Oldenburger STACHEL Nr. 244 / Ausgabe 8/03      Seite 3
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Die Uni streichen?

Widerstand der ganzen Region ist nötig!

Die Unileitung will acht Studiengänge, je vier aus den Human- und Naturwissenschaften, streichen, um Kürzungen durch das Ministerium zuvorzukommen. Acht Studiengänge streichen? Es scheint, daß dies der Höhepunkt aller bisher Dagewesenen Kürzungsorgien ist. Die Universität bereitet ihre Selbstenthauptung vor - und das wird mal so eben lapidar in der Lokalzeitung gemeldet.

Laut der Uni-Zeitung "Morgenröte" handelt es sich um den Diplomstudiengang Sozialwissenschaften, das Fach Psychologie, den Magisterstudiengang Soziologie, den Magisterstudiengang Politikwissenschaften, das Fach Sportwissenschaften, den Studiengang Landschaftsökologie und das Fach Technische Bildung. Bedroht seien außerdem die Magisterstudiengänge Musikwissenschaften und Slavistik. Man hat sich wie immer die Vorlesungsfreie Zeit ausgesucht, um den größten Coup des bisher immer abgewendeten Bildungsabbaus zu landen und eventuelles Aufbegehren des Geistes angesichts des Ausmaßes der geplanten Vernichtungsarbeit von vornherein zu lähmen.

Die geplante Kürzungsorgie erscheint als Teil einer Henkersstimmung, die die rot-grüne Regierung dazu brachte, die Arbeitslosenhilfe faktisch abzuschaffen und der in Oldenburg die geförderten sozialen Einrichtungen zum Opfer fielen. Bei Universitäten wird besonders gern gekürzt, weil sie wenig direkten wirtschaftlichen Nutzen erzielen und im Ruf stehen, protestierende Individuen heranzüchten. Was man schon immer gern getan hätte, wird nun zum Sachzwang erklärt. (Herr Minister Stratmann hat in Oldenburg studiert - vielleicht ist es ihm ein Anliegen, jemandem etwas "heimzuzahlen"? D.TipperIn)

Beim Kürzen was neues:
Massive Proteste aus der Region
haben Erfolg

Neu sind die Bemühungen zur Streichung ganzer Fächer nicht. 1988 sah ein Erlaß der Landesregierung, damals SPD, die Streichung sämtlicher Lehramtsstudiengänge in den Fächern Musik, Physik, Russisch und Sonderpädagogik sowie der Ausbildung für Lehramt Grund- und Hauptschule im Fach Kunst vor. Außerdem war der Diplomstudiengang Physik in Gefahr. Durch vielfältigen Protest der Studierenden und Lehrenden, der Uni-Leitung (damals vertreten durch Michael Daxner) und der Stadt Oldenburg wurde die Umsetzung der Pläne verhindert. Die Universität, die geschlossen gegen die Streichungspläne vorging, machte deutlich, "daß es in ihrem Fall nicht um Reduzierung, sondern um Erweiterung des Studienangebots gehen müsse". Der Rat der Stadt Oldenburg sprach sich in einer Sondersitzung gegen die Pläne der Landesregierung aus "Die Universität muß eine Stätte vielfältigen geistigen, kulturellen und wissenschaftlichen Lebens bleiben. Davon hängt nicht nur ihre eigene Attraktivität, sondern auch ihre Wirkung in der Region ab." (Zitate aus Uni-Info 4/88)

Gemeinsamer Widerstand
der ganzen Uni und der Region

Auch der Wissenschaftsrat hatte deutlich gemacht, "daß Einsparungen an der Universität nicht vertretbar seien". Der Stadtrat machte sich zum Fürsprecher der einzelnen Fächer und stellte fest, "die Fächer Kunst und Musik hätten dem kulturellen Leben in der Stadt und in der gesamten Region wertvolle Impulse gegeben", "Der Studiengang Russisch sei ein unverzichtbarer Teil des ohnehin schmalen Sprachangebotes, die Sonderpädagogik habe sich in der Forschung und Lehre breite Anerkennung erworben und einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der sonderpädagogischen Praxis in der Region geleistet", die erwogene Aufhebung der Lehrämter im Fach Physik "würde zu keinen nennenswerten Einsparungen führen und wäre angesichts des Mangels an Physiklehrern überhaupt nicht zu vertreten." "Eine Aufhebung des Diplom-Studienganges (...) treffe in Oldenburg nicht nur den interdisziplinären Zusammenhang aller Naturwissenschaften, sondern auch die zukunftsträchtigen Entwicklungen in der Informatik und in der Meeresforschung.. All dies sind Anregungen für das Jahr 2003, in dem Interdisziplinarität und die wissenschaftliche Vielfalt der Universität offenbar über Bord geworfen werden sollen.

Internationale Einbindung
der Proteste

Gleichzeitig mit den Protesten bereitete die Universität die Ossietzky-Tage 1988 vor und ließ damit keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit, international anerkannt zu bleiben: Robert Jungk, Willy Brandt, Lew Kopelew, Rosalinde von Ossietzky-Palm, Finn Lie, Ossip Flechtheim und andere waren eingeladen und hielten Veranstaltungen. Unter anderem die Vorauswirkung dieser illustren Gäste scheint einen Eindruck auf die Landesregierung gemacht zu haben.

Unileitung: Selbstverstümmelung
aus Angst vor dem Tod

Selbstverstümmelung aus Angst vor dem Tod ist genau das Syndrom, das die Uni-Leitung jetzt zeigt. Da wäre es ehrenhafter, sich vom Ministerium zusammenkürzen zu lassen als acht Studiengänge selbst zu streichen! Generationen von Studierenden haben mit ihrem Widerstand die Streichung und Zusammenkürzung von Studiengängen mit verhindert. Kunst, Musik, Sozialpädagogik, Diplom-Physik haben überlebt, auch die Germanistik, die immer am Rand des Existenzminimums gehalten wurde. Jetzt soll all das mit einem Handstreich einer servilen Unileitung verschwinden und die Uni in eine schlechtere Fachhochschule verwandelt werden.

Einseitige Streichungen Zufall?

Die Streichung der Jüdischen Studien wäre struktureller Antisemitismus. Evangelische Theologie wird schließlich nicht gestrichen. Was soll das für eine Universität sein, wo nur noch Naturwissenschaften und Betriebswirtschaft gelehrt werden? Es darf der Landesregierung nicht in einem Akt des allgemeinen Hinnehmens die Streichung ganzer Fachbereiche leicht gemacht werden.

Geschichte der Uni ist Geschichte erfolgloser Streichungen

Ist es in Vergessenheit geraten, daß schon vor der Gründungsphase der Universität ein totaler Finanzstopp verfügt wurde? Dagegen demonstrierten 3000 Oldenburger Studierende gemeinsam mit HochschullehrerInnen, wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und Dienstleistenden sowie VertreterInnen der Stadt, der Gewerkschaften und der Parteien. 1973 wurde die Universität gegründet. Gegen die drastische Reduzierung des Ausbaus der Universität Oldenburg auf 5700 Studienplätze erfolgte 1976 die legendäre Fahrraddemo nach Hannover von rund 1000 Oldenburger Hochschulangehörigen. Weitere Pläne zur Reduzierung der Hochschulausbildung gab es 1979. Auch dagegen wurde erfolgreich demonstriert. 2000 Studierende, DozentInnen, Wissenschaftliche MitarbeiterInnen und Bedienstete gingen auf die Straße.

Der Bau des naturwissenschaftlichen Standorts in Wechloy war 1980 mehrfach durch drohende Mittelkürzungen gefährdet. Mit der Unterstützung vieler Kräfte aus Stadt und Region wurde der Weiterbau durchgesetzt. 1982 sah schon wieder eine Kabinettsvorlage des Wissenschaftsministeriums die Schließung geisteswissenschaftlicher Studiengänge vor. Wieder waren es Proteste von Stadt und Region und studentische Demonstrationen, die dies verhinderten.

Die Geschichte der Carl von Ossietzky-Universität ist vom ständigen Kampf gegen Külrzungsvorhaben geprägt. Ganz zu schweigen von den ständigen Stellenstreichungen in allen Fachbereichen.

Der Zusammenstreichung muß Einhalt geboten werden. Das wird nur mit der erfolgreichen Bündelung aller Kräfte gelingen.

Katja Viebahn

 

 
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