gestört?Was auf dem Bahnhofsvorplatz jedoch passierte, hat damit leider nichts zu tun. Weder haben die außerhalb der Abstellanlagen an Laternenmasten und Baumschutzgittern abgestellten Fahrräder jemanden behindert oder gar gefährdet, noch waren sie in einem gebrauchsunfähigen Zustand. Nach der allgemeinen Rechtsauffassung ist es erlaubt, Fahrräder auf Gehwegen (Fußgehzonen gelten auch als Gehwege) abzustellen und an Gegenstände anzuschließen, wenn sie dabei Fußgänger nicht behindern oder gefährden.
Auch drastische Maßnahmen müssen verhältnismäßig seinFahrräder dürfen nur umgesetzt (abgeschleppt) werden, wenn sie falsch geparkt sind. Aber auch Falschparker dürfen nicht in jedem Fall abgeschleppt werden. Die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sind zu beachten, das Versetzen darf nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg stehen (das ist bei Autos übrigens auch so und daran hält sich die Stadt). Diese Unverhältnismäßigkeit kann sich allein schon aus dem Zerstören des Fahrradschlosses ergeben. Weiter ist das Motiv der Maßnahme zu erforschen: Ginge es darum, Platz für FußgängerInnen zu schaffen, mag ein Umsetzen gerechtfertigt sein. In diesem Fall war das Motiv aber ein anderes: Es ging darum, RadfahrerInnen zu disziplinieren und mit Druck dazu zu bringen, ihr Fahrrad in die Fahrradstation zu bringen und so deren Auslastung zu erhöhen.
Das Ziel darf nicht Disziplinierung seinDieses Motiv ist unzulässig. Das gilt auch für das Umsetzen von Fahrrädern, die an Baumschutzgittern etc. standen. Die betroffenen RadfahrerInnen haben daher gute Aussichten, wenn sie ihre Regreßansprüche geltend machen. Daher fordert der ADFC die betroffenen RadfahrerInnen auf, wegen des aufgebrochenen Schlosses Schadensersatzansprüche bei der Stadt Oldenburg geltend zu machen. Der ADFC wird diese Personen unterstützen und bittet sie daher, sich beim ADFC zu melden (Tel: 0441/13781 oder mail: verkehr@adfc-oldenburg.de).
Warum nur solche Eile?Aber nicht nur vom rein rechtlichen Standpunkt gesehen, ist diese Abräumaktion mehr als fragwürdig. Sie kam auch zu früh. Die neue Fahrradstation hatte erst seit einer Woche geöffnet und war daher noch nicht ausreichend bekannt, bzw. im Bewußtsein der Radfahrer vorhanden.
Unbegründete Eile!Zudem ist die Fahrradstation auch noch nicht komplett eingerichtet, was für einige zu der Vermutung geführt haben mag, die Station sei noch nicht nutzbar. Die Detektoren fehlen noch und ein Nutzen der Fahrradstation außerhalb der Öffnungzeiten mittels Nachtzugang ist daher auch noch nicht möglich. In Gesprächen mit RadfahrerInnen wurde deutlich, daß viele gar nicht wissen, daß die Station schon geöffnet hat und wie die Bedingungen, Preise etc. sind.
Mehr freie AbstellanlagenEin weiteres Problem ist, daß die freien Abstellanlagen überbelegt sind und Radfahrer kaum eine Möglichkeit haben, dort noch einen freien Platz für ihr Fahrrad zu finden. Hier ist die Stadt aufgefordert, regelmäßig gebrauchsuntüchtige Fahrräder (Fahrradleichen) konsequent wegzuräumen, damit Radfahrer, die ihr Fahrrad in eine freie Abstellanlage stellen möchten, dieses auch tun können und nicht gezwungen sind, Laternenpfähle oder Baumschutzgitter zu verwenden. Zudem ist die Ausweisung zusätzlicher freier Abstellanlagen dringend notwendig - nicht nur östlich des Bahnhofeinganges, sondern auch östlich, da die Mehrzahl der Radfahrer aus dieser Richtung kommt.
Keine KonkurrenzEs ist übrigens eine Mär, daß freie Abstellanlagen eine Konkurrenz zur Fahrradstation darstellen. Wer sein Fahrrad nicht in eine Fahrradstation stellen will, läßt sich nicht durch Zwang (Abräumen, geringe Anzahl freier Abstellanlagen) dazu bringen, es zu tun. Auf der anderen Seite stellen Nutzer der Fahrradstation ihr Fahrrad auch dann in die Station, wenn ausreichend freie (kostenlose aber dafür unbewachte und damit nicht diebstahl- und vandalismussichere sowie nicht witterungsgeschützte) Abstellanlagen vorhanden sind.
Zwang wird scheiternDie Nutzung der Fahrradstation läßt sich nicht erzwingen, sondern nur durch ein umfassendes Service- und Dienstleistungangebot erreichen, das den Radfahrer überzeugt. Dieses Angebot ist vorhanden, es muß dem Kunden Radfahrer aber noch erreichen. Dafür ist eine umfangreiche Werbung notwendig, zumal das Gebäude der Fahrradstation ziemlich unauffällig wirkt (von der Denkmalschutzbehörde verlangt).
Imageschaden für die StadtMit dieser Fahrradabräumaktion hat die Stadt Oldenburg ihrem Anspruch, eine fahrradfreundliche Stadt zu sein, sehr geschadet und auch der Fahrradstation einen Bärendienst erwiesen. Das Image der Fahrradstation leidet, wenn der Verdacht aufkommt, daß sie mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen gefüllt werden soll. Stephan Popken
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