Oldenburger STACHEL Nr. 245 / Ausgabe 12/03      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Militärverfassung für die Europäische Union?

oder: Auch die EU ist auf Kriegskurs

Der sogenannte EU-Konvent hat in längerer Arbeit einen Entwurf für die zukünftige EU-Verfassung vorgelegt. Dieser Entwurf für eine neue EU-Verfassung hat es in sich. Hier ein Vorschlag für die Initiierung einer Kampagne gegen diese EU-Verfassung.

Aufrüstungsverpflichtung

Unter Artikel I-40 des 260seitigen Entwurfs für eine EU-Verfassung heißt es: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern". Daß es sich dabei tatsächlich um eine verbindliche Verpflichtung für alle EU-Staaten handelt, zeigt die ebenfalls in der zukünftigen Verfassung festgeschriebene Gründung eines "Europäischen Amtes für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten". Dieses Amt soll "bei der Ermittlung der Ziele im Bereich der militärischen Fähigkeiten der Mitgliedstaaten mitwirken und die Erfüllung der von den Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Fähigkeiten eingegangen Verpflichtungen bewerten". Also hier ist eine Aufrüstungsverpflichtung in einer Verfassung festgeschrieben, der Verfassung, die in Zukunft für fast alle von uns verbindlich gilt.

EU-Kampfeinsätze in aller Welt - ohne Parlamentskontrolle

Ebenfalls in der EU-Verfassung wird geregelt, daß das EU-Militär zu "Kampfeinsätzen im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen" eingesetzt werden kann. Weiter heißt es: "Mit allen diesen Missionen kann zur Bekämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet". Das im Grundsatz gebilligte Militärstrategiepapier der EU, das im Kontext der EU-Verfassung zu sehen ist, sieht sogar das Präventivkriegskonzept vor! "Über militärische Einsätze der EU entscheidet der Ministerrat", das EU-Parlament ist zu "wichtigsten Aspekten" der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" nur anzuhören, eine parlamentarische Kontrolle kann somit kaum stattfinden.

Mitarbeit und dann Opposition?

Eine Reihe von politischen Gruppen haben sich während der Entstehung des Entwurfs für eine EU-Verfassung bemüht, an einigen Stellen Verbesserungen zu erreichen, manche haben auch Änderungen erreicht oder glauben sie erreicht zu haben. An vielen anderen ist die Entstehung des Entwurfs für eine EU-Verfassung völlig vorbeigegangen. Eine anfängliche Mitarbeit und eine anschließende Ablehnung müssen sich nicht widersprechen, im Gegenteil. Trotz vielfacher Bemühungen gelang es nicht, daß sich die Grundrichtung des Entwurf für die EU-Verfassung vor allem im Militärbereich entscheidend verändert hat. So ist angesichts der konkreten Verfassungsinhalte am Ende nur eine klare Ablehnung dieses EU-Verfassungsentwurfs konsequent und politisch richtig.

Wir sind der Meinung, daß das zentrale Kriterium sein muß, ob die EU-Verfassung politisch stimmig ist oder eben nicht. Die Regelungen im Militärbereich sind dermaßen grundlegend falsch, daß allein schon damit der Gesamtentwurf der EU-Verfassung politisch falsch wird. Politisch besonders bedeutend ist, daß es sich nüchtern betrachtet, beim Entwurf für eine EU-Verfassung im Wesentlichen um eine Militärverfassung handelt. Die genaue Analyse und Kritik im Militärbereich findet sich im Anschluß dieses Textes.

Es wäre wünschenswert, wenn eine ähnliche Analysen des EU-Verfassungsentwurfs auch mit Hinblick auf andere problematische Verfassungsinhalte unternommen würden: Unter juristischen, wirtschaftswissenschaftlichen, globalisierungskritischen, ökologischen, grundrechtlichen, (atom)energiepolitischen, feministischen, etc. Gesichtspunkten.

Vorschlag einer Kampagne gegen diesen Entwurf einer EU-Verfassung

Aus den genannten Gründen haben wir jetzt bei der Informationsstelle Militarisierung (IMI) beschlossen, vorzuschlagen, eine Kampagne gegen diesen EU-Verfassungsentwurf zu initiieren. Wir können und wollen die Kampagne gegen die EU-Verfassung als IMI nicht alleine starten, wir wollen die Kampagne hiermit vorschlagen und bitten um Rückmeldung, über den Vorschlag und wie das weitere Prozedere sein könnte.

Wir könnten uns vorstellen, daß eine solche Kampagne getragen wird von Gruppen der Friedens- und Antikriegsbewegung, Gruppen der globalisierungskritischen Bewegung, Gruppen der Bewegung gegen Sozialabbau, Gruppen, die sich um Flüchtlinge kümmern, usw.

Wir könnten uns vorstellen, einen Text aufzusetzen, der die Kritik und Ablehnung dieses Entwurfs einer EU-Verfassung deutlich macht. Dieser Text könnte dann von vielen Menschen und Gruppen unterzeichnet werden und dann später veröffentlicht werden.

Einige der Gruppen, die diesen Aufruf zugesandt bekommen, bei denen der Vorschlag z.T. schon auf Versammlungen gemacht wurde, und von denen wir uns erhoffen, daß sie bei einer Kampagne gegen diese EU-Verfassung mitmachen könnten, seien beispielhaft genannt: Bundesausschuß Friedensratschlag, Kooperation für den Frieden, attac (Rat, Ko-Kreis, wissenschaftlicher Beirat und AG Globalisierung und Krieg), DFG-VK, Connection e.V., Friedensnetz, Berliner Sozialforum, Kölner Sozialforum, weitere Sozialforen (in Gründung).

Tobias Pflüger

Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V., Hechingerstraße 203, 72072 Tübingen, Tel: 0 70 71/4 91 54, Fax: 0 70 71/4 91 59, Email: imi@imi-online.de, http://www.imi-online.de

 

 
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