Oldenburger STACHEL Nr. 243 / Ausgabe 6/03      Seite 16
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Unsere Kinder sind unsere Zukunft...

Anmerkungen zur NWZ: "Mein Leben gebacken kriegen"

Arbeitslose Jugendliche beziehen Sozialhilfe von der Kommune, dafür erbringen sie der Gemeinschaft eine Gegenleistung: Sie putzen die Fenster an Oldenburger Schulen, pflegen städtische Grünanlagen, verrichten Hausmeistertätigkeiten in städtischen Gebäuden. Sie erhalten pro Stunde 1,10 Euro. Und gleichzeitig wird ihnen auch noch geholfen, ihr "Leben wieder gebacken zu kriegen" oder "wieder einen festen Lebensrhythmus zu finden".

Das ist doch mal ein sinnvoller Umgang mit Arbeitslosigkeit - so werden sicherlich viele denken, wenn sie den Artikel "Mein Leben gebacken kriegen" in der NWZ vom 03.06.03 lesen.

Aber was sagt uns dieser Artikel bei näherem Hinsehen eigentlich über unseren Umgang mit Kindern und Jugendlichen?

· Wir nehmen die Schulbildung unserer Kinder und den Zustand kommunaler Einrichtungen in Oldenburg so wichtig, daß die Fenster in den Schulgebäuden das letzte Mal vor drei bis vier Jahren geputzt wurden, daß es in städtischen Gebäuden nicht genügend Hausmeister gibt, daß die Grünanlagen nicht richtig gepflegt werden.

· Der Fachdienstleiter Gebäudewirtschaft bei der Stadt, hat nicht die Aufgabe, für genug Personal und Geld in seinem Fachdienst zu sorgen, damit die städtischen Gebäude vernünftig gepflegt werden können, sondern er soll offenbar "möglichst vielen Leuten ermöglichen, wieder einen festen Lebensrhythmus zu finden".

· Die arbeitslosen Jugendlichen könnten sich alle längst als Gebäudereiniger beworben haben, "aber dafür fehlt die Motivation", weiß der Fachdienstleiter. Warum die Gebäudereinigungsfirmen Leute einstellen sollten, wenn sie nun auch von der Stadt keine Aufträge mehr bekommen, verrät er uns nicht.

· Drei Monate Zwang zum kommunalen Arbeitsdienst für 1,10 Euro die Stunde, ohne Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, ohne Qualifikation, um danach genauso weiter Sozialhilfe zu beziehen wie vorher: Ist das die Perspektive, die wir unseren Jugendlichen zu bieten haben? Ist das die Hilfe, die Clemens braucht, um seinen Hauptschulabschluß nachzuholen und danach Drucker zu werden; für Ronny, um sich auf seine BBS-Schulzeit zum Kinderpfleger vorzubereiten; für Tanja, um überhaupt eine Orientierung für ihr weiteres Leben zu finden; für Janine, die den Realschulabschluß bräuchte, um in einer Zoohandlung oder im Tierheim einen Ausbildungsplatz zu finden; für Silke, die ihren Hauptschulabschluß nachmachen müßte und eine Kinderbetreuung bräuchte, um Erzieherin werden zu können?

Die jungen Leute brauchen Schulabschlüsse, Ausbildungs- und Arbeitsplätze und eine sinnvolle Lebensperspektive. Stattdessen werden sie gezwungen, umsonst putzen zu gehen, unter Androhung der Kürzung ihres Existenzminimums, sollen aber hochmotiviert sein, denn "dabei bekommen sie ein ganz tolles Feedback für ihre Arbeit". Das muß wohl reichen. Glaubt Projektleiterin Fanny Torfstecher (eine Pädagogin?) das wirklich?

Nomen est omen? Wohin auch das Auge blicket, Moor und Heide nur ringsum?

mb

Bezug: NWZ vom 03.06.03 

 

 
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