Oldenburger STACHEL Nr. 244 / Ausgabe 8/03      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

"Die USA sind Kriegsverbrecher"

Atomanlage dem Erdboden gleichgebombt

Über die Plünderungen im Irak wurde viel berichtet. Auch der Oldenburger STACHEL druckte dazu eine Einschätzung. Weniger wurde von den Medien übermittelt, daß bereits während des "Kreuzzuges" 1991 Großbritanniens und der USA gegen den Irak massiv das Völkerrecht gebrochen wurde, das durchzusetzen der Feldzug doch geführt würde. Doch die Vereinten Nationen UN haben damals den Bock zum Gärtner gemacht.

Knapp drei Tage nach Kriegsbeginn zeigte sich der US-General Norman Schwarzkopf in den Medien: "Wir haben das Atomkraftwerk Tuwaita nahe Bagdad dem Erdboden gleich gemacht." Doch dieser vermeintliche Erfolg der amerikanischen Soldaten verschwand schnell wieder aus dem Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Einer der wenigen Beiträge, die sich diesem Thema noch widmeten, war die Sendung von rtl-plus "explosiv" am 29.1.1991 von Inge Lindemann und Reinhard Spilker. Der Text dieses Beitrages wurde damals in der Februarausgabe des STACHEL dokumentiert.

Bomben auf Atomanlagen

Fakt ist, daß die Bombardierungen der Atomanlagen im Irak allen internationalen Vereinbarungen zuwider geschahen. rtl berichtete:

"... Deshalb greifen US-Jets am 20. Januar TUWAITA an, das Atomzentrum nahe Bagdads. Ihr Ziel: Drei mit Atombrennstoff beladene Reaktoren. Zwei davon produzieren keinen Strom, sondern dienen der Forschung. Der älteste Reaktor IRT 5000 - von den Sowjets geliefert - arbeitet seit 20 Jahren. Sein Reaktorkern ist zwar 100 mal kleiner als der von Tschernobyl, aber wenn die Bomben richtig treffen, kann viel mehr vom Reaktorkern freigesetzt werden, können also die Umweltschäden in unmittelbarer Nähe noch schlimmersein.

Die anderen US-Ziele: Das verbunkerte Forschungszentrum SAT 16 in der Nähe von Mosul und Uranvorkommen im Norden Iraks. Die Bombermission ist erfolgreich - Atomanlagen zerstört. Die Verluste der Angreifer: Mehrere US-Flugzeuge abgeschossen. Die Irakis führen die Piloten im Fernsehen vor. Postwendend protestiert Präsident Bush gegen die angebliche Mißhandlung seiner Piloten. Dies verstoße gegen die Genfer Konvention. Übersehen hat Bush dabei, daß sein Luftangriff die gleiche Konvention verletzt hat.

In einem Zusatzprotokoll heißt es in Artikel 56: "Bauten oder Anlagen mit gefährlicher innerer Dynamik wie Staudämme, Deiche und Kernkraftwerke dürfen nicht Angriffsziele sein, selbst, wenn es sich militärische Anlagen handelt." Diesen Text von 1977 haben auch die USA unterzeichnet. Dennoch wurden danach Atomanlagen angegriffen." Soweit damals rtl.

Die USA sind Kriegsverbrecher

2003 könnte es nun in den Medien vielerorts scheinen, als seien die amerikanischen Militärs überrascht worden von den Plünderungen. Hinsichtlich der geplünderten Museen und der Vernichtung und Vermarktung großer Teile nicht nur der irakischen, sondern der Menschheitsgeschichte ist inzwischen klar, daß die US-Regierung Monate vor dem neuen Krieg gewarnt wurde, was passieren würde. (Vgl. STACHEL 243) Direkt vor Beginn der Museumsplünderung wurde das US-Militär nochmals um Schutz gebeten. Die USA kamen ihrer Verpflichtung zum Schutz des Weltkulturerbes nicht nach.

Auch die Internationale Atomenergiebehörde IAEO hat die US-Regierung bereits vor dem Krieg und auch während des Krieges aufgefordert, die atomaren Anlagen im Irak zu schützen. Doch auch dies wurde ignoriert.

Freudige Kenntnisnahme
der Atom-Plünderungen?

Einen günstigen Nebeneffekt hat die massive Verteilung von radioaktivem Material für die USA: Dadurch werden die Spuren der völkerrechtswidrigen Handlungen verwischt. Sicher war es nicht allein der Grund, der gesamten Welt ihre Macht zu demonstrieren, als die USA der IAEO die Kontrolle der Atomanlagen verboten. Was einen weiteren Bruch des Völkerrechts darstellt - denn genau das ist die Aufgabe der IAEO. Auch die folgende sehr begrenzte Erlaubnis zur IAEO-Kontrolle kann das nicht heilen. Überhaupt sind Kontrollen im Irak zur Ermittlung dessen, was geschehen ist, ohnehin sehr schwer - immerhin wurden bereits 260.000 Bombardierungen seitens der USA und Großbritanniens in der Zeit zwischen den Kriegen durchgeführt.

Pünktlich zu Beginn der Ferienzeit platzte die Nachricht von den atomaren Plünderungen bei uns durch die Medien:

"Nukleares Desaster im Irak"

Einen Sicherheitsbehälter mit Atommüll haben Greenpeace-Aktivisten heute morgen in Bagdad vor dem Hauptquartier des US-Zivilverwalters für den Irak, Paul Bremer, abgeladen. Das radioaktive Uran, "yellowcake" genannt, fand Greenpeace in einem Dorf nahe der Atomanlage Tuwaitha, 18 Kilometer südöstlich von Bagdad. Seit dem Sturz Saddam Husseins haben Einwohner der Region die Anlage geplündert - nichts ahnend von der strahlenden Gefahr. Greenpeace fordert Bremer auf, der Internationalen Atomenergiebehoerde (IAEO) sofort Zutritt zu dem Gebiet zu gewähren, damit diese die radioaktive Verseuchung erfassen und beseitigen kann.

"Dieser Atommüll ist nur ein Bruchteil dessen, womit die Bevölkerung in Tuwaitha monatelang leben mußte", sagt Wolfgang Sadik, Greenpeace-Sprecher vor Ort. "Bremer ist verantwortlich für die Gesundheitsversorgung im Irak. Er muß sofort den Weg frei machen und die Internationale Atomenergiebehörde ihre Arbeit machen lassen." Das US-Militär hält an seiner Darstellung fest, daß in der Region keine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung besteht - trotz der Beweise für eine weiträumige radioaktive Verseuchung.

Das internationale Team von Greenpeace hat in den vergangenen drei Wochen in der Region Tuwaitha mehrfach offen herumliegenden Atommüll gefunden und stark überhöhte Strahlung gemessen. In einer Grundschule lag der Wert 3000fach höher als normal, in einem Wohnhaus in der Nähe der Atomanlage sogar 10.000fach höher. Dorfbewohner nutzten verstrahlte Fässer zur Lagerung von Trinkwasser und Lebensmitteln.

Seit Kriegsende verweigern die Besatzungmächte der IAEO den Zugang zum Irak. Damit verstoßen sie gegen die UN-Resolution 1441, die den "uneingeschränkten Zugang" der IAEO zu allen Gebäuden im Irak verlangt. Lediglich für zwei Wochen gestatteten die Besatzungsmächte im Juni den Inspektoren den Zutritt zur Atomanlage Tuwaitha. Die IAEO durfte jedoch nur das Uran innerhalb der Anlage erfassen, nicht in den umliegenden Dörfern.

"Die Region Tuwaitha steht vor einem nuklearen Desaster. Nirgendwo sonst auf der Welt würde das toleriert werden", sagt Wolfgang Sadik. "Das radioaktive Material, das wir Paul Bremer heute gebracht haben, ist sicher in einem Container verschlossen - aber wer weiß, wie viel Atommüll noch offen und ungesichert in den Dörfern herumliegt." (ngo-online am 4.7.2003)

Es geht um die Menschen

Dem STACHEL gegenüber erläuterte Wolfgang Sadik, daß Greenpeace Proben aus Tuwaita zur Untersuchung aus dem Land geschmuggelt hat. Die Untersuchungen sind in erster Linie hinsichtlich der radioaktiven Belastung durchgeführt worden, also wieviel Strahlung die Biospäre dort, die Lebenswelt der Menschen und Tiere belastet. Der Frage, aus welchem Desaster die Strahlungsquellen jeweils stammen, ist bisher nicht Gegenstand der Untersuchungen gewesen.

Solche Untersuchungen gestalten sich zwar aufwendig, doch grundsätzlich ist es möglich, einen "Fingerprint" auf die Ursache hin zu untersuchen. Vielleicht gibt es ja irgendwann Klarheit darüber, wer im Einzelnen am vielzähligen Krebstod der Menschen die Schuld trägt: Die israelische Bombardierung der lediglich von den Brennstäben geleerten AKWe, die Verantwortlichen für die Bomben 1991, diejenigen, die den Einsatz vo Uranmunition befahlen und/oder die Plünderer, die der Menschheit zeigten, was geschieht, wenn wir gefährliche Technik einsetzen, aber niemand mehr deren Gefahren kennt.

Wider den Luxus
der Hoffnugslosigkeit

Angesichts solcher Berichte ist es verständlich, wenn Menschen mit Resignation reagieren - "mensch kann ja doch nichts machen" ... Doch ein wenig haben wir vielleicht doch den Lauf der Geschichte in der Hand. So hat es noch nie solche massiven Proteste vor einem Krieg gegeben wie 2003 vor dem US-Krieg gegen Irak - dies, obgleich die Menschen weltweit noch im Banne der Ereignisse des 11.9.2001 standen und der buschistischen Propaganda des "Krieges gegen den Terrorismus" unterworfen waren.

Krieg ist kein Schicksal, sondern ein Verbrechen gegen die Menschheit. Gegen solche Verbrechen können wir nur gemeinsam erfolgreich sein. Gegen die Resignation hilft vielleicht die Lektüre von Dorothee Sölle und Fulbert Steffensky: "Wider den Luxus der Hoffnugslosigkeit". Oder auch die Teilnahme am

Zweiten friedenspolitischen Kongreß
in Hannover: 29. bis 30. August 2003

Als die US-Regierung Anfang dieses Jahres zum Feldzug gegen den Irak rief, protestierten Millionen von europäischen Bürgerinnen und Bürgern auf den Straßen. Auf der Ebene der Regierungen aber zeigte sich Europa gespalten: Großbritannien, Spanien, Italien, Dänemark, die Niederlande und Polen reihten sich in die "Koalition der Willigen" ein, insbesondere Frankreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg, Österreich und Griechenland machten frühzeitig deutlich, daß sie sich nicht an diesem Krieg beteiligen wollten.

Was sind die Hintergründe dieser politischen Spaltung? Welche unterschiedlichen Interessen werden hier wirksam? Wie weit bestimmt die Kriegslogik auch die europäische Politik? Und wie sehen friedenspolitische Alternativen aus? Kann ein gerechteres Nord-Süd-Verhältnis zu dauerhaftem Frieden führen? Diese Fragen sollen auf dem II. Friedenspolitischen Kongreß in Hannover beraten werden. Dabei soll auch die beunruhigende Aufrüstung der EU zur (atomaren) Militärmacht analysiert werden: Mit sehr starker deutscher Beteiligung werden mobile Einsatztruppen für globale Interventionen aufgestellt. Auch die EU strebt danach, sich militärische Optionen zu eröffnen, um ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen im Zweifel mit Gewalt durchzusetzen. Nicht die Freiheit wird verteidigt, sondern ein Krieg gegen den Süden um Ressourcen und Märkte geführt. Verteidigung, behauptet der deutsche Militärminister Peter Struck, finde heute "am Hindukusch" statt. Das Völkerrecht wird dabei nur von Fall zu Fall respektiert, wie der ohne UN-Mandat geführte "Kosovo-Krieg" gegen Serbien 1999 gelehrt hat. Bundeskanzler Gerhard Schröder, der den Krieg als angeblichen Friedensdienst mit deutschen Kriegseinsätzen auf dem Balkan wie in Afghanistan rehabilitiert hat, betreibt trotz seiner Absage an den Irak-Krieg weiter die "Enttabuisierung" militärischer Gewalt.

Müssen wir hinnehmen, daß sich mit einem deutsch-französischen "Kerneuropa" womöglich eine neue Militärmacht formiert? Und was bedeutet das für das künftige Verhältnis der EU zur Weltsupermacht USA, das bereits heute immer stärker von Konkurrenz geprägt wird?

Beim II. Friedenspolitischen Kongreß in Hannover soll auch beraten werden, wie und wo die Friedensbewegung eingreifen kann. Schließlich hat sie in den vergangenen Jahrzehnten alternative Konzepte und zahlreiche gewaltfreie Aktionsformen erarbeitet und angewandt. Über den Protest, die Verweigerung und den Widerstand hinaus gibt es Wege der zivilen Konfliktregelung und des friedlichen Interessenausgleichs, die dargestellt und kritisch diskutieren werden sollen. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich auch auf die ökonomischen und politischen Ursachen von Kriegen und den Ausweg aus Militarisierung und Krieg. Wir wissen: Eine andere Welt ist möglich - eine Welt ohne Hunger, Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg. Machen Sie mit! Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.

Wer nicht ganz so weit fahren möchte, ist ebenso herzlich eingeladen, am Fahrradkorso für den Frieden anläßlich des Antikriegstages 1.9. am Sonnabend, 30.8., teilzunehmen. Treffpunkt: 11 Uhr, Julius-Mosen-Platz (Nahe Friedenskirche). Kontakt über Bündnis für den Frieden Oldenburg, Tel. 04 41,5 94 76 88 (Q) oder Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen DFG-VK, Tel. 04407,424 (Q).

Gerold Korbus

Weitere Infos

Kontakt Friedenspolitischer Kongreß, c/o VHS Hannover, Theodor-Lessing-Platz 1, 30159 Hannover, Tel. 0511,16 84 65 77, Fax: 0511,16 84 15 27, Emil: gerd.kurbjuhn@hannover-stadt.de

rtl-Beitrag: vgl. u.a. Oldenburger STACHEL 2/1991 und http://www.stachel.de/Extra/BuendnisFu erFrieden/kriegsverbrecher.htm

Atom-Plünderungen: http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php4?Nr=6524 &TINr=17

siehe auch http://www.ngo-online.de/ und http://www.greenpeace.de/

 

 
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