Oldenburger STACHEL Nr. 240 / Ausgabe 12/02      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Streichungen bei den Armen

oder: Zweierlei Maß

Die Stadt leistet auch in Zeiten der Haushaltsflaute Leistungen an Dritte - auch sogenannte "Freiwillige" Leistungen. Mehr als zwei Drittel der Streichungen und "Einsparungen" bei den "Zuwendungen an Dritte" gehen hingegen einseitig zu Lasten sozialer Einrichtungen und der Kinderbetreuung.

70,28% aller Einsparungen, nämlich 1.130.500 Euro von 1.608.600 Euro, werden hier eingespart. An den gesamten "Zuwendungen an Dritte" haben diese beiden Bereiche jedoch nur einen Anteil von 43,64% - deutlich weniger als die Hälfte! Dies bedeutet unter dem Strich, daß die Bereiche Soziales und Kinderbetreuung im Vergleich zu den anderen seitens der Stadt subventionierten Bereichen durch die Streichungen dreimal so stark belastet werden.

Die SPD hatte noch vor kurzer Zeit als eine "Kürzungsleitlinie" genannt, daß nicht angetastet werden solle, was bei Institutionen als Zuschuß notwendig sei, um Drittmittel in die Region zu holen, also z.B. Gelder des Landes, des Bundes und der Europäischen Union (EU). Diese Zuschüsse werden regelmäßig so vergeben, daß bereits eine bestimmte Finanzdecke existieren muß, die dann aufgestockt wird.

Aufgezwungener Reichtum?

Bei der Pressekonferenz des Oberbürgermeisters (OB) zur Vorstellung des Haushaltsentwurfs für das nächste Jahr hingegen hieß es von diesem, er betrachte diese anteilige Förderung bestimmter Projekte als "aufgezwungenen Reichtum". Den möchte er "zurückfahren".

Heute Hü, morgen Hott!

Nur wenige Wochen später gab es dann eine drastische Kehrtwendung. Im Ausschuß für Wirtschaftsförderung gab OB Schütz seine Begeisterung darüber zum Besten, daß für die Wirtschaftsförderung 300.000 Euro in den Haushalt eingestellt worden seien, da hierdurch noch einmal der gleiche Betrag aus Europäischen Töpfen in Oldenburg klingeln würde.

Und kurze Zeit später war bei der Vorstellung einer Studie über Förderungen durch die EU in der Oldenburger Region ebenso großer Stolz zu vernehmen. Es wurden Informationen verbreitet, wie entsprechende Anträge gestellt werden können. Bedauern klang nur an, daß die Möglichkeiten, wie Geld der EU beantragt werden könne, noch nicht ausreichend bekannt sei.

Doppelkomfort?

Wenn derartig schiefe Streichungen in Oldenburg zur Bedrohung oder gar zur Schließung von Einrichtungen wie ALSO, DONNA 45, dem Frauenhaus der AWO oder dem Frauentherapiezentrum führen, dann kann dies nur mit absoluter Unkenntnis der TäterInnen oder politischer Zerstörungswut erklärt werden. Denn nötig sind diese Einrichtungen allemal.

Perversionen im Streichkonzert

In der Novembersitzung des (Un-?)Sozialausschusses erklärte der Leiter des Gesundheitsamtes mit tumber Lapidarität, daß die Sexualberatung von Pro Familia gestrichen werden solle - ersatzlos: Die Stadt beabsichtige nicht, hier Aufgaben zu übernmehmen. Haben die PolitikerInnen und die VerwaltungsangestelltInnen die aktuellen Nachrichten vom Anwachsen der AIDS-Zahlen nicht mitbekommen? Kann es an ihnen vorbeigegangen sein, daß die Zahlen der schwangeren Jugendlichen drastisch im Steigen begriffen sind? Bedeutet die Beseitigung von Aufklärung und demit die Beseitigung der Prävention einfach eine perverse Verlagerung auf andere Kassen? Denn die Abtreibungen werden ja von den Krankenkassen bezahlt ...

Das soll nicht unwidersprochen bleiben

Bereits jetzt dürfen die verschiedenen Blätterchen mit persönlichen Meinungsäußerungen eingedeckt werden. Auch müssen die Fraktionsmitglieder der SPD und FDP persönlich Rede und Antwort stehen, wenn sie auf der Ratssitzung am Montag, 16.12. im PFL 18.000 Oldenburger Erwerbslose und SozialhilfeempfängerInnen zukünftig ohne ausreichende und unabhängige Sozialberatung stehen lassen. Die Betroffenen sollten ihrer Phantasie keine Grenzen setzen, um ihrem berechtigten Unmut hierüber Ausdruck zu verleihen. Denn gerade in den heutigen Notzeiten sind Beratungsmöglichenkeiten und Unterschluppfgelegenheiten für Arme überlebensnotwendig und unabdingbar.

Gerold Korbus

Weitere Informationen:

Arbeitslosenselbsthilfe ALSO, Kaiserstr. 19, 26122 Oldenburg, Tel.: 0441,16313, Fax: 16394, E-Mail: also@also-zentrum.de, http://www.also-zentrum.de/

http://www.bekos-oldenburg.de/

http://www.stachel.de/

 

 
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