Oldenburger STACHEL      
   

Schilder in Schilda

Zwischen vielen großen Häusern steht in unserer Straße ein winzigkleines Häuschen. Lange Zeit hat es leergestanden, denn es ist viel zu klein zum Drinwohnen, und wenn ich daran vorbei ging, fragte ich mich oft, was aus dem Häuschen einmal werden könnte: Ein etwas groß geratener Stromkasten? Eine öffentliche Toilette für unsere stille Straße? Oder einfach aufmachen, als Spielhäuschen für die Kinder?

Eines Tages hatte das Rätseln ein Ende. In dem Häuschen wurde ein Kiosk eröffnet. Und damit auch jede und jeder sehen konnte, daß es sich um einen Kiosk handelt, schrieb der Inhaber es dran. Nein, nicht direkt auf die Hauswand. Sondern schön ordentlich auf ein Schild (40 x 60 cm), daß dann platt an die Wand gedübelt wurde. Einige Tage später wurde er von einem Passanten darauf aufmerksam gemacht, daß Schilder nicht einfach so ohne Genehmigung "wild" an Häuser gehängt werden dürfen. Und um eine Genehmigung zu bekommen, müsse man zuerst einen Bauantrag stellen.

Der Kioskbesitzer begab sich daraufhin zum Bauordnungsamt und wurde vom zuständigen Sachbearbeiter mit einer genauen Auflistung der Unterlagen ausgestattet, die für einen solchen Antrag nötig sind. Da ist zunächst einmal die "Bauskizze, Maßstab 1 : 100".

"Aber da ist ja mein Kiosk nicht größer als eine Streichholzschachtel" wandte der Antragsteller ein.

Egal. Ach ja: Das Schild muß natürlich farbig hervorgehoben sein, um das Schild geht es ja schließlich... Und dann muß auf dem Bauantrag ein Stempel der Werbefirma sein, die das Schild erstellt hat.

"Werbefirma? Welche Werbefirma?"

... und eine Materialbeschreibung, in doppelter Ausfertigung.

"Hä? Äh... Plastik. Reicht nicht? Hm..."

Nach inständiger Rücksprache war dann der Herr vom Bauordnungsamt bereit, auf den Stempel der nichtexistierenden Werbefirma zu verzichten und statt dessen mit dem Stempel eines Architekten vorlieb zu nehmen, der zwar das Schild nicht gemacht hat, aber wohl vom Bauordnungsamt als Autoritätsperson akzeptiert wird. (Derselbe Architekt hatte sich übrigens geweigert, eine Bauskizze anzufertigen, auf der der entscheidende Gegenstand nur 0,4 x 0,6 cm groß sein sollte.)

Schließlich waren alle geforderten Unterlagen erstellt und eingereicht und der zuständige Sachbearbeiter bearbeitete die Sache sechs Wochen lang und kam zu dem Ergebnis: Er braucht mehr Unterlagen. Eine "Grundrißskizze" brauche er, vermutlich, um nochmal genau zu gucken, was für 'n Haus und was für 'n Schild und vielleicht, ob das Haus auch nicht vornüber fällt, wenn da so ein großes, schweres Schild befestigt wird.

Der Kioskbesitzer reichte daraufhin dieselbe Zeichnung ein, mit der er sich beim Ordnungsamt die Genehmigung geholt hatte, in dem dargestellten Haus einen Kiosk zu betreiben - eine genaue Skizze im Maßstab 1:20. Zu genau vielleicht, denn irgendetwas daran mißfiel dem Beamten. Die Zeichnung sei ja "allerliebst", schrieb er, aber nicht seinen Vorstellungen entsprechend.

Dem Kioskbesitzer fiel nun nur noch eine einzige Formalität ein, die offensichtlich notwendig war, um eine Genehmigung für sein Schild zu bekommen. Er reichte beim Bauordnungsamt eine Beschwerde ein. Das hat funktioniert.

mau


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