Oldenburger STACHEL Nr. 242 / Ausgabe 4/03      Seite 12
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Elegie auf den Tod eines berühmten Generals (1722)

Was, tot! Nicht möglich! Seine Gnaden!
Wie, und im Bett kam er zu Schaden?
Verließ so ruhmlos diese Welt
Der große Kriegs - und Schlachtenheld?
Nun ja, was hilft's! Von seinem Tun
Auf Erden hier darf er jetzt ruhn,
Bis die Posaune ihm ertönt
Und unsanft in den Ohren dröhnt.

War er denn schon so hoch betagt,
Schon sechzig, wie die Zeitung sagt?
Wahrhaftig, das ist allerhand,
'S war höchste Zeit, daß er verschwand.
Wir lernten ihn recht gründlich kennen,
Er ließ sein Licht herunterbrennen,
Bis viele sagten ohne Dank:
Er hinterläßt uns nur Gestank!

Seht dort den Leichenwagen ziehn!
Doch manche trauern nicht um ihn:
Denn keine Waisenkinder klagen
Um ihn, und keine Witwen sagen
Ihm letzten Dank- sie stehen stumm
Und ohne Tränen - und warum?
Er gab den Weibern und den Kleinen
Vor seinem Tod schon Grund zum Weinen!

Kommt alle her, ihr eitlen Schranzen,
Ihr alle, die bei Hofe tanzen
Nach Fürsten - und nach Königsnasen,
Kommt her, ihr großen Seifenblasen,
Die nur der Wind der Mächtigen treibt!
Seht, was von diesem Herzog bleibt
Und laßt euch auch davon belehren:
Er kehrt zurück mitsamt den Ehren,
die er sich hier auf Erden nahm,
In jenen Dreck, aus dem er kam.

*Der Herzog von Marlborough

Jonathan Swift (1667-1745)
(Übersetzung: H. W. Kolss)

 

 
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