Oldenburger STACHEL Nr. 238 / Ausgabe 10/02      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Schönes sauberes Oldenburg?

Bücherkarrenverbot als Spitze des Eisbergs

Pu Schröder schiebt seit viereinhalb Jahren seinen Antiquariatskarren in die Innenstadt zum Brunneneck. Der Brunnen wurde in dieser Zeit zwar kleiner, doch der Karren nur um so schöner. Aus der Sicht der Stadtverwaltung ist Pu's fliegender Stand "schlicht durch die Kontrolle gefallen". Das mag glauben, wer will. Denn immerhin stand dieser mit steter Regelmäßigkeit an jedem Sonnabend mitten in der Stadt. Glaubhafter ist, daß es zwar keine ausdrückliche Erlaubnis gab, dieser kleine belebende Faktor der Innenstadtkultur bislang jedoch niemanden störte.

Allumfassende
Saubermannaktion

Druck auf Minderheiten wird in der Innenstadt seit langen Jahren gemacht. Drastisch ist das Vorgehen der Stadtoberen gegen solche Menschen, die für DrogennutzerInnen gehalten werden. Die Junkies und solche, die dafür gehalten werden, bekommen "einfach" einen "Platzverweis". Wer dem nicht folgt, wandert auch schon mal in den Knast. Das Mittel der Platzverweise wird in der jüngeren Vergangenheit schon öfter mal eingesetzt, und mensch braucht auch nicht unbedingt im Verdacht des Drogenhandels oder -konsums zu stehen.

Von sich reden machte die Stadtverwaltung auch durch das blitzartige Abräumen von Rädern am Bahnhof, die in den Augen einiger unkorrekt angeschlossen waren. Kaum war die neue Fahrradstation am Südbahnhof eröffnet - viele wußten noch gar nicht von diesem Sachverhalt - schon gingen die Stadtleute mit dem Bolzenschneider ans Werk.

Die Bahn selbst geht ebenfalls massiv gegen alle Personen vor, von denen sie vermutet, daß diese keine Geld einbringen bzw. auf den Geldfluß mindernd wirken könnten. Ein Hausverbot wird dort bereits für Kleinigkeiten ausgeschrieben, zu denen die DB mit eigener Ausschilderung selbst ermuntert.

Die Universität nimmt derweil an der Rasterfahndung teil. Auch erlaubt sie fahndenden Polizisten Zugriffe auf ausländische Mitmenschen, nach denen gar nicht gefahndet wurde. Das "Hausrecht" bedeutet hier für die Universität nicht, daß die Unileitung der Polizei den Eingriff auf Unigelände untersagt, sondern Zugriff nach der Veranstaltung - wenn das meiste Publikum gegangen ist und die Aufregung nicht mehr so groß wird.

Privatisierte Steril-Stadt

Deshalb ist das Verbot für Pu Schröder's Bücherstand ein Zeichen der Zeit. Mit dem neuen Oberbürgermeister (OB) kehren Schritt für Schritt "andere Verhältnisse" in diese Stadt ein. Die Spatzen pfiffen es von dem Dach, daß mit dem neuen OB die Koalition mit den "Grünen" nicht aufrechterhalten bliebe. Gelegentlich verstehen die Menschen das, was da kommen soll, nicht mehr. So soll es eine neue Sportarena geben, obgleich die Stadt pleite sei. Deutlich wird hier, daß es nicht am Geld mangelt, sondern es sich - mal wieder - um ein Verteilungsproblem handelt. Mit allen politischen Gruppierungen war ausgehandelt, daß es innerhalb des Innenstadtringes keine neuen Parkplätze mehr geben soll. Die geplante Tiefgarage im Burgstraßenviertel scheint nunmehr ständig zu wachsen. Die Einbahnstraßenregelung wurde durch OB's Wort gekippt, bevor es irgendwelche belastbaren Ergebnisse aus diesem Verkehrsversuch geben konnte. "Oldenburg soll schöner werden" - darunter verstehen einige Pappnasen versteinerte Verhältnisse. Denen geht es nicht um quirliges Leben, sondern um neues "schickes" Pflaster. Wir wissen: Genau da drunter liegt der Strand. Doch von allein werden wir den nicht finden.

Gerold Korbus

 

 
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