Oldenburger STACHEL Nr. 241 / Ausgabe 1/03      Seite 2
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Busfahren wäre schön

Wie eine Oldenburgerin das Warten lernte

Die Tagesschau zeigte - wie üblich ziemlich trocken - die Transsibirische Eisenbahn: In einem Bild bei minus 40 Grad, im nächsten bei minus 50 Grad Celsius. Sie fährt, unbeeindruckt von klirrender Kälte und Schneemassen. Dann die Deutsche Bahn (DB): Minus 5 Grad, alles steht. Fahrgäste, die stundenlang in den Zügen und auf den Bahnsteigen warten, bis es endlich weitergeht - z.B. auf der relativ kurzen Strecke zwischen Bremen und Hamburg. Statt zwei Stunden Reisezeit das x-fache davon.

Die Ausnahme und die Regel

Doch hier soll es nicht um "Ausnahmesituationen" gehen. Denn daß es in diesen Monaten mal kalt ist, vielleicht sogar mal friert, daß Schnee fällt, das soll vorkommen. Doch spätestens, wenn die erste Glätte abgestumpft und die Schneemäßchen zur Seite geschoben sind, sollte der Verkehr wieder rollen.

Bitte nutzen Sie den ÖPNV

Busfahren - das wollte die Oldenburgerin, um deren Erlebnisse es hier geht. Sie hatte ein deutliches Zeichen gesetzt, nämlich eine Monatskarte erworben. Doch das gekaufte Produkt wies Sonderlichkeiten auf. Denn bis zum Donnerstag der Woche klappte es kein Mal, pünktlich bei der neuen Arbeitsstelle zu erscheinen. Da kam der Bus gar nicht. Oder - funkuhrgesteuert hatte sie pünktlich die Haltestelle aufgesucht - auf eine andere Linie Wartende erklärten ihr, fünf Minuten vor der eigentlichen Abfahrtzeit sei ihr Bus durchgefahren. Am besagten Donnerstag dann ließ der Umsteigebus am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) auf sich warten - nach Aussagen der VWG mindestens eine Viertelstunde.

Warten bei minus 15 Grad am zugigen ZOB

Mittlerweile durfte der Chronist sich erklären lassen, was die noch neue Kundin der VWG beobachtete: Ihre Linie verschwand von der elektronischen Anzeigetafel. Mit einer Menge Erfahrungen dieser Art aus dem Hause nebenan - der DB - hieß das für sie: Der Bus kommt nicht mehr.

Der Bus kommt doch

Dann wenden sich einige Mitwartende um und entern den ersehnten Bus, der mittlerweile an einem anderen Wartesteig steht. Die Frau ist unsicher und schaut erst einmal vorne auf die Linien-Anzeige am Bus. Als sie einsteigen möchte, reagiert der Fahrer nicht. Sie klopft. Der Fahrer sieht sie an, es kommt zu Blickkontakt. Dann fährt er los. Ohne sie.

Ist-Anzeige und Soll-Anzeige

Die Erklärung der VWG, nachdem mit unschöner Regelmäßigkeit und teilweise ebensolchen Worten auch der STACHEL-Redaktion gegenüber alles abgestritten wurde (Tenor: "Das kann nicht sein"): Die "neuen" Anzeigen am ZOB zeigen eben nur die Fahrplanzeiten, aber nicht die tatsächlichen Buszeiten. Anders als die älteren Anzeigen der DB gleich nebenan, die (gemeinerweise) das Publikum verwöhnten.

"Wir sind gut"

Ansonsten bekommen wir eine Menge Lob für das eigene Personal zu hören und die Kundin habe ja einen "Zwischenfall" produziert. Die Frau war nämlich in die KundInnen(Des)Informationsstelle am ZOB gegangen und hatte versucht, Informationen darüber zu bekommen, wie sie nun noch einigermaßen in der Zeit zu ihrer Arbeit kommen könne. Statt sachlich informiert zu werden, wurde sie des Raumes verwiesen. Nach vielem Hinundher erklärte die VWG nun, das sei wohl "dumm gelaufen". Sogar eine Entschuldigung wurde über unsere Redaktion ausgerichtet.

Schlechte Geschäfte? Kein Wunder!

Bei der Recherche des STACHELs hat einzig eine Frau von der VWG Einfühlungsvermögen geäußert. Auf die Frage, wie sie regieren würde, wenn sie fortlaufend unpünktlich zur Arbeit käme, weil der Busverkehr derartig unzuverlässig sei, sagte sie: "Langsam verzweifeln."

Mittlerweile hat die Frau die Monatskarte zurückgegeben. Ihr mit deren Erwerb der VWG gezeigtes Vertrauen sieht sie nicht erwidert. Für die VWG bedeutet das zehnmal 37 Euro pro Jahr weniger Umsatz. Und das darf von klugen Personen gerne auf die Jahre hochgerechnet werden.

Es wird alles besser(?)

Die VWG erklärte der Redaktion gegenüber, daß nunmehr Regelungen getroffen seien, die eine Wiederholung dieser Situation ausschlössen. Außerdem werde daran gearbeitet, daß zukünftig die Anzeigen am ZOB die tatsächlichen Buszeiten veröffentlichen. Die Busse sollen zudem beschleunigt werden. Die Entscheidungsstruktur ist klar: So sehr dieser Vorfall bedauert werde, Priorität habe die Arbeit daran, daß es für die Zehntausende von VWG KundInnen besser werde. Ob wir aus solchen Erklärungen tatsächlich schließen dürfen, daß zukünftig sich die Menschen bei der VWG ernstgenommen fühlen können?

JedeR ist ein "Einzelfall"

Denn solche Mitteilungen bekommen wir des öfteren. Besonders drastisch fanden wir die Situation des bei Kälte draußen in Sandkrug stehengelassenen siebenjährigen Kindes (vgl. STACHEL 8/01). Abgesehen davon, daß solches am besten gar nicht erst geschieht, erscheint uns die Bearbeitung solcher "Fälle" seitens der VWG nicht "sehr vorteilhaft" für die Betroffenen organisiert.

Vielmehr zeigt sich ein Bemühen, solches "unter den Teppich zu kehren". Diese Rechnung wird nicht aufgehen, wenn sich weiterhin Menschen mit ihren Erlebnissen bei uns melden. Auch wenn uns MitarbeiterInnen der VWG verdammen mit der bösen Unterstellung, wir würden ja nur (einseitig) Argumente gegen die VWG sammeln.

Wunder gibt es immer wieder

Dabei wünschen wir uns - gemeinsam mit vielen OldenburgerInnen - endlich brauchbare Verhältnisse im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Wir werden warten müssen. Wenn etwas eintritt, was nicht zu erwarten war, dann ist es ein Wunder. Hoffen wir also.

Gerold Korbus

Infos zu Verkehr u.a.:

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