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Die Uni streichen?
Widerstand der ganzen Region ist nötig!
Die Unileitung will acht Studiengänge, je vier aus den Human- und
Naturwissenschaften, streichen, um Kürzungen durch das Ministerium
zuvorzukommen. Acht Studiengänge streichen? Es scheint, daß dies der
Höhepunkt aller bisher Dagewesenen Kürzungsorgien ist. Die Universität
bereitet ihre Selbstenthauptung vor - und das wird mal so eben lapidar in
der Lokalzeitung gemeldet.
Laut der Uni-Zeitung "Morgenröte" handelt es sich um den Diplomstudiengang
Sozialwissenschaften, das Fach Psychologie, den Magisterstudiengang
Soziologie, den Magisterstudiengang Politikwissenschaften, das Fach
Sportwissenschaften, den Studiengang Landschaftsökologie und das Fach
Technische Bildung. Bedroht seien außerdem die Magisterstudiengänge
Musikwissenschaften und Slavistik. Man hat sich wie immer die
Vorlesungsfreie Zeit ausgesucht, um den größten Coup des bisher immer
abgewendeten Bildungsabbaus zu landen und eventuelles Aufbegehren des
Geistes angesichts des Ausmaßes der geplanten Vernichtungsarbeit von
vornherein zu lähmen.
Die geplante Kürzungsorgie erscheint als Teil einer Henkersstimmung, die die
rot-grüne Regierung dazu brachte, die Arbeitslosenhilfe faktisch
abzuschaffen und der in Oldenburg die geförderten sozialen Einrichtungen
zum Opfer fielen. Bei Universitäten wird besonders gern gekürzt, weil sie
wenig direkten wirtschaftlichen Nutzen erzielen und im Ruf stehen,
protestierende Individuen heranzüchten. Was man schon immer gern getan
hätte, wird nun zum Sachzwang erklärt. (Herr Minister Stratmann hat in
Oldenburg studiert - vielleicht ist es ihm ein Anliegen, jemandem etwas
"heimzuzahlen"? D.TipperIn)
Beim Kürzen was neues:
Massive Proteste aus der Region
haben Erfolg
Neu sind die Bemühungen zur Streichung ganzer Fächer nicht. 1988 sah ein
Erlaß der Landesregierung, damals SPD, die Streichung sämtlicher
Lehramtsstudiengänge in den Fächern Musik, Physik, Russisch und
Sonderpädagogik sowie der Ausbildung für Lehramt Grund- und Hauptschule im
Fach Kunst vor. Außerdem war der Diplomstudiengang Physik in Gefahr. Durch
vielfältigen Protest der Studierenden und Lehrenden, der Uni-Leitung
(damals vertreten durch Michael Daxner) und der Stadt Oldenburg wurde die
Umsetzung der Pläne verhindert. Die Universität, die geschlossen gegen die
Streichungspläne vorging, machte deutlich, "daß es in ihrem Fall nicht um
Reduzierung, sondern um Erweiterung des Studienangebots gehen müsse". Der
Rat der Stadt Oldenburg sprach sich in einer Sondersitzung gegen die Pläne
der Landesregierung aus "Die Universität muß eine Stätte vielfältigen
geistigen, kulturellen und wissenschaftlichen Lebens bleiben. Davon hängt
nicht nur ihre eigene Attraktivität, sondern auch ihre Wirkung in der Region
ab." (Zitate aus Uni-Info 4/88)
Gemeinsamer Widerstand
der ganzen Uni und der Region
Auch der Wissenschaftsrat hatte deutlich gemacht, "daß Einsparungen an der
Universität nicht vertretbar seien". Der Stadtrat machte sich zum
Fürsprecher der einzelnen Fächer und stellte fest, "die Fächer Kunst und
Musik hätten dem kulturellen Leben in der Stadt und in der gesamten Region
wertvolle Impulse gegeben", "Der Studiengang Russisch sei ein
unverzichtbarer Teil des ohnehin schmalen Sprachangebotes, die
Sonderpädagogik habe sich in der Forschung und Lehre breite Anerkennung
erworben und einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der
sonderpädagogischen Praxis in der Region geleistet", die erwogene Aufhebung
der Lehrämter im Fach Physik "würde zu keinen nennenswerten Einsparungen
führen und wäre angesichts des Mangels an Physiklehrern überhaupt nicht zu
vertreten." "Eine Aufhebung des Diplom-Studienganges (...) treffe in
Oldenburg nicht nur den interdisziplinären Zusammenhang aller
Naturwissenschaften, sondern auch die zukunftsträchtigen Entwicklungen in
der Informatik und in der Meeresforschung.. All dies sind Anregungen für das
Jahr 2003, in dem Interdisziplinarität und die wissenschaftliche Vielfalt
der Universität offenbar über Bord geworfen werden sollen.
Internationale Einbindung
der Proteste
Gleichzeitig mit den Protesten bereitete die Universität die Ossietzky-Tage
1988 vor und ließ damit keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit,
international anerkannt zu bleiben: Robert Jungk, Willy Brandt, Lew Kopelew,
Rosalinde von Ossietzky-Palm, Finn Lie, Ossip Flechtheim und andere waren
eingeladen und hielten Veranstaltungen. Unter anderem die Vorauswirkung
dieser illustren Gäste scheint einen Eindruck auf die Landesregierung
gemacht zu haben.
Unileitung: Selbstverstümmelung
aus Angst vor dem Tod
Selbstverstümmelung aus Angst vor dem Tod ist genau das Syndrom, das die
Uni-Leitung jetzt zeigt. Da wäre es ehrenhafter, sich vom Ministerium
zusammenkürzen zu lassen als acht Studiengänge selbst zu streichen!
Generationen von Studierenden haben mit ihrem Widerstand die Streichung und
Zusammenkürzung von Studiengängen mit verhindert. Kunst, Musik,
Sozialpädagogik, Diplom-Physik haben überlebt, auch die Germanistik, die
immer am Rand des Existenzminimums gehalten wurde. Jetzt soll all das mit
einem Handstreich einer servilen Unileitung verschwinden und die Uni in eine
schlechtere Fachhochschule verwandelt werden.
Einseitige Streichungen Zufall?
Die Streichung der Jüdischen Studien wäre struktureller Antisemitismus.
Evangelische Theologie wird schließlich nicht gestrichen. Was soll das für
eine Universität sein, wo nur noch Naturwissenschaften und
Betriebswirtschaft gelehrt werden? Es darf der Landesregierung nicht in
einem Akt des allgemeinen Hinnehmens die Streichung ganzer Fachbereiche
leicht gemacht werden.
Geschichte der Uni ist Geschichte erfolgloser Streichungen
Ist es in Vergessenheit geraten, daß schon vor der Gründungsphase der
Universität ein totaler Finanzstopp verfügt wurde? Dagegen demonstrierten
3000 Oldenburger Studierende gemeinsam mit HochschullehrerInnen,
wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und Dienstleistenden sowie
VertreterInnen der Stadt, der Gewerkschaften und der Parteien. 1973 wurde
die Universität gegründet. Gegen die drastische Reduzierung des Ausbaus der
Universität Oldenburg auf 5700 Studienplätze erfolgte 1976 die legendäre
Fahrraddemo nach Hannover von rund 1000 Oldenburger Hochschulangehörigen.
Weitere Pläne zur Reduzierung der Hochschulausbildung gab es 1979. Auch
dagegen wurde erfolgreich demonstriert. 2000 Studierende, DozentInnen,
Wissenschaftliche MitarbeiterInnen und Bedienstete gingen auf die Straße.
Der Bau des naturwissenschaftlichen Standorts in Wechloy war 1980 mehrfach
durch drohende Mittelkürzungen gefährdet. Mit der Unterstützung vieler
Kräfte aus Stadt und Region wurde der Weiterbau durchgesetzt. 1982 sah schon
wieder eine Kabinettsvorlage des Wissenschaftsministeriums die Schließung
geisteswissenschaftlicher Studiengänge vor. Wieder waren es Proteste von
Stadt und Region und studentische Demonstrationen, die dies verhinderten.
Die Geschichte der Carl von Ossietzky-Universität ist vom ständigen Kampf
gegen Külrzungsvorhaben geprägt. Ganz zu schweigen von den ständigen
Stellenstreichungen in allen Fachbereichen.
Der Zusammenstreichung muß Einhalt geboten werden. Das wird nur mit der
erfolgreichen Bündelung aller Kräfte gelingen.
Katja Viebahn
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