Oldenburger STACHEL Nr. 244 / Ausgabe 8/03      Seite 13
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Verweigerung notwendiger Gesundheitszuwendungen

Zwangseinweisung jetzt auch durchs Sozialamt

Müssen selbst junge Menschen mit einem hohen Hilfebedarf in Zukunft Angst haben, in ein Alten- und Pflegeheim abgeschoben zu werden? Für gesunde Menschen ist es (noch?) selbstverständlich: Zu einem menschenwürdigen Leben gehört eine eigene Wohnung. Das gilt auch, wenn jemand in eine finanzielle Notlage gerät: Die Miete für die Wohnung gehört zum Grundbedarf und wird, wenn dies notwendig wird, vom Sozialamt finanziert.

Bis vor kurzem lebte Herr Schoolmann$^1$ gemeinsam mit Herrn Baumspecht$^1$ kostengünstig in einer Zweck-Wohngemeinschaft. Diese Wohngemeinschaft konnte nicht mehr fortgeführt werden. Der Auszug von Herrn Baumspecht hatte zur Folge, daß die individuelle Versorgung für beide entsprechend teurer wurde. Daraufhin hat das Sozialamt Oldenburg die weitere ambulante Versorgung - die Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe - für Herrn Schoolmann aus Kostengründen abgelehnt. Herr Schoolmann ist noch jung, doch er wurde aufgefordert, in ein Alten- und Pflegeheim umzuziehen, was absolut nicht seinem eigenen Willen entsprach und bis heute nicht entspricht. Hinzu kommt die Kenntnis, daß Menschen in Heimen und Krankenhäusern regelmäßig schnell Abbauerscheinungen zeigen - was bereits nach wenigen Tagen einsetzt. Herr Schoolmann leidet an Multipler Sklerose (MS) - deshalb ist bei ihm zu erwarten, daß dieser Effekt sich besonders stark auswirken wird.

Die Kostenentscheidung der Stadt Oldenburg wurde dennoch durch das zuständige Verwaltungsgericht Oldenburg im Rahmen eines Eilverfahrens gerichtlich bestätigt. Das bedeutet keine endgültige Entscheidung. Doch wenn das Verfahren irgendwann möglicherweise positiv für Herrn Schoolmann entschieden sein wird, hat dieser bereits erhebliche nicht wieder gut zu machende Nachteile erlitten.

Was bedeutet dieses Urteil nun für andere Personen, deren Hilfebedarf zunimmt? Es ist ein Präzedenzfall, denn jetzt geht es um Kosten und nicht mehr um die Menschenwürde und die individuelle Bedarfs- und Bedürfnislage der einzelnen Personen! Auch das Grundrecht der freien Wohnungswahl wird dadurch massiv eingeschränkt.

Es sei hier daran erinnert, daß erst vor kurzer Zeit pauschal der notwendige Mehrbedarf für DiabetikerInnen gestrichen wurde und erst mühseelig von einigen vor Gericht wieder erkämpft werden mußte. Die "Einzelfallprüfung" seitens des Sozialamtes besteht fort.

Da zu befürchten ist, daß zunehmend mehr Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen von derartigen Entscheidungen betroffen sein werden, können wir nur alle auffordern, zu protestieren und mit uns dagegen Widerstand zu leisten! Kontakttelefon: 0441/664 0 624

Ekkehard Junge, Gerold Korbus u.a.

$^1$ Namen von der Redaktion geändert

 

 
  Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum