Oldenburger STACHEL Nr. 242 / Ausgabe 4/03      Seite 6
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Langzeitstudiengebühren an der Uni Oldenburg

Ein aktueller Lagebericht

Mit dem Sommersemester 2003 werden die durch das neue Niedersächsische Hochschulgesetz NHG eingeführten sogenannten "Langzeitstudiengebühren" erstmalig fällig. Viele der von den Langzeitstudiengebühren bedrohten Studierenden der Carl von Ossietzky Universität haben oder werden in den nächsten Tagen die Ablehnung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid über Langzeitstudiengebühren erhalten. Daraus folgt, das sie gezwungen sind, zu den über 160 Rückmeldegebühren auch noch 500 Studiengebühren pro Semester zu zahlen. Als nächstes Mittel des Widerstands verbleibt eine Klage vor dem Verwaltungsgericht!

Jede/r Vierte betroffen

Bei den Betroffenen von Langzeitstudiengebühren handelt es sich beileibe nicht um eine Minderheit der Studierenden. Von den 12 200 Studierenden sind allein dieses Semester 2800 Studierende als "Langzeitstudierende" von der Uni angeschrieben worden. Also fast jede/r 4. StudentIn wird im Sinne des NHG als "LangzeitstudentIn" betrachtet!

Massenexmatrikulation hat Folgen

Von den 2800 Studierenden haben bisher nur ca. 300, auf entsprechenden Antrag hin, eine Befreiung von den Studiengebühren für das kommende Semester erhalten. Knapp 600 haben die Gebühr bisher überwiesen. Sollten sich die verbliebenen 1900 StudentInnen exmatrikulieren, würde die Zahl der Oldenburger Hochschulstudierenden fast unter die Grenze von zehntausend Studierenden fallen. Abgesehen von den dramatischen Folgen für die individuell Betroffenen wird diese Massenexmatrikulation zu massiven Einschnitten bei den Beiträgen für das Studentenwerk und den AStA der Universität Oldenburg führen. Der AStA finanziert sich ausschließlich, das Studentenwerk zum Teil aus studentischen Beiträgen, die Studierende im Rahmen ihrer Rückmeldegebühr entrichten müssen. Hier sind Einbußen von ca. 20% zu erwarten.

Viele der Exmatrikulierten werden ohne einen Hochschulabschluß in die Sozialhilfe fallen. Die Kosten hierfür müssen die jeweiligen zuständigen Kommunen, vor allem natürlich die Stadt Oldenburg tragen.

Auch die lokalen Gewerbetreibenden werden sich noch umschauen. Sie können nicht mehr auf die Sie für sie billigen studentischen Aushilfskräfte zurückgreifen, sind Studierende doch für den Arbeitgeber sehr viel billiger in den Sozialversicherungskosten als reguläre ArbeitnehmerInnen.

Der Anspruch, bei der Einführung der Langzeitstudiengebühren, die Studienzeiten zu verkürzen, wird ad absurdum geführt. Die Studierenden studieren nicht schneller, sondern sind gezwungen ihr Studium abzubrechen, da sie finanziell nicht in Lage sind pro Semester beinah 670 auf den Tisch zu legen. Für die Studierenden, die sich dennoch nicht abhalten lassen wollen, ihr Studium zu beenden, wird sich dieses noch mehr in die Länge ziehen, sind sie doch nun gezwungen, neben dem Studium noch mehr zu arbeiten, als es die meisten bisher sowieso schon getan haben.

Es regt sich Widerstand

Doch auch in Oldenburg regt sich Widerstand - 350 Studierende haben einen Widerspruch gegen den Gebührenbescheid erhoben.

Politische Gründe gegen Studiengebühren gibt es viele, für einen Widerspruch und eine mögliche folgende Klage sind aber nur juristische Argumente interessant.

Generell ist es rechtlich fraglich, ob die Übergangsfrist von nur einem Jahr zwischen Veröffentlichung des Gesetzes und dessen in In-Kraft-Treten ausreichend ist.

In vielen Studiengängen ist es zeitlich gar nicht möglich, in diesem Zeitraum das Studium abzuschließen. Außerdem kollidieren Langzeitstudiengebühren mit dem Grundrecht auf freie Berufswahl, dem Gleichheitsgrundsatz und dem Sozialstaatsprinzip.

Für Studierende mit ausreichendem finanziellem Hintergrund, meist hergestellt durch eine entsprechend vermögende Familie, stellen die Gebühren kein Problem dar.

Für Studierende die am oder unter dem Existenzminimum leben, können die Gebühren zu einem Abbruch ihres Studiums führen, da sie die erforderlichen Mittel nicht aufbringen können.

Nach der Ablehnung bleibt nur die Klage

Der nächste Schritt nach einer Ablehnung des Widerspruchs, ist der Gang vor das Verwaltungsgericht, um die Rechtskonformität des Gesetzes überprüfen zu lassen.

Der AStA des Carl von Ossietzky Universität unterstützt die Klagen der Betroffenen.

Er ist der Überzeugung, daß eine große Zahl von Klägern auch politisch bekunden würde, daß viele Studierende bereit sind, Widerstand gegen sozial ungerechte Langzeitstudiengebühren zu leisten. Dies könnte nach Meinung des AStA auch einen gewissen Einfluß auf die gegenwärtige massiv vorangetriebene Diskussion, um eine generelle Einführung von Studiengebühren haben. Denn die Einführung von Langzeitstudiengebühren, soviel steht fest, ist erst der Anfang!

Natürlich ist es nicht gesichert, daß die Klagen erfolgreich sind. Ob die generellen Argumente gegen die Langzeitstudiengebühren, juristisch Gehör finden, ist fraglich. Gut sind jedenfalls die Aussichten, weitere Ausnahmeregelungen in das Gesetz aufnehmen zu lassen. Das heißt, ein Gang vor Gericht eröffnet für den einzelnen nicht nur die Möglichkeit seine gezahlten Gebühren zurückzuerhalten, sondern es kann bei einem Sieg vor Gericht auch zu einer Erweiterung der Möglichkeiten führen, sich wenigstens auf Zeit von den "Langzeitstudiengebühren" befreien zu lassen.

Eine Klage können nur Studierende führen, die vorher einen fristgerechten Widerspruch eingelegt haben. In Oldenburg sind das, wie gesagt, immerhin 350 StudentInnen.

Voraussetzung für die Klageerhebung ist die Ablehnung des Widerspruchs durch die Uni, für die Studierende noch einmal über 30 Gebühren entrichten müssen. Diese Kosten übernimmt auf individuellen Antrag der AStA. Formblätter sind im AStA erhältlich. Innerhalb von einem Monat nach der Zustellung des Gebührenbescheids muß Klage erhoben werden, ansonsten ist dieser rechtswirksam und es gibt für die Betroffenen keine Möglichkeit mehr, ihr Geld zurückzuerhalten. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht entscheidet, daß die Erhebung von Studiengebühren generell, oder für einen bestimmten Personenkreis unzulässig gewesen ist. Die Klage ist beim Verwaltungsgericht einzulegen. Eine Begründung kann nachgereicht werden und/oder sich auf den Widerspruchsbescheid beziehen. Ein entsprechendes Musterformular können Studierende auch im AStA erhalten. Für das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht muß kein Anwalt eingeschaltet werden.

Für bestimmte Musterfälle sucht der AStA noch Kläger für ein Eilverfahren. Gesucht wird besonders ein Mensch, der mehr als vier Gremiensemester abgeleistet hat und jemand der regelmäßig ein Einkommen unter 600 zuzüglich Krankenkasse hat und dessen Widerspruch abgelehnt wurde. Außerdem wäre für eine Musterklage ein Fall interessant, bei der ein/e StudentIn die nach einem Fachrichtungswechsel im Folgestudiun noch in der Regelstudienzeit liegt. Interessierte melden sich bitte beim AStA. Diese Musterfälle werden dann durch einen vom AStA finanzierten Anwalt vertreten. Im normalen Klageverfahren entstehen Gerichtskosten erst bei der Bekanntgabe eines Gerichtstermins. Vorher kann die Klage kostenfrei zurückgezogen werden. Die Gerichtskosten betragen bei einem Streitwert von 500 "nur" 25 . Sollte eine Musterklage erfolgreich sein, können sich Studierende auf diese Präzedenzfälle in ihrer Klage beziehen. Es ist auch denkbar, daß das Ministerium für Wissenschaft und Kultur gezwungen wird, das Gesetz entsprechend der dann neuen Rechtslage zu überarbeiten.

Torsten Helbing (AStA-Sozialreferent)

 

 
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