Oldenburger STACHEL Nr. 245 / Ausgabe 12/03      Seite 7
 
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"Es wird ein bißchen ruckeln"

Einkaufs- und Parkkoloß am Schlossplatz stößt auf Kritik

Die Pläne für den Einkaufspalast mit einem Parkhaus auf dem Gelände des ehemaligen Hallenbades stoßen nicht überall auf Zustimmung. Oberbürgermeister (OB) Schütz und der Marktführer für große Einkaufszentren, der Fa. ECE, wollen zwischen Schloß und Galeria Kaufhof eine sog. "Einkaufs-mall" mit einer Verkaufsfläche von 15 000 qm errichten. Angesichts absehbarer Kritik mußte OB Schütz für sein ehrgeiziges Vorhaben den Gutachter Dr. Lademann bestellen, der auch promt in einem Gutachten bescheinigte, daß das Vorhaben für die Innenstadt "verträglich" sei. Der Sachverständige erläuterte sein Gutachten nicht vor dem Rat oder einem Ausschuß, dafür aber am 10.11.03 vor der Oldenburgischen IHK. Er wußte schon, welches Gremium wichtig ist. Dort räumte er aber auch ein, daß es "Umverteilungswirkungen" geben wird. Die Geschäftswelt im übrigen Oldenburg werde sich verändern. Wörtlich: "Es wird ein bißchen ruckeln".

Die Planung für die Einkaufsmall hat eine Vorgeschichte: Ursprünglich ging es darum, zur Finanzierung des neuen Huntebades das städtische Gelände des alten Hallenbades möglichst günstig zu verkaufen und dort einen gemischten Komplex mit Geschäften im Erdgeschoß, Verwaltungseinheiten für die Erweiterungswünsche der LzO und auch mit Wohnungen zu errichten. Dann wurde der Verkehrsentwicklungsplan aufgestellt, der im Bereich des Schloßplatzes ein Parkhaus mit 500 Stellplätzen vorsah, später sprach man nur noch von einer Tiefgarage. Der Verkehrsentwicklungsplan mit diesem Vorhaben war noch in der alten Ratsperiode mit der SPD-Grünen Mehrheit beschlossen worden. Die Zustimmung der Grünen hatte Dezernentin Opphard mit dem Argument bekommen, daß von den 500 Parkplätzen allein 230 für den geplanten Verwaltungskomplex der Landessparkasse notwendig und 150 für den Wegfall öffentlicher Parkplätze an der Burgstraße gedacht seien. Unterm Strich gäbe es doch nur 120 zusätzliche Parkplätze. So wurde im Jahre 2000 der Verkehrsentwicklungsplan bei Stimmenthaltung der Umweltverbände beschlossen. Einzig die OLLI-PDS-Fraktion stimmte dagegen.

In der neuen Ratsperiode mit dem SPD-Oberbürgermeister Schütz wurden diese Pläne modifiziert. Für den Wegfall der ebenerdigen Parkplätze im Bereich Burgstraße/Gastsstraße will Schütz durch die Förderung einer Tiefgarage in diesem Bereich gleich doppelt "Ersatz schaffen". Außerdem ist er bis heute stolz darauf, den "Großinvestitor" ECE an Land gezogen zu haben, der ihm den ganzen Bereich zwischen der denkmalgeschützten Alten Wache, dem Schloß, Galeria Kaufhof und auf dem Gelände des Hallenbades umgestalten will. Die Pläne von ECE rechnen sich aber nur, wenn die neuen Einkaufsflächen direkt mit dem Auto angefahren werden können. Das war von Anfang an klar. Deshalb wurde die Tiefgarage mit einer Größe von insgesamt 850 Stellplätzen geplant.

Dann gab es im Sommer 03 eine neue Wendung: Die LzO erklärte, ihr sei das alles für ihren Verwaltungskomplex zu eng. Sie wolle nun doch lieber auf das Gelände nordöstlich des Bahnhofs, woraufhin die ECE sofort erklärte, daß jetzt eine Tiefgarage beim Ausfall dieses Co-Investors nicht mehr zu bezahlen sei. Die ECE brauche ohne LzO mindestens 500 Stellplätze. Deshalb müsse auf dem Hallenbadgelände ein Parkhaus gebaut werden. Da das Stadtbild mit dem historischen Schloß und ein Parkhaus nicht so recht zusammenpassen, hatte Schütz dann die Idee das Parkhaus in einem Gebäudekomplex mit Wohnungen an diesem Standort zu "verstecken". Jetzt geht es nur noch um Details, unter anderem auch um die nicht unwichtige Frage, ob die ECE für das Hallenbadgelände einen Kaufpreis zahlt, der dem tatsächlichen Wert des Grundstücks entspricht oder ob das Grundstück vielleicht sogar unter Wert abgegeben wird, um den "Großinvestor" nicht zu verstimmen.

Die Probleme bleiben: Die Kaufkraft in Oldenburg stagniert. Im Bereich der unteren Einkommensgruppen sinkt sie sogar in Folge der von der Bundesregierung betriebenen neoliberalen Politik ("Agenda 2010") immer weiter ab. Schon heute stehen reihenweise Geschäfte in der Innenstadt leer. Das trostlose Bild des Boykenganges sagt alles. Auch dem Gutachter Lademann ist aufgefallen, daß immer mehr Menschen ihre Einkäufe über den Computer organisieren (e-commerce). Wozu brauchen wir dann diesen Einkaufspalast?

Die Erfahrungen von ECE-Vorhaben in anderen Städten zeigen, daß sich derartige Vorhaben durchaus für den Investor rechnen. Derartige "malls", die man sich wie ein Famila in der Innenstadt mit vielen Einzelgeschäften vorstellen muß, werden durchaus angenommen. Allerdings gibt es auch Verlierer. Letztlich wird die vorhandene Kaufkraft nur umverteilt. Lademann schreibt dazu in seinem Gutachten, die Verluste der Innenstadtgeschäftsleute würden ausgeglichen, weil der "Magnet" neue Käuferströme in die Innenstadt zöge. Er ginge "aufgrund seiner Erfahrungen davon aus, daß 80% der Besucher auch die übrige Innenstadt besuchen" (S. 15). Eine nähere Begründung für diese Annahme gibt es in dem Gutachten nicht. An anderer Stelle in dem Gutachten heißt es: "Die zu erwartenden Umsatzverteilungseffekte lassen sich nicht abschließend beurteilen." (S. 51)

Ob wirklich die Umverteilung zu Lasten des Umlandes erfolgt, ist fraglich. Verlierer werden auf jeden Fall auch die Stadtteilzentren sein, was auch Dr. Lademann einräumte. Er sprach von "Streulagen", auf die man verzichten sollte. Aber das ist nicht nur wegen der dort ansäßigen Geschäftsleute nachteilig. Ein wohnungsnahe Versorgung wird Schaden nehmen. Die Planung mit der ECE wird Autoverkehr nicht vermeiden, sonder zusätzlichen Autoverkehr erzeugen. Das ist weder ökologisch noch entspricht es den Zielsetzungen des kommunalen Agendaprozesses.

Das ECE-Ungetüm wird zum größten Teil aus Filialbetrieben bestehen. Neu kommt vielleicht Peek & Cloppenburg. Vor allem aber werden vorhandene Filialen dorthin umziehen und woanders Leerstände verursachen. So sehr der Schloßplatz auch aufgemotzt werden wird, an anderer Stelle wird mit einem Verfall lebendiger Innenstadt dafür bezahlt werden. Dies haben auch Geschäftsleute aus der Innenstadt erkannt, z.B. Frau Sabine Hoeep (Nanu Nana), die auf der IHK-Versammlung für den Erhalt der bestehenden Innenstadt plädierte, die doch eigentlich ganz attraktiv sei und weiter: "Diese Einkaufs-mall brauchen wir nicht."

Die Beratung in den Ratsgremien hat erst angefangen. Unbehagen gibt es auch bei einzelnen Mitgliedern der CDU-Fraktion. Die PDS-Fraktion hat ihre Zweifel bereits öffentlich gemacht: Läßt sich ein solcher Kommerz-Tempel in das historische Ensemble am Schloßplatz einfügen? Kann man ein Parkhaus neben dem Schloß "verstecken"? Wird das Vorhaben vielleicht sogar mit öffentlichen Mitteln durch einen abgesenkten Kaufpreis für das Hallenbad-Grundstück subventioniert? Wollen wir 500 neue Parkplätze in der Innenstadt und damit den beschlossenen Verkehrsentwicklungsplan, der von 120 neuen ausgegangen war, ad absurdum führen?

Hans-Henning Adler

 

 
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